Название: Sex: Die Macht der Begierde (GEOkompakt eBook)
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
Серия: GEOkompakt eBook
isbn: 9783652004695
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Nur wenige Zwitterwesen vermögen sich jedoch selbst zu befruchten. Die meisten gehen ganz klassisch – wie Männchen und Weibchen auch – auf Partnersuche.
Die karibischen Sägefische etwa treffen sich in der Dunkelheit und gesellen sich zu Paaren. Der eine krümmt dann seinen Leib, spreizt die Flossen und zittert mit ihnen. Der Partner schwimmt nach oben und stößt eine Spermienwolke aus. Der untere Fisch laicht Eier, die sich mit den herabsinkenden Spermien vermischen und nach der Befruchtung im Meer davontreiben.
Danach beginnt das Werben von vorn – diesmal mit vertauschten Geschlechterrollen.
Doch solch ein Doppelspiel ist aufwendig, es lohnt sich nur bei Arten, die etwa weit verstreut leben: Treffen sich zwei Individuen, kommt es in jedem Fall zur Fortpflanzung.
Vermutlich wegen der hohen Kosten hat die Evolution einen effizienteren Weg eingeschlagen und Spezialisten ausgebildet: Männchen und Weibchen. Die einen verlegten sich auf die Produktion von Spermien, die anderen steuerten die Eizellen bei.
Fortan waltete zwischen den Geschlechtern ein Auswahlprinzip, das schon Darwin auffiel: Fast immer sind es die Weibchen, die sich für ein werbendes Männchen entscheiden – nicht umgekehrt. Und: Die zukünftigen Muttertiere gehen bei der Wahl eines Partners sehr sorgfältig vor.
Moderne Forschungen bestätigen den Befund: Jenes Geschlecht, das den höheren Aufwand in die Aufzucht der Nachkommen investiert, muss bei der Partnersuche sehr gewissenhaft vorgehen. Ein Fehlgriff wäre fatal.
Denn Eizellen sind kostbar und selten; Spermien dagegen im Überfluss vorhanden.
So werden etwa die maximal 300 Eizellen einer Menschenfrau schon vor der Geburt angelegt und verharren bis zum Beginn der Pubertät in einem Ruhestadium. Sie liegen also bereit, ehe sie dann Monat für Monat abgerufen werden. Ein zeugungsfähiger Mann jedoch produziert Tag für Tag Abermillionen Spermien.
Diese Konstellation findet sich auch bei etlichen Wirbeltieren – daher die Auswahltests, denen sich Widder und Büffel, Beifußhühner, Seidenlaubenvögel und Fischadler vor ihren Partnern unterziehen müssen.
Oft favorisieren Weibchen männliche Tiere mit auffälligen, teils hinderlichen Ornamenten: die Rothirschbullen mit ihren riesigen Geweihschaufeln, die Löwen mit ihren mächtigen Mähnen, die Buckelzirpen, die bizarre Rückenschilder ausbilden.
Für viele Männchen ist ihre Pracht und Werbekunst nicht ungefährlich: Hahnschweif-Widafinken etwa bilden in Balzzeiten derart lange Schwanzfedern aus, dass sie in ihrem Flug stark behindert sind und ihren Fressfeinden kaum entkommen.
Den bei ihrer Paarung bunt leuchtenden Buntbarsch-Männchen lauern Fischreiher auf und können sie so viel leichter erlegen. Und unter Virginia-Leuchtkäfern, die einander bei der Balz bestimmte Blinksignale zusenden, gibt es räuberische Arten, welche die Blinkmorsezeichen perfekt imitieren, auf diese Weise die Leuchtkäfer anlocken und sie dann verspeisen.
Erst 1975 formulierten die israelischen Biologen Amotz und Avishag Zahavi eine Erklärung für dieses den Regeln der Evolution scheinbar widersprechende Phänomen: die Handicap-Theorie.
Demnach kann sich nur ein besonders fittes Männchen das Risiko eines hervorstechenden Ornaments leisten.
Das Schmuckelement, sagen die beiden Forscher, zeige dem Weibchen, dass es ein vor Gesundheit strotzendes Männchen vor sich hat.
Gefiederschmuck und Farbenpracht etwa signalisieren große Widerstandsfähigkeit gegenüber Parasiten. So leuchtet der Kamm des Hahns rot, weil er gut durchblutet ist; nur bei kranken Tieren ist er blass und bläulich.
Beim Menschen – wie bei Mäusen – ist zudem für die Partnerwahl der Körpergeruch ausschlaggebend. Er gibt Auskunft über die Zusammensetzung des Immunsystems und kann vom Gegenüber unbewusst entschlüsselt werden.
Auch ein symmetrischer Körperbau deutet auf ein starkes Abwehrsystem hin – und hat sich vermutlich deshalb zum Schönheitsideal entwickelt.
Statistische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Mensch für bestimmte Zahlenverhältnisse empfänglich ist. Männer bevorzugen Frauen, deren Hüfte etwa ein Drittel mehr Umfang aufweist als die Taille. Die Fettverteilung an diesen Körperpartien hängt mit der Menge des weiblichen Sexualhormons Östrogen zusammen und ist ein Zeichen für Fruchtbarkeit.
Frauen dagegen – so besagen ebenfalls Statistiken – favorisieren bei der Partnerwahl breitschultrige Männer mit gut ausgebildeter Muskulatur, die in der Pubertät unter dem Einfluss von Testosteron wächst.
So steuern den Menschen bei der Partnerwahl auch biologische Programme, die er zusammen mit der Sexualität von seinen archaischen Vorfahren geerbt hat.
Gleichwohl verharrte Homo sapiens nicht auf der urtümlichen Stufe der Instinkte. Neben seiner biologischen „ersten“ Natur, argumentieren Verhaltensforscher, habe der Mensch im Laufe der Zeit eine „zweite“, kulturelle Natur entwickelt. Sie leitet ihn ebenso wie seine genetische Mitgift.
Heute lässt sich nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob ein bestimmtes Sexualverhalten ausschließlich biologische Wurzeln hat oder erlernt ist.
Schon die Bonobo-Affen setzen Sexualität nicht nur zur Fortpflanzung ein, sondern auch, um an Speisen zu gelangen oder Spannungen in der Gruppe abzubauen.
Der Mensch wiederum hat die Sexualität weit über den reinen Zweck der Vermehrung gehoben – was allein schon daran zu erkennen ist, dass unzählige Spielarten der Begierde und Lust das Zusammenleben in sämtlichen Kulturen bestimmen.
Er ist vermutlich sogar die einzige Spezies, die Sex und Vermehrung vollständig zu entkoppeln vermag – rund anderthalb Milliarden Jahre nach der ersten sexuellen Zellverschmelzung.
Aus Sicht der Evolution ist dies freilich eine unvorhergesehene Wendung: Die Fortpflanzung ist damit nur noch ein Beiwerk der Sexualität.
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