Название: Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823300106
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Stellt man den Anspruch, dass Fachwissen nur wirklich verstanden hat, wer es vermitteln kann, dann wird mit der fachdidaktischen Kompetenz im Grunde immer auch zugleich die Tiefe des Verständnisses des Fachwissens gemessen. (Neuweg 2014: 592).
Ein weiteres Problem der Typologisierung des Professionswissens von Lehrenden ergibt sich aus dem Charakter des Wissens, auf das sich die einzelnen Komponenten beziehen. Der Wissensbegriff kann sehr unterschiedlich gefasst werden. Er kann explizites, kodifiziertes und publiziertes Wissen, wie es in wissenschaftlichen Theorien zum Ausdruck kommt, ebenso umschließen wie implizites, intuitives Handlungswissen, das nur über konkretes Verhalten rekonstruiert werden kann. Zu den kognitiven Komponenten der professionellen Kompetenz kommen affektiv-motivationale Komponenten. Dazu zählen Berufsmotive, subjektive Wissensformen, Überzeugungen und Werthaltung, die sich aufgrund individueller Erfahrungen herausgebildet haben. In den Modellen der Lehrkompetenzen werden sie zwar häufig berücksichtig, denn ihre Bedeutung für das Handeln konnte in den zurückliegenden drei Jahrzehnten in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. Aber gerade in itembasierten Testverfahren lassen sich diese wichtigen Bestandteile professioneller Kompetenz nur bedingt operationalisieren. In der TEDS-LT-Studie zum Beispiel wurde dieser Kompetenzbereich auf die Aspekte selbstregulative Fähigkeiten, Zielorientierung und Selbstwirksamkeitserwartung beschränkt (Blömeke 2011: 14).
Neben der Unschärfe der einzelnen Wissensdomänen und der Vielgestaltigkeit des Wissensbegriffs zeigt sich bei der Unterteilung der einzelnen Wissensdomänen in Subfacetten eine dritte Schwierigkeit des Forschungsgebiets. Voss u.a. (2015: 211) kommen bei ihrer Analyse des Forschungsstandes zum pädagogischen Wissen zu dem Ergebnis, dass sich mit Blick auf diese Subfacetten ein „Begriffswirrwarr“ herausgebildet habe. Und sie appellieren daher an die Gemeinschaft der Forschenden, sich bei der Neubildung von Begriffen zurückzuhalten und sich intensiver um Bezüge untereinander zu bemühen.
Hält man sich den Forschungsstand zu den einzelnen Wissensdomänen und ihren möglichen Subfacetten vor Augen, so wird deutlich, dass es zum jetzigen Zeitpunkt als verfrüht erscheint, detaillierte Typologien von Kompetenzen zu entwerfen. Angesichts der vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit der Struktur, dem Charakter und dem Entwicklungsprozess des professionellen Wissens und Könnens von Lehrenden möchten wir daher mit dem folgenden Modell den Blick von den Details auf das Wesentliche lenken. Das Modell versteht sich als ein Orientierungsrahmen, womit wir an Überlegungen anknüpfen, wie sie Freeman/Johnson (1998) in ihrer viel zitierten Einleitung zu einer Sondernummer der Zeitschrift TESOL Quarterly zur Lehrerbildungsforschung anstellten.
Freeman/Johnson forderten eine Neukonzeption der Wissensbasis für die fremd- und zweitsprachliche Lehrerbildung: Die etablierte Erwartung, dass durch die Vermittlung (transmission) partialisierten und dekontextualisierten Fachwissens (z.B. aus der Angewandten Linguistik, der Zweitsprachenerwerbsforschung oder der Curriculumtheorie), kombiniert mit Kursen in Methodik und isolierten Praktika Lehrkompetenzen angemessen ausgebildet werden könnten, müsse zugunsten eines Bildungskonzepts aufgeben werden, das konsequent vom Lehren, den Lehrenden und den Kontexten, in denen sie handeln, ausgeht. Folglich skizzierten sie drei Schlüsseldimensionen der Wissensbasis. Die erste fokussiert die Personen, die das Lehren von Sprachen lernen; diese bringen nicht nur umfassende Erfahrungen aus der Zeit ihrer schulischen Sozialisation und vor allem als Sprachenlernende mit, denn sie haben Lehren umfassend aus der Lernerperspektive kennen gelernt, sondern haben Persönlichkeitsmerkmale und verfügen über Wertvorstellungen, die eigene Tätigkeit betreffend. Die zweite Dimension thematisiert die institutionellen und sozialen Bedingungen, die Kontexte, in denen Lehren angesiedelt ist. Und Drittens schließlich geht es um das Wissen zu den komplexen Prozessen, in denen sich das Lehren und Lernen von Sprachen vollzieht, die gesteuert, gestaltet und in ihren Zusammenhängen verstanden werden müssen.
Auch uns geht es mit dem folgenden Rahmenmodell darum, die wichtigen Dimensionen aufzuzeigen, in denen die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden verankert werden sollte, um den eingangs geschilderten Möglichkeiten und Herausforderungen gerecht zu werden. Vor dem Hintergrund der Ausbildungstradition im deutschsprachigen Raum und den Entwicklungen in Europa (Kelly et al. 2004) sowie den Erkenntnissen, die in den letzten zwei Jahrzehnten über den Professionalisierungsprozess von Lehrpersonen und ihre Bedeutung für das Unterrichtsgeschehen gewonnen wurden (Richards 2010; Singh/Richards 2006) halten wir jedoch eine andere Darstellungsform für angemessener. Wir gehen von vier, eng mit einander verflochtenen Dimensionen professioneller Kompetenz aus, für deren Entwicklung in der Ausbildung die jeweiligen lokalen Kontexte und institutionellen Bedingungen von zentraler Bedeutung sind. In den folgenden Abschnitten möchten wir die einzelnen Dimensionen näher charakterisieren und sie in einen Zusammenhang mit den Beiträgen dieses Bandes stellen.
Abbildung 1
Dimensionen professioneller Kompetenz von Fremdsprachenlehrenden
2.3 Sprache, Literatur und Kultur
Die Studienverlaufspläne für die Lehrämter der fremdsprachlichen Fächer der einzelnen Bundesländer zeigen in Übereinstimmung, dass der fachlichen Dimension im Professionswissen, dem Fachwissen, nach wie vor eine zentrale Bedeutung für die Ausbildung der Lehrkompetenzen zugemessen wird; der fachwissenschaftliche Anteil (mit seinen Subdimensionen Linguistik, Literatur- und Kulturwissenschaft) macht gegenüber der Fachdidaktik (ohne die schulpraktischen Studien) zwischen 40 % für den Primarbereich und 60 bis 70 % für den Gymnasialbereich aus. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Studienanteile wird zum einen durch die langen Fachtraditionen bestimmt, die zentrale fachliche Konzepte mit hohem Erklärungspotential zu Sprache, Kultur und Texten hervorgebracht haben, und zum anderen durch die Dynamik des Faches. So hat beispielsweise die Weiterentwicklung der philologischen Fächer zu interdisziplinär orientierten Kultur- und Medienwissenschaften neue Perspektiven für die Gegenstände schulischer Bildungsprozesse eröffnet, die die Fachdidaktik aufgenommen hat. Ähnliches gilt für Beiträge der Sprachwissenschaft etwa durch die Text- und Korpuslinguistik.
Die institutionelle Nähe der Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft einer Philologie und deren zugehöriger Fachdidaktik im deutschsprachigen Raum zeigt sich zum Beispiel darin, dass literatur- und kulturdidaktische Forschungsarbeiten einen nicht unerheblichen Teil der Forschungen ausmachen. Hierin besteht ein bedeutsamer Unterschied zur anglo-amerikanischen fremdsprachlichen Lehrerbildung, die vorwiegend der Allgemeinen Sprachwissenschaft, der Psychologie oder der Erziehungswissenschaft zugeordnet ist. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts legt die literatur- und kulturdidaktische Forschung in zahlreichen theoretischen und zunehmend auch empirischen Arbeiten die Bildungsrelevanz literarischer (auch hybrider und mutlimodaler) Texte dar und plädieren für die gemeinsame diskursive Bearbeitung kultureller Zusammenhänge in einem lernanregenden, explorativen und offenen Fremdsprachenunterricht, für den sie Realisierungen, etwa durch Textauswahl oder Lernaufgaben, erörtern. Sie stärken damit das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung fremdsprachlichen und kulturellen Lernens.
Das Prinzip der Themen- und Inhaltsorientierung muss gerade angesichts der Herausforderungen, die die Globalisierung mit sich bringt, als Leitprinzip pädagogischen Handelns gelten; es bestimmt die Auswahl der Lerngegenstände und hat Auswirkungen auf Motivation und Involviertheit der Lernenden (vgl. Kramsch 2014). Denn von der Grundschule bis zum fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht in der Gymnasialen Oberstufe bilden für Lernende bedeutungsvolle und relevante Themen die Referenzfolie für die gemeinsame Spracharbeit. Ohne sie und ohne ein vertieftes Verständnis ihrer Bedeutung in kulturellen Zusammenhängen wird es Lehrkräften nicht gelingen, Prozesse anzustoßen und zu strukturieren, die dabei helfen, multilinguale Individuen zu erziehen, die sensibel mit sprachlicher und kultureller Diversität umgehen können, die selbstbewusst und mit Respekt gegenüber anderen nach Lösungen suchen, Erklärungen finden und abwägen. Auch die Debatten der letzten Jahre um СКАЧАТЬ