Название: Immer mutig
Автор: Paul Scheerbart
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742766236
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und sagte unsicher:
»Woher weißt Du denn, daß ich sonst immer Manuskripte bei
mir habe? Ich muß mich doch wundern.«
Da sprang das Nilpferdchen von seinem Schaukelstuhl auf und
hopste im Felsensaal herum und rief laut:
»Er muß sich doch wundern! Er muß sich doch wundern! Daß
ein redendes Nilpferdchen ihn gerettet hat – das wundert ihn nicht.
Aber daß das Tierchen so viel weiß – das wundert ihn.«
Und dann sprang das kleine Vieh ganz dicht an meine Seite
und sprach im tiefsten Baß:
»Ich freue mich ganz eklig, daß Du Dich noch wunderst. Leute,
die sich noch wundern können, sind noch nicht ganz tot. Und daß
Du noch nicht ganz tot bist, das ist sehr gut. Denn – wärest Du
ganz tot, so hätte ich's bedauern müssen, Dich gerettet zu haben;
Leichen rettet man doch nicht.«
Ich blickte dem Nilpferdchen ins Gesicht und wunderte mich
jetzt, daß es so gut reden konnte. Und ich fragte leise und höflich:
»Was soll ich tun?«
»Gib mir,« antwortete das Tier, »eine Geschichte zu lesen, die
recht traurig stimmt.«
Da suchte ich denn in meinen Taschen und blätterte in allen
meinen Sachen, schüttelte oft den Kopf und gab dem freundlichen
Nilpferd schließlich eine Geschichte, die mir in diesem Falle zu
passen schien.
Das kleine Tier setzte sich eine blaue Brille auf, ging mit
meinen Blättern wieder zum Schaukelstuhl, ließ sich auf diesem
vorsichtig nieder und las:
Lichtwunder
Nacht! Nacht!
Lauter dunkle, schwarze Räume.
Ich schwebe so dahin und weiß nicht, wo ich bin –
aber ich schwebe in der unendlichen Finsternis ruhig
weiter.
Da zuckt was in der Ferne auf – ein kleines
Pünktchen Licht!
Und nun weiß ich, wo ich mich befinde – ich fliege
durch jene große Nachtkugel, die weit hinter dem leeren
Raume mitten im großen Lichtmeere schwimmt, das in
jedem Atome so hell ist wie eine echte Sonne ohne
dunklen Kern.
Es gibt im Lichtmeere viele hohle Nachtkugeln – aber
meine Nachtkugel ist die dunkelste.
Und doch – es ist nicht Alles so dunkel, wie's aussieht.
Da drüben der Lichtpunkt wird immer größer – und
jetzt schießen zwei feine Lichtkegel, die so schwanken, an
mir vorüber.
Und – in den Lichtkegeln?
Lichtwunder!
Da fängt es gleich zu leben an – Milliarden zierliche
Flügelchen glitzern und flimmern – und leben – einen
kurzen – aber seligen – Lichttag.
Und nach dem schwebe ich wieder in der unendlichen
Finsternis.
Es dauert aber nicht lange – und von neuem schießt
aus einem Spalt der Kugelschale ein linsenförmiger
Lichtstreifen – breit wie ein Schwert.
Und wie vorhin lebt gleich in dem Lichtstrahl was auf
– eine wilde Weltenjagd – unzählige kleine schillernde
Blasen – dies Mal sind's lauter Welten mit edelstem
Weltengewürm.
So ist das Dasein im großen Reiche der Nacht.
Es wird immer wieder hell.
Und die Lichtstrahlen erzeugen mit immer wieder
frischer Kraft unzählige Lichtwunder – Engel und Sterne,
Fledermäuse und Paradiesvögel – Diamanten und
Weltgestalten in immer neuer Lichtwunderform.
Ich weiß: unsre Augen könnten das Lichtmeer
draußen nicht ertragen – wir würden draußen erblinden –
daher die schützende Kugelschale.
Aber unsre Augen sind nicht schlechte Augen – sie
sind nur so fein und empfindlich, daß die dämpfende
Nacht die feinen empfindlichen Augen immer wieder
stärken muß – zum Genuß der ewigen Lichtwunder in
der Nachtkugel.
Augen, die draußen das Lichtmeer ohne Schaden
ansehen können, sind schrecklich grob.
Das Nilpferdchen hatte beim Lesen auf jeder der beiden dicken
Vorderpfoten eine Pincette. Und mit den beiden Pincetten konnte
das Tier sehr gewandt meine Blätter halten und umdrehen.
Nach der Lektüre fächelte sich das Tier vom Strande des
heiligen Nil mit meinen Blättern ein wenig Kühlung zu und sagte
leise:
»Das war so schmerzlich grade nicht, denn der Wert der
Dunkelheit wird ja auch gleich im richtigen Lichte gezeigt. Hast
Du nicht eine längere Sache, die wenigstens schmerzlich endet? Mir
scheint – doch davon nachher.«
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