Der Philipperbrief des Paulus. Eve-Marie Becker
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СКАЧАТЬ methodischen Perspektiven: aus einer rezeptions- und wirkungsgeschichtlichen Sicht auf den Philipperbrief (Teil I), aus einer literaturkritischen und literaturgeschichtlichen Sicht auf Paulus als Briefsteller und die Funktion seines epistolaren Schreibens – dem Philipperbrief und über diesen Brief hinaus (Teile II-III) – sowie aus exegetischer Sicht auf eminente Textpassagen des Philipperbriefes, die sich auch als dessen Schlüsseltexte verstehen lassen (Teil IV). Den verschiedenen methodischen Perspektiven ist gemein, Paulus als Autor, PersonPerson, persona und literarische persona in den Vordergrund der Textinterpretation zu rücken, während die gegenwärtige – besonders anglo-amerikanisch geprägte – Philipperbrief-Forschung den Fokus vor allem auf PhilippiPhilippi und die sozial-historische Situation der paulinischen Adressatenschaft in MakedonienMakedonien/Macedonia richtet.Philippi1

      2.1. Der erste Teil (I)

      Der erste Teil der vorliegenden Aufsatzsammlung („Zur Geschichte der Rezeption und Interpretation des Philipperbriefes“) wählt eine rezeptions- und wirkungsgeschichtliche Sicht auf die Deutung des Philipperbriefes und sucht so der gewachsenen Bedeutung, die den Kategorien der Wirkung und Rezeption für das Textverstehen gegenwärtig in den exegetischen Disziplinen eingeräumt wird, Rechnung zu tragen.Wischmeyer, OdaKenosis1

      Thematisch wird in diesem Teil des Bandes der Bogen von Lukas, dem mutmaßlich frühesten Rezipienten und Interpreten des paulinischen Schreibens an die Philipper (Beitrag I; vgl. auch Beitrag XI), bis zur historisch-kritischen Kommentierungsgeschichte im KEK von 1847 bis 1928 (Beitrag V), gespannt. Die Beiträge II-IV geben schlaglichtartige Einblicke in die Wirkung und Rezeption des Philipperbriefes bei Philipp MelanchthonMelanchthon, Philip(p) (1521 und 1546) und RembrandtRembrandt van Rijn van Rijn (1627) sowie in die mögliche Bedeutung des Briefes für die existenzialphilosophischen Diskurse des 20. Jahrhunderts.

      Die erstmals auf Deutsch oder Englisch publizierten Beiträge I-III zur Rezeption und Wirkung des Philipperbriefes bei Lukas, MelanchthonMelanchthon, Philip(p) und RembrandtRembrandt van Rijn stelle ich hier etwas ausführlicher vor: Die Frage, wieweit die Apostelgeschichte als „dependenter Text“ zu einem im Entstehen begriffenen Corpus von Paulusbriefen entstanden ist, ist weithin umstritten (siehe Beitrag I). Gerade die Rede des Paulus an die Gemeindeältesten aus EphesusEphesus im kleinasiatischen MiletMilet(us) (Apg 2005Apg20,18ff.05Apg20,18ff.) enthält jedoch deutliche Textsignale, die nicht nur eine Kenntnis des Philipperbriefes durch Lukas wahrscheinlich machen, sondern auch ein Licht darauf werfen können, wie der auctor ad Theophilum den Paulusbrief rezipiert und literarisch adaptiert hat, nämlich im Rahmen einer wohl platzierten AbschiedsredeAbschiedsrede(n)Abschiedsrede(n). Auch dieses Indiz könnte für die Frage nach der Einordnung des Philipperbriefes in die chronologische Folge der Paulusbriefe wertvoll sein: Sieht Lukas im Philipperbrief die ultima verba des Paulus?

      Bei der vermeintlichen lukanischen Adaption des Philipperbriefes lässt sich lediglich von einer Form „diskreter Intertextualität“ sprechen – der Autor spielt höchstens auf den Prätext an, ohne dessen Rezeption offenzulegen.2 Gleiches gilt für RembrandtsRembrandt van Rijn Paulus-Gemälde von 1627 (siehe Beitrag III). Rembrandt, dessen 350. Todestags 2019 gedacht wird, ist zwar als kongenialer Bibelinterpret bekannt. Ob und in welcher Weise speziell die Lektüre des Philipperbriefes das Gemälde „Paulus im GefängnisGefängnis“ inspiriert hat, muss allerdings offenbleiben. Deutlich ist, dass der Topos des gefangenen Apostels literaturgeschichtlich im Philipperbrief seinen Ausgang nahm.

      Im Unterschied zur diskreten Intertextualität, die bei Lukas und RembrandtRembrandt van Rijn vorzuliegen scheint, ist bei MelanchthonMelanchthon, Philip(p) und den KEK-Autoren von „expliziter Intertextualität“ zu sprechen: Als Interpreten bzw. Exegeten des Philipperbriefes nehmen der Reformator (siehe Beitrag II) wie auch die KEK-Kommentatoren (siehe Beitrag V) auf den Brief explizit Bezug. Gerade die Auslegung des Philipperbriefes bei Melanchthon verdient besondere Aufmerksamkeit: Während die Verwendung dieses Briefes in den Loci Communes von 1521 die oben schon erwähnte marginale Bedeutung des Schreibens für die protestantische Bibelhermeneutik zu belegen scheint, gibt sich Melanchthon 25 Jahre später, nämlich in seiner Oratio in funere reverendi viri D. Martini Lutheri (1546) als ein philologisch wie hermeneutisch vielseitiger und produktiver Exeget des Philipperbriefes zu erkennen. Den Vergleichspunkt zum Wirken LuthersLuther, Martin macht Melanchthon in der paulinischen Rede von der exemplarischen Christusbeziehung, die an der apostolischen Existenz sichtbar wird, fest. Melanchthon stellt das literarische wie theologische Eigenprofil des Philipperbriefes auf diese Weise differenziert heraus und öffnet so die Interpretation des Paulusbriefes weit über das Theologoumenon von der RechtfertigungRechtfertigung hinaus.

      Der 2017 erstmals publizierte Beitrag IV stellt die Auslegung des Philipperbriefes in den ideengeschichtlichen Horizont der existenzialphilosophisch geleiteten Beschäftigung mit dem Motiv der „SorgeSorge“ (cura, μέριμναμέριμνα, μεριμνάω). Auch wenn sich Martin HeideggersHeidegger, Martin Interpretament von der „SelbstSelbst, self, selfhoodauslegung des Daseins als ‚Sorge““ eher auf den Mythos des Hyginus (fabulae 220Hyginusfab220) als auf Phil 4 oder Abschnitte aus 1 und 2 Kor rückbezieht, so spiegeln die Paulustexte doch eigenständige Überlegungen zum (antiken) Konzept der „Sorge“ wider, die Heidegger oder auch Michel FoucaultFoucault, Michel im Sinne einer „kanonbedingten Rezeption“ zumindest nicht unvertraut gewesen sein dürften.3

      Der 2018 erschienene Beitrag V zeichnet die Kommentierungsgeschichte des Philipperbriefes in der KEK-Reihe, die bisher durch Heinrich A. W. MeyerMeyer, Heinrich A. W. (1847), August H. FrankeFranke, August H. (1886), Erich HauptHaupt, Erich (1897) und LohmeyerLohmeyer, Ernst erfolgte, nach und sucht dabei auch, die Grundfragen und -probleme der Interpretation diesseits und jenseits der Auseinandersetzung mit F. C. BaurBaur, Ferdinand Christian darzulegen.

      2.2. Teil Zwei bis Vier (II-IV)

      Im zweiten Teil der vorliegenden Aufsatzsammlung werden grundlegende Beobachtungen zur Form und Funktion des paulinischen Briefeschreibens angestellt, die sich besonders für die Interpretation des Philipperbriefes als zentral erweisen (Beiträge VI-VIII): AutobiographieAutobiographie, autobiographisch und selfSelbst, self, selfhood-fashioning gewinnen in einem – mutmaßlich – letzten Schreiben des Apostels zusätzlich an Bedeutung, wie an den Textbelegen (Beiträge VI und VII) erkennbar wird. Die epistolare Konstruktion des Paulus als homo humilis (Beitrag VIII) erfährt im Philipperbrief gar ihre stärkste Ausprägung. Im dritten Teil erfolgen Überlegungen zu den literaturgeschichtlichen und intellektuellen Rahmenbedingungen, unter denen Paulus seine Briefe – so auch den Philipperbrief – verfasst (Beiträge IX-XI). Der vierte Teil konzentriert sich auf die Auslegung von Schlüsseltexten aus Phil 1-3, die das Bild des Briefstellers Paulus in Interaktion mit seinen Adressaten und in Auseinandersetzung mit möglichen Gegnern in PhilippiPhilippi bestimmen (Beiträge XII-XVI).

      Es ergeben sich verschiedene Einsichten für die Erschließung des literarischen und theologischen Eigenprofils des Philipperbriefes: Paulus ist in seinen Briefen, so auch in Phil 3, immer wieder autobiographischAutobiographie, autobiographisch greif- und fassbar (Beitrag VI). Der Apostel kommt darin, wie er seine PersonPerson, persona nicht nur zum permanenten Gegenstand seines Briefeschreibens macht (Beitrag VII), sondern fortlaufend Einblicke in seine innere Befindlichkeit erlaubt, dem Briefsteller Cicero – der am besten bekannten Person der antiken Welt1 – am nächsten (Beitrag XVI).

      Im Philipperbrief entwickelt Paulus darüber hinaus speziell das Rollenmodell des „homo humilis“ (Beitrag VIII) – hier wird die epistolare Selbstbezeichnung als δοῦλοςδοῦλος, doulos zum eigentlichen Argument (Beitrag XII). In dem Maße, in dem Paulus sich selbst in seiner GefangenschaftGefangener, Gefangenschaft zum Paradigma politisch-ethischen Handelns macht und dabei Erinnerungen an das paradigmatische Handeln des SokratesSokrates (KritonKriton 50a) ermöglicht (Beitrag XIII), fordert er von seinen Adressaten die MimesisMimesis, СКАЧАТЬ