Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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Alles morden und alles erschlagen.
Da horchten die Zecher hoch auf, und lief alsbald
einer aufs Rathaus, ein anderer zum Glöckner, daß er
nicht Zwölfe anschlage, ein dritter und vierter und
fünfter zu den Zünften, und kamen den Rotmänteln
zuvor. Hernachmals ist das Bild des Knaben auf der
Metzgerzunftstube hinter dem Ofen gemalt lange Zeit
zu sehen gewesen.
8. Die Herren von Hohensax
Zwischen dem Altmann-Berge, dem Nachbar des
Hohen Säntis, und dem Rheintale liegt die alte
Stammburg der Freiherren von Hohensax. Deren einer
hieß Hans Philipp, war ein ritterlicher Kriegsheld und
zog ins Niederland, für dessen Freiheit er mitfocht,
war ein Protestant und gerade in Frankreich, als die
Ketzerverfolgung begann. Mit Mühe entrann er der
Pariser Bluthochzeit. Dieser Freiherr von Hohensax
hielt die alten Lieder gar wert, welche die Minnesänger
in der Schweiz und in Schwaben gedichtet und gesungen
hatten, und besaß von ihnen jenes hochwerte
Buch, das ein Stolz der deutschen Poesie, jetzt aber in
den Händen der Franzosen ist, die es vordessen aus
Deutschland entführt haben und nimmermehr wieder
herausgeben, weil man es ihnen nicht wieder genommen
hat, da es rechte Zeit dazu war. Gar wert hielt der
Freiherr das alte Liederbuch, da geschah es, daß ihn,
manche sagen um des Glaubens willen, sein Neffe Ulrich
Georg von Hohensax erschlug, das geschah im
Jahre 1559. Darauf kam das Buch mit dem unverwelklichen
altdeutschen Liederschatz in die Hände und in
die Liberei des Kurfürsten von der Pfalz gen Heidelberg,
von wo es durch die Franzosen weggeschleppt
wurde. Wunderbares aber begab sich mit dem Leich-
nam des Ermordeten; dieser verwesete nicht, als er in
der Kirche zu Sennewald beigesetzt war, das dünkete
die Umwohner ein absonderliches Zeichen, und meinten,
obgleich der Verstorbene stetig ein Protestant gewesen,
er müsse etwa doch ein heiliger Mann gewesen
sein. Verschafften sich heimlich von ihm erst
einen Finger, dann deren mehr, endlich wurde der
ganze Leichnam hinweggeführt, gerade wie sein alter
Liederschatz, nur mit dem Unterschied, daß die Sennenwalder
Klage erhoben um den Leichnam des Hohensaxers
und derselbe wieder herüberwandern
mußte, da sie ihn denn noch heutigen Tages in ihrer
Kirche als eine Mumie zeigen. – Vordessen lebte
auch noch ein Freiherr dieses edlen Geschlechts auf
Hohensax, der war mit einem Ding begabt, das nicht
eben selten ist in diesen felsreichen Alpentälern,
einem Glied, das ihn ärgerte, und konnt' und mocht' es
doch nicht ausreißen und von sich werfen, wie die
Schrift gebeut. Da zog er mit zu Felde, und in einer
heißen Schlacht, in welcher Mann gegen Mann
kämpfte, empfing er einen Schwerthieb, daß ihm
gleich das Blut stromweis vom Halse abquoll. Doch
hatte der Feind den glücklichsten Streich getan, er
hatte dem Freiherrn von Hohensax das ärgernde Glied
weggehauen, seinen Kropf.
9. Ida von der Toggenburg
Rheinaufwärts vom Bodensee liegt die Toggenburg,
der nach ihr genannten Grafen uralter Stammsitz.
Darinnen wohnte eine fromme Gräfin, Ida geheißen,
aus dem Stamme derer von Kirchberg. Da geschah es
eines Tages, daß sie ihren Brautring in das offne Fenster
legte und die Sonne darauf schien, daß er hell
blitzte. Ein Rabe sah den Ring, schoß daher, erfaßte
ihn mit seinem Schnabel und trug ihn fort in sein
Nest. Wohl vermißte die Gräfin ihren Ring, doch
fürchtete sie ihres heftigen Gemahls Zorn, wenn sie
den Verlust ihm melde, und daher schwieg sie. Nach
einiger Zeit fand ein Jäger oder sonst ein Diener im
Walde des Raben Nest und in dem Nest den Ring der
Herrin, ohne daß er wußte, wem der Ring gehörte,
steckte ihn an seinen Finger und trug ihn sonder
Scheu. Da sah und erkannte der Graf seiner Gemahlin
Ring, den er ihr selbst gegeben, am Finger des
Knechts, glaubte sie treulos, ließ alsbald den unschuldigen
jungen Gesellen am Schweif eines wilden Pferdes
den felsigen Burgweg hinab zu Tode schleifen
und warf die ebenso unschuldige Gemahlin vom Söller
des Palas hinab in den waldigen Felsenabgrund.
Aber Engel schirmten die Unschuld; sanft sank Ida,
von unsichtbaren Händen getragen, durch schützendes
Gezweig auf weiches Moos. Inbrünstig dankte sie den
Heiligen für ihre wunderbare Rettung und wandelte
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