Название: Musikeinsatz im Französischunterricht
Автор: Andreas Rauch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823301776
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Martianus Capella bildet eine Brücke zum Mittelalter25 mit seinem um 400 erschienenen Werk De nuptiis Philologiae et Mercurii („Die Hochzeit der Philologie mit Merkur“). Die als Lehrbuch konzipierte Enzyklopädie hatte einen entscheidenden Einfluss auf das abendländische Bildungswesen. Die siebenbändige Enzyklopädie stellte den Kanon der sieben freien Künste dar.26
In der Tradition von Capella wurden die freien Künste oft als weibliche Allegorien mit spezifischen Attributen präsentiert. Die Abbildung Sieben freie Künste27 zeigt einen Auszug aus der Handschrift Tübinger Hausbuch (um 1450). Von links nach rechts erkennt man Geometrie, Logik, Arithmetik, Grammatik (in der Mitte), Musik, Physik (anstatt der Astronomie), Rhetorik (Abb. 1). Die den Allegorien zugeschriebenen Attribute und deren Positionierung sagen etwas über die Wertigkeit und Bedeutung der Künste aus. An der Spitze steht die Gramatica, die als Majestät mit Krone, gewissermaßen als Krönung der scholastischen Künste, dargestellt wird. Anstelle des majestätischen Königsinsigniums Zepter hält sie eine Art Peitsche in der rechten und einen Reichsapfel in der linken Hand.
Auf den spätantiken römischen Schriftsteller, Gelehrten und Staatsmann Cassiodor geht nicht nur der erste christliche mittelalterliche Lehrplan und die administrative Studienordnung (Institutiones28) zurück.29 Er gilt als Schöpfer der Einteilung der septem artes in ein Trivium und Quadrivium. Das Trivium („dreifacher Weg“) umfasste die drei Fächer, die sich auf Sprache und Logik beziehen. Diese bildeten die Grundlage für die lateinische Wissenschaftssprache und wurden selbst auch in der lateinischen Unterrichtssprache vermittelt.
Das Trivium umfasste
1 Grammatik, vor allem die lateinische Sprachlehre und Beispiele lateinischer Autoren und die Analyse bedeutender literarischer Werke;
2 Rhetorik als Redekunst, die Stillehre und Sprachunterricht beinhaltete, ebenfalls mit Beispielen bekannter antiker Autoren;
3 Dialektik als Lehre vom logischen Denken.
Zum Quadrivium („vierfacher Weg“) gehörten als Fortsetzung der sprachlichen Fächer des Triviums folgende Bereiche, die Teile der Mathematik umfassten und die harmonische Ordnung der göttlichen Schöpfung repräsentierten:
1 Arithmetik als Zahlentheorie und praktisches Rechnen;
2 Geometrie, die auch Geographie und Naturgeschichte umfasste;
3 Musik, vor allem Musiktheorie als mathematisches Phänomen und Studium der Kirchentonarten;
4 Astronomie als Lehre der Himmelssphären und ihre Auswirkungen auf den Menschen (Astrologie).30
Cassiodor steht hier in der Tradition von Anicius Manlius Severinus Boethius, einem der ersten Scholastiker. Boethius verfasste mehrere Traktate, Lehrschriften, Übersetzungen und Lehrbücher aller vier Fächer des Quadriviums.
In seinem Werk De institutione arithmetica (um 507) findet man erstmals den Begriff des Quadriviums zur Bezeichnung der oben genannten vier mathematischen Fächer.31 Diese Einteilung wurde für die mittelalterliche Schul- und Universitätsausbildung maßgebend. Hauptgewicht lag in der Schulbildung auf dem Trivium, oft blieb es beim Studium der Gramatica.32 Eine stärkere Einbeziehung der Rhetorik und Dialektik erfolgte dann erst in den Universitäten.33
Sieben freie Künste. In: Tübinger Hausbuch (um 1450). Bildnachweis: Tübinger Hausbuch. Handschrift. Universitätsbibliothek Tübingen, Md 2, fol. 320v. www.uni-tuebingen.de/uni/ndm/materialien/index.htmhttp://www.uni-tuebingen.de/uni/ndm/materialien/320v_Freie_Kunste.JPG
I. 2 Musik im Unterricht des Mittelalters
Der berühmte praxisorientierte Musikpädagoge Guido von Arezzo (um 992-1050) weist darauf hin, dass Boethius’ Werk „nicht für Sänger, sondern allein für Philosophen nützlich ist“.1
Guido von Arezzo war Benediktinermönch im Kloster Pomposa bei Ravenna und prägte als musikpädagogische Autorität, als Lehrer und Praktiker wie kaum ein anderer den zeitgenössischen Unterricht. Er schuf die Grundlagen für den heutigen Umgang mit musischen Elementen im Unterricht: Die Einheit von Schule und Kirche war zentral für das mittelalterliche Schulleben. Als Mönch entwickelte Guido von Arezzo mehrere unterrichtsmethodische und musikpädagogische Prinzipien. Dabei folgte er dem Bildungsideal des Mittelalters, Gott singend zu loben. Auch der sprachliche Lehrstoff wurde in Versen dargeboten, danach von den Schülern singend vorgetragen und eingeprägt.2
Die feststehende Gottesdiensttradition folgte dem Gesangsrepertoire der Gregorianik und des Gregorianischen Chorals.3 Die Aufzeichnung von „Musik“ erfolgte durch Neumen, die aus waagerechten Strichen, Häkchen und Punkten bestehenden frühmittelalterlichen Notenzeichen. Dabei wurden die Handbewegungen des dirigierenden Chorleiters nachempfunden, mit denen man die einstimmigen Gesänge aufzeichnete. Hierbei wird der Melodieverlauf, also das Steigen oder Fallen, angezeigt, ohne jedoch die exakte Tonhöhe und Zeitdauer anzugeben.4 Die Neumen könnten somit auch als ein mnemotechnisches Hilfsmittel für den Kantor bei seinem Sprechgesang im Gottesdienst betrachtet werden.5 Als Teil der mündlichen Überlieferung stellten die Neumen kein eigenständiges Notensystem dar. Guido von Arezzo legte hiermit den Grundstein für die heutigen Notenlinien, bei denen die Tonhöhe angezeigt wird. Er schafft damit die Grundlage für die europäische Tonbenennung mit dem Verfahren der Solmisation, ein auf die Tonsilben des Hexachords (Ut, re, mi, fa, sol) aufbauendes System relativer Tonverhältnisse. Guido von Arezzo schlägt vor, für jeden Ton einen bekannten Gesang auszuwählen, der mit diesem Ton beginnt und dies als musikalische Gedächtnisstütze zu nutzen. Dabei verwendet er die bekannte und erfolgreiche Melodie des Johanneshymnus.6 Das Erlernen der Tonsilben, die den Anfang des Hymnus bilden, diente als Übung für das Singen vom Blatt:
Ut7 queant laxis | Auf dass mit lockeren Stimmbändern |
Resonare fibris | singen (zum Klingen bringen) mögen |
Mira gestorum | von den Wundern Deines Tuns |
Famuli tuorum | Deine Schüler |