TENTAKEL DES HIMMELS. Heike Vullriede
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу TENTAKEL DES HIMMELS - Heike Vullriede страница 2

Название: TENTAKEL DES HIMMELS

Автор: Heike Vullriede

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783958356559

isbn:

СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">       Teil 8

       Zweifel

       Die Rückkehr der Rebellion

       Ungleicher Kampf

       Nicht nur gut und böse

       Suche in Annas Haus

       Der Kampf

       Teil 9

       Belastung

       Ein Attentat

       Erwachen

       Das Füllen der Leere

       Über die Autorin

      Prolog

      Im Grunde wusste er um die Aussichtslosigkeit seiner Flucht. Kai war nicht naiv genug, es zu leugnen. Der Gedanke an eine mögliche Rettung schuf eine dünnhäutige Verzweiflungsblase in seinem überlebenshungrigen Hirn – der Instinkt eines Primaten, eines Fluchttieres – das eigene Fleisch war zu retten, um jeden Preis. Trotz dieser Erkenntnis fuhr er weiter in die Dunkelheit hinein. Weil man es nicht wahrhaben will, weil man eben doch hofft, entgegen jeder Vernunft. Dabei hätte er es sich so einfach machen können: Stehenbleiben, aussteigen, auf der Straße die Arme ausbreiten, und sich erschießen lassen … oder was sie sonst mit ihm vorhatten. Dann wäre es schnell vorbei gewesen und er hätte seine Ruhe gehabt – endlose Ruhe. Aber nein, er fuhr immer weiter, mit dem Reisepass in der Innentasche seiner Jacke.

      Dabei verdiente er nicht einmal die heißbegehrte Rettung, auch das wusste er. Gäbe es eine übernatürliche Gerechtigkeit, die nur annähernd an menschliche Vorstellungen heranreichte, würde sie ihn niemals so davonkommen lassen. Egal, wie bitter er seine Untaten jetzt bereute.

      Ein weiteres Mal huschten Kais Augen auf das Abbild im Rückspiegel über ihm. Die Scheinwerfer eines nachfolgenden Wagens, die ihm eben noch Schweißausbrüche bereitet hatten, als wären sie die bösen Augen eines seelenfressenden Dämons, folgten ihm seit der letzten Kreuzung nicht mehr. Wenig erleichtert atmete er auf. Jetzt also noch nicht. Noch hatte er sein Leben.

      Er überlegte, ob er Gott dafür danken müsste. Verächtlich schnaubte er vor sich hin. Gott? Ha! Mit einem Ruck legte er den nächsten Gang ein. Immer, wenn er an Gott dachte, sah er den sehr menschlichen Rücken eines großen, weiß gekleideten Mannes vor sich, der sich von einer Schar aufopferungsvoller Jünger anbeten ließ – diesen scheinheiligen Scheißkerl, von dem er sich hatte einwickeln lassen und für den er gelogen, betrogen und sogar gemordet hatte. Ja, er war ein Mörder – ein hinterhältiger Mörder. Einer, der andere verfolgt und ihnen das Leben genommen hatte. Einer, der jetzt selbst auf der Flucht war, vor noch skrupelloseren und grausameren Mördern, als er es war. Immerhin, in diesem abgründigen Sumpf aus Ausbeutung, Korruption und Gewalt gab es schlimmere Menschen als ihn. Das stimmte ihn versöhnlich, auch wenn ihm ein irdischer Richter das vermutlich nicht angerechnet hätte.

      Die Tankanzeige meldete Reserve. Das hieß, er musste unausweichlich die abgelegene Landstraße verlassen, auf der er sich versteckter wähnte; von der er hoffte, dass sie ihn dort nicht suchen würden. So viele Umwege zum Flughafen konnten sie unmöglich einplanen. Im Display blinkte es bereits. Warten half nichts, er musste sich beeilen. Welche Tankstelle hatte um diese Uhrzeit und in dieser öden Gegend überhaupt geöffnet? Für einen Moment überlegte er, ob er den Wagen im angrenzenden Wald stehen lassen und in einer einsamen Pension des nächsten Kaffs unterschlüpfen sollte. Wahrscheinlich würden sie ihn so nah gar nicht vermuten. Von dort aus würde er Lara irgendwann wiedersehen können. Lara, die er zurücklassen musste, im Schoß der falschen Kirche. Die er nicht mitnehmen konnte auf seine Flucht, weil sie ihm niemals geglaubt hätte. Also hatte er ihr alles verschwiegen. Niemand gab ihm das Recht, ihr ideales Weltbild zu zerstören, indem er ihr die Wahrheit angetan hätte, über all die falschen Weisheiten und Versprechungen … und über sich. Ihr junges Leben war ohnehin schon verdorben. Er sollte sie in Ruhe lassen. Mochte sie glauben, was sie wollte. Manchmal war es besser, die Wahrheit nicht zu sagen.

      Vor ihm tauchte wieder eine größere Kreuzung auf. Kai verwarf den Gedanken, in einem Dorf zu übernachten, und bog ab in Richtung Bundesstraße.

      Er fuhr noch lange durch die Nacht, bis er die nächste Tankstelle ansteuerte – schwitzend, übermüdet und doch aufgekratzt – gerade rechtzeitig, bevor der Balken der Tankanzeige vollends am Anschlag kratzte. Ein paar Minuten blieb er direkt neben der Zapfsäule hinter dem Lenkrad sitzen und spähte aus sämtlichen Fenstern seines Wagens. Dann schüttelte er den Kopf über sich selbst. Jeder Idiot erkannte in ihm einen Flüchtigen. Auffälliger konnte er sich gar nicht benehmen.

      Beklommen stieg er aus und sah sich um. Alles schien unauffällig. Eine der Lampen über ihm brummte, aus dem Kassenhaus drang leise Musik, und von irgendwo her erklang der Schrei eines Nachtvogels, was ihm so vorkam, wie das heimliche Signal eines Prärieindianers zum Angriff. Er nahm den Zapfhahn und tankte. In der übrigen Finsternis rund um das beleuchtete Dach der Tankstelle fühlte er sich wie eine fleischgewordene Zielscheibe. Verdammt, so konnten sie ihn problemlos von ein paar Metern Entfernung aus abknallen, ohne, dass er zuvor auch nur einen Schatten von ihnen wahrgenommen hätte. Niemand wusste das besser als er selbst. Unwillkürlich spannte er die Bauchdecke an, in der Erwartung, jederzeit von Kugeln zerrissen zu werden.

      Das Benzin kroch quälend langsam durch den Schlauch. Klack! Kai riss den tropfenden Hahn aus der Tanköffnung, presste den Deckel auf das Loch, und lief ins Kassenhaus. Misstrauisch beäugte er den jungen Kassierer, während der auf die Tasten tippte. Sah er nicht aus wie jemand, den er kannte? Hatte er ihn schon einmal in einer der Kirchen des Lichts gesehen? Als er bezahlte, versuchte er, heimlich einen Blick auf den Hals des kräftigen jungen Mannes zu werfen. Was er suchte, war ein Amulett, ein Anhänger mit dem Symbol einer strahlenden Sonne. Zwar trug sein Gegenüber eine silberne Kette, aber was daran hing, versteckte sich wohlbehütet im Ausschnitt des dicken Pullovers. Der Junge hielt ihm das Restgeld hin und lächelte freundlich belanglos, wie es routinierte Verkäufer tun.

      »Stimmt so!«, murmelte Kai und er eilte nach draußen, den Autoschlüssel einsatzbereit in der Hand.

      Vor der Tür des Kassenhauses sah er sich um, obwohl er ja doch nichts in der Umgebung ausmachen konnte. Dann schritt er zügig auf sein Auto zu. So schnell wie möglich würde er wieder eine dieser verborgenen Landstraßen anfahren, auf denen er sich sicherer glaubte, obwohl es vermutlich nur ein trügerisches Gefühl war. Bevor er die Fahrertür erreichte, bemerkte er etwas vor ihm im Inneren seines Wagens – eine Bewegung, ein Schemen auf dem Beifahrersitz. War es wirklich so oder bildete er sich das bloß ein? Sein Herz führte einen zügellosen Tanz auf. Was nun? Allen Mut zusammennehmen und nachsehen? Oder lieber gleich flüchten? Obwohl er sich kalt fühlte, eisig geradezu, schwitzte seine Stirn heiße Tropfen. Sollten sie ihn tatsächlich jetzt schon aufgespürt haben? СКАЧАТЬ