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СКАЧАТЬ sprach den Wunsch aus, einen kleinen Stock in der Hand zu tragen. Er brach ihr einen Weidenzweig ab.

      »Herrje, sind Sie stark!« sagte sie.

      »Nein, nicht sehr. Ich wollte, ich hätte Gelegenheit zu regelmäßigem Trainieren.«

      »Sie sind sehr geschmeidig, für einen so großen Mann.«

      »O nein, nicht so sehr. Aber ich wollte, ich hätte Gelegenheit zum Trainieren, Vida – es ist wohl ziemlich frech von mir, daß ich ›Vida‹ zu Ihnen sage.«

      »Ich sage schon seit Wochen ›Ray‹ zu Ihnen.«

      Er mußte darüber nachdenken, warum das geärgert klang.

      Er half ihr den Abhang hinunter zum Ufer, ließ aber plötzlich ihre Hand los; als sie auf einem Weidenstumpf saßen und er ihren Ärmel streifte, rückte er taktvoll ab und murmelte: »Oh, entschuldigen Sie – Zufall.«

      Sie starrte auf das schmutzigbraune Wasser hinaus, auf die schwimmenden braunen Binsen.

      »Sie sehen so nachdenklich aus«, sagte er.

      Sie warf die Hände empor. »Ich bin es auch! Können Sie mir vielleicht sagen, was für einen Sinn das – das Ganze hat! Ach, reden wir nicht von mir. Ich bin eine melancholische alte Pute. Erzählen Sie mir von Ihren Plänen, am Bon Ton beteiligt zu werden. Ich denke, Sie haben recht: Harry Haydock und der schlechte alte Simons sollten Sie beteiligen.«

      Als sie dann aufstanden, reichte er ihr die Hand. »Wenn Sie gestatten. Ich finde, es ist fürchterlich, wenn jemand mit einer Dame spazierengeht und sie ihm nicht vertrauen kann, und er mit ihr flirten will und so.«

      »Ich bin überzeugt, daß man Ihnen sehr vertrauen kann!« erwiderte sie und sprang ohne seine Hilfe auf. Dann sagte sie, übermäßig lächelnd: »Ach – finden Sie nicht, daß Carola manchmal Doktor Wills Tüchtigkeit nicht gerecht wird?«

      3

      An einem Märzabend tranken Ray und sie auf dem Heimweg vom Kino bei Dyer Schokolade. Vida fragte: »Wissen Sie, daß ich nächstes Jahr nicht mehr hier bin?«

      »Was wollen Sie damit sagen?«

      Mit ihren schwachen, schmalen Nägeln putzte sie die Glasplatte auf dem Tisch, an dem sie saßen. Unter dem Glas waren im Vitrinentisch schwarze, goldene und zitronengelbe Parfümkartons. Ringsum sah sie Regale mit roten Gummithermophoren, hellgelben Schwämmen, Waschlappen mit blauen Rändern, Kopfbürsten mit Rücken aus poliertem Kirschholz. Sie schüttelte den Kopf wie ein nervöses Medium, das aus der Trance zu sich kommt, starrte ihn unglücklich an und fragte:

      »Warum sollte ich hierbleiben? Und ich muß mich entschließen. Jetzt. Es ist die Zeit, in der wir unsere Lehrkontrakte für das nächste Jahr erneuern müssen. Ich denke, ich werde in eine andere Stadt unterrichten gehen. Alle Leute hier haben genug von mir. Ich kann ebensogut gehen. Bevor man daherkommt und sagt, daß man genug von mir hat. Ich muß mich heute abend entscheiden. Ich kann ebensogut – Ach, das ist ja egal. Kommen Sie. Gehen wir. Es ist spät.«

      Sie sprang auf, hörte nicht auf sein Gewinsel: »Vida! Warten Sie! Setzen Sie sich! Herrgott! Ich bin außer mir! Herrje! Vida!« Sie marschierte hinaus. Während er bezahlte, ging sie voraus. Er lief ihr nach, stotterte: »Vida! Warten Sie!« Im Schatten des Flieders vor dem Gougerlinghaus holte er sie ein und legte ihr die Hand auf die Schulter.

      »Ach, nicht! Nicht! Was liegt denn daran?« bat sie. Sie schluchzte, ihre weichen, runzligen Lider waren tränennaß. »Wem liegt etwas an meiner Zuneigung oder Hilfe? Ich kann ebensogut weitertreiben, vergessen werden. O Ray, bitte, halten Sie mich nicht. Lassen Sie mich gehen, ich werde meinen Vertrag hier eben nicht erneuern – und – treiben – weit weg –«

      Seine Hand blieb fest auf ihrer Schulter liegen. Sie ließ den Kopf sinken, rieb ihre Wange an seinem Handrücken.

      Im Juni heirateten sie.

      4

      Sie nahmen das Haus, in dem Jenson gewohnt hatte. »Es ist klein,« sagte Vida, »aber es hat einen entzückenden Gemüsegarten, und es freut mich so, daß ich jetzt mit einemmal Zeit habe, der Natur näherzukommen.«

      Obwohl sie technisch Vida Wutherspoon wurde, und obwohl sie sich ganz gewiß nicht einbildete, sie müßte aus Gründen der Unabhängigkeit ihren Namen behalten, kannte man sie weiter als Vida Sherwin.

      Sie war von der Schule zurückgetreten, behielt aber eine Klasse, in der sie Englisch unterrichtete. Sie war rührig und geschäftig bei jeder Komiteesitzung des Thanatopsis; sie sprang immer in den Warteraum, um Frau Nodelquist den Fußboden fegen zu lassen; sie wurde zur Nachfolgerin Carolas im Bibliotheksausschuß ernannt; sie unterrichtete in der höchsten Mädchenklasse der anglikanischen Sonntagsschule. Man sah, daß sie mit jedem Tag rundlicher wurde, und obgleich sie ebenso eifrig plauderte wie früher, redete sie weniger von ihrer Bewunderung für die Ehefreuden, sprach weniger sentimental von Babies, forderte schärfer, daß die ganze Stadt ihre Reformpläne durchführe – die Anlegung eines Parks, die gesetzliche Säuberung der Hinterhöfe.

      Sie nagelte Harry Haydock hinter seinem Pult im Bon Ton fest; sie unterbrach ihn in seinen Scherzen; sie sagte ihm, Ray sei es gewesen, der die Schuhabteilung und die Herrenkonfektionsabteilung ins Leben gerufen habe; sie forderte, daß er zum Teilhaber gemacht werde. Bevor Harry antworten konnte, drohte sie damit, daß Ray und sie ein Konkurrenzgeschäft gründen würden. »Ich werde selbst hinter dem Ladentisch stehen, und gewisse Interessenten sind bereit, das Geld dafür herzugeben.«

      Sie hatte keine Ahnung, wer diese Interessenten waren.

      Ray wurde mit einem Sechstel beteiligt.

      Das einzige Überbleibsel von Vidas Selbstidentifizierung mit Carola war eine gewisse Eifersucht, wenn sie Kennicott und Ray zusammen sah und daran dachte, manche Leute könnten vielleicht der Meinung sein, daß Kennicott sein Vorgesetzter sei. Sie war überzeugt, daß Carola das glaubte, und hätte am liebsten geschrien: »Du brauchst nicht so zu glotzen! Ich würde deinen blöden alten Mann gar nicht wollen. Er hat nicht so viel von Rays geistigem Adel!«

      Einundzwanzigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      1

      Nicht, wie das andere Geschlecht, noch wie Lob auf ihn wirkt, ist das rätselhafteste an einem Menschen, sondern wie er es zuwege bringt, die vierundzwanzig Stunden eines Tages auszufüllen. Das kann der Hafenarbeiter am Kommis, der Londoner am Buschmann nicht begreifen. Das konnte Carola an der verheirateten Vida nicht begreifen. Carola selbst hatte das Kind, ein größeres Haus, für das sie sorgen mußte, sie erledigte alle telephonischen Anrufe für Kennicott, wenn dieser unterwegs war; überdies las sie alles, während Vida sich mit den Zeitungsüberschriften begnügte.

      Doch nach den einsamen, in trostlosen Pensionen verbrachten Jahren hungerte es Vida nach der Hausarbeit, selbst nach ihren langweiligsten Einzelheiten. Sie hatte kein Mädchen und wollte auch keines. Sie kochte, sie buk, fegte, wusch Tischtücher, alles mit dem Triumphgefühl eines Chemikers in einem neuen Laboratorium. СКАЧАТЬ