Название: Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart
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Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823301165
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Max Walter (Hrsg.) (1933): Manuel de français. Französisches Unterrichtswerk für höhere Schulen. Knaben-Ausgabe Teil I. Grundbuch für Sexta. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Diesterweg, 44.
Das Liedchen wirkt zunächst als solches auf die Kinder sehr drollig und wird von ihnen gerne und rasch aufgenommen. Sechs der einfachen Vokale können hier zu scharfer Erfassung gebracht werden. Wenn der Lehrer mit kurzen Schlägen des Taktstocks in geeigneter Weise taktiert, wird er einmal erreichen, daß die Vokale nicht nach deutscher Gewohnheit zerdehnt, sondern kurz und scharf geschnitten gesungen werden, ferner aber auch die Bindung zwischen Vokalen unter Vermeidung des Knackgeräusches üben können. Seine Hauptrolle spielt dies vielseitig verwendbare Liedchen bei der Einübung des Stimmlauts bei b, d, g. (Walter 1927b, 6)
Walter vergleicht die Lautübungen der approche atomiste mit den (täglichen) Fingerübungen in der Musik beim Lernen eines neuen Instruments:
Man wird natürlich alle einzelnen Lautübungen, die meist in Verbindung mit Vokalen so zu gestalten sind, daß der betreffende Laut als Anlaut, Auslaut und Inlaut auftritt (z.B. ba, ab, aba; za, az, aza usw.), nicht allein wochenlang fortsetzen, was ja schließlich langweilig und ermüdend wäre; indessen wird man gerade wie bei der Musik bei den Fingerübungen auch diese so wichtigen Artikulationsübungen in der vielfachsten Abwechslung mit den anderen weiter zu besprechenden Hör- und Sprechübungen während des ganzen Anfangsunterrichts anstellen müssen. (Walter 1931, 9)
Zuweilen wurden sowohl die approche atomiste als auch die approche globaliste innerhalb eines Lehrwerks angewandt. Dieser Kunstgriff gelingt Walter mithilfe seiner selbst komponierten chanson didactique ‘À Paris’ (Abb. 3, S. 54).
À Paris ist rein zu sprachpädagogischen Zwecken geschaffen und längst in alle Welt gewandert.1 Seine Melodie soll der Erfassung des französischen Tonfalls eine Hilfe sein. Auch hier ist scharf darauf zu achten und beim Taktieren zu unterstreichen, daß die Vokale knapp und kurz abgehackt herauskommen und jedes Legato vermieden wird. (Walter 1927b, 7)
Max Walter (Hrsg.) (1933): Manuel de français. Französisches Unterrichtswerk für höhere Schulen. Knaben-Ausgabe Teil I. Grundbuch für Sexta. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Diesterweg, 49.
Max Walter stellt in seiner didaktischen Begleitschrift eine Methodik des Liedeinsatzes2 vor:
Der Lehrer erklärt – deutsch – so anschaulich und in so kindlicher Form wie nur möglich3, was vorgeht, unter Benutzung der beigegebenen Bildchen (vgl. Walter 1933, 49).4 Sieht das Kind mit seiner lebhaften Einbildungskraft die Umwelt und den Vorgang des betreffenden Stoffes klar vor sich, so geht es sofort an das Singen des Liedchens. Alles, was daran durch Anschauung5 verdeutlicht werden kann, wird herangezogen. Die Melodie und der Rhythmus sind mächtige Stützen. Bald wird das Liedchen von der Klasse frei gesungen werden können, falls erforderlich nach der phonetischen Niederschrift an der Wandtafel. Der Lehrer sorgt durch entsprechendes Taktieren für straffe Artikulation und richtiges Tempo. Alles ist auf das anschauliche Erleben und Erfassen einzustellen. Auf keinen Fall wird der Lehrer vom Schüler verlangen, daß er diese Lieder übersetze;6 er wird ihn auch nicht mit sprachlichen Erläuterungen beschweren. Das Lied ist Selbstzweck.7 Die Lieder müssen so sehr zum festen Besitz des Schülers werden, daß ihm das Fremdartige daran kaum noch zu Bewußtsein kommt.
Dazu ist es erforderlich, daß der Lehrer sich gerne und freudig auf das kindliche Gemüt einstellt und die Kinder nicht zu Antwortautomaten, sondern zu frei und fröhlich mitschaffenden Gefährten erzieht und so vom Spielerischen der Unterstufe eines Tages ganz unmerklich zum freien Arbeitsbetrieb8 überzuleiten vermag. Man fürchte nicht für die Schulzucht! Der Schüler, der sich so gründlich und vielseitig im Unterricht selbst betätigen kann, hat keine überschüssigen Kräfte oder unausgenutzten Trieb übrig, um Unfug zu treiben. (Walter 1927b, 7)
So sollen die Schüler sich am Ende der ersten Strophe des Lieds Ainsi font, font, font dreimal um sich selbst drehen. Am Ende der zweiten Strophe „stemmen sie die Hände in die Seiten und springen“ (Walter 1933, 46 f.). Max Walter kann als précurseur der kinästhetischen Lieder im Fremdsprachenunterricht bezeichnet werden. Diese action songs waren in den 1980 und 1990er Jahren zuerst im Unterricht der Begegnungssprache Englisch (vgl. Böttcher 1992, 13 f.) für die Klassen 3 und 4 außerordentlich populär, da sie „dem Bedürfnis jüngerer Schüler nach Bewegung und Aktivität“ (Rauch 2001, 99 f.) entsprechen. Anhand des folgenden, allen Schülern bekannten französischen Volkslieds Sur le Pont d’Avignon antizipiert Walter bereits die méthode par le mouvement (vgl. Germain 1993, 261 ff.), die zuerst von Harold und Dorothée Palmer (1925)9 beschrieben und von James J. Asher (vgl. Asher 1986) in seiner Methode des TPR (Total Physical Response) weiterentwickelt wurde. Dabei wird ein Kommando in der Fremdsprache zuerst vom Lehrer gestisch bzw. mimisch umgesetzt, in späteren Phasen auch von einzelnen Schülern erteilt und anschließend ausgeführt.10 Im vorliegenden Beispiel führen die Schüler „bei jeder Strophe die entsprechenden Bewegungen aus“ (Walter 1933, 48).
4 Die Integration verschiedener Medien innerhalb der direkten Methode als komplexe Anwendung des Liedeinsatzes
In Anlehnung an Marcus Reinfrieds Metapher der
médias visuels qui devinrent ‘des fenêtres censées supprimer la cloison étanche qui sépare la salle de classe de la vie’ (Reinfried 1992, 3) [...] [c’est avec] la chanson, qui est la mise en musique de la poésie [que] nous pourrions ajouter que la mélodie en donne son âme. (Rauch 2015, 124)
Zur Besprechung des Frühlingsbilds von Eduard Hölzel stellt Karl Quiehl im Kapitel Mündliche Übungen intertextuelle und intermediale Bezüge vor:
Bei der Besprechung von Bildern wird man finden, dass die Einbildungskraft der Kinder sich darin gefällt, Beziehungen zwischen den einzelnen Personen, die auf den Bildern vorkommen, herauszufinden. Der Lehrer darf dieser Neigung nachgeben und wohl erdachte Bestimmungen durch seine Zustimmung festlegen. Die Personen treten den Schülern menschlich näher, wenn ihnen Namen beigelegt, wenn ihr Verwandschafts- und Freundschaftsverhältnis näher bestimmt wird, wenn sie nach Stand, Beschäftigung und Wohnort beschrieben werden. Ja, man kann sie sogar in den nebenher gehenden Lesestücken weiter auftreten lassen. [...]. Durch solche Verknüpfung gewinnen die Personen und Gegenstände auf dem Bilde an Interesse, und es wird ein einheitliches Band geschaffen, das den ganzen Unterrichtsstoff zusammenhält. (Quiehl 1921, 161)
Auf diese Weise ergeben sich intertextuelle Verknüpfungen zwischen dem Frühlingsbild von Hölzel1, das im Unterricht anhand von Sprechübungen interpretiert wurde, und mehreren fiktionalen narrativen Handlungssträngen. So singen die spielenden Kinder ein Frühlingslied, das in Kühns Lesebuch als Frühlingsgedicht von Charles Marelle: Le voilà, le printemps (vgl. Kühn 1889, 27 f.) abgedruckt wurde. Unter der Rubrik Melodien zu einigen Liedern erscheint Marelles Frühlingsgedicht als von Max Walter komponiertes Frühlingslied mit beigefügter Melodie.2 Eines der abgebildeten Kinder ist le petit Pierre als Hauptfigur des gleichnamigen Gedichts (vgl. Kühn 1889, 13) von Boucher de Perthes und erscheint als СКАЧАТЬ