Grundeinkommen von A bis Z. Christian Müller
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Название: Grundeinkommen von A bis Z

Автор: Christian Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783038550587

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СКАЧАТЬ dem, was ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert? Ist das Menschenbild der direkten Demokratie das Gleiche wie das der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens? Kann die politische Souveränität auf die Realitätsebene eines Einkommens übertragen werden?

      Das ist so weit weg von der heutigen Einkommensauffassung wie die direkte Demokratie vom Demokratieverständnis in anderen Staaten. Es ist so weit weg von der heutigen Einkommensauffassung, wie es lange weit weg war, auch Frauen als Bürger anzusehen. Wie man lange schon eine Verfassung hatte, in der niemand der Untertan eines anderen sein sollte, aber übersah, dass die Frauen politische Untertaninnen der Männer waren.

      Mit direkter Demokratie und dem Initiativrecht für jeden, so heißt es in anderen Ländern, würde das Land in Unvernunft und Chaos enden. Radikale und Demagogen bekämen das Sagen. Direkte Demokratie sei eine Überforderung für die meisten und hielte die Leute nur von der Arbeit ab. Die allermeisten wollen und können sich nicht mit politischen Sachfragen auseinandersetzen. Direkte Demokratie sei unnötig, weil die Politiker und Lobbyisten besser wissen, was für Land und Leute gut sei. Der Arbeitsmarkt und die Arbeitsmarktintegrationsmaßnahmen wissen besser als die Leute, was diese tun sollen.

      Eine nicht so demokratische Vorgehensweise, die es in anderen Ländern gibt, hält die Leute nicht für reif genug, um bei Dingen, die sie selbst betreffen, selbst klug zu entscheiden. Führt direkte Demokratie zu andauerndem Streit, zur Verwahrlosung der gebildeten Sitten, zu Spaltungen in der Ge­sellschaft? Wo es sie gibt, nicht. Wo es sie nicht gibt, wird das befürchtet. Ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es noch nicht.

      Freiheit und eine eigene Stimme ermöglichen das Zusammenleben – nicht Zwang. Wenn das bedingungslose Grundeinkommen Parallelen zur Demokratie hat oder sogar im Kern mit ihr identisch ist – nur in der Form einen Schritt weiter in die wirtschaftliche Existenzgrundlage hinein – bekäme die Auseinandersetzung um das Grundeinkommen noch einmal eine weitere Dimension.

      In anderen Ländern frischt sie den Gedanken der Demokratie auf. Weil es nicht darum geht, von oben für andere das Gute zu wollen, sondern allen ihren Willen zu lassen.

      «Los, lassen! So kommt das Neue in die Welt», titelt das deutsche Wirtschaftsmagazin «brand eins» unter dem Thema «Innovation». Die wirtschaftliche Dimension des Grundeinkommens ist ein starkes Ja durch die Möglichkeit zum Nein.

      Diese Entwicklung der Demokratie geschah in einem Austausch zwischen den Ländern und geschieht jetzt im Austausch bei der Entwicklung des Grundeinkommens. Die geschichtliche Dimension ist, dass die Demokratie zum Teil auch aus anderen Ländern in die Schweiz getragen wurde und mit der Volksabstimmung zum Grundeinkommen jetzt in andere Länder zurückwirkt.

      Kleine Geschichte der Schweizer Demokratie

      Dazu hier eine kleine Geschichte der Schweizer Demokratie: «Die Schweiz verdankt ihre Demokratie, wie manches andere, auch dem Ausland», erzählt der Demokratieexperte An­dreas Gross. Die revolutionären Bewegungen für die Demokratie in den Staaten des Deutschen Bundes, in der Habsburger Monarchie oder auch in Oberitalien um 1848 waren heftiger als in der Schweiz. Aber dort wurden sie blutig niedergeschossen. Manche der Revolutionäre flohen in die Schweiz, welche sie freundlich aufnahm. Denn die Schweizer wussten, was sie ihnen verdankten. In der Schweiz herrschte ein günstiges Klima für die Demokratie. Sie hat sich in der Schweiz gleichsam im Windschatten der blutigen Revolutionen etabliert. Hier waren die Wurzeln dafür da.

      Die theoretischen und rechtlichen Grundlagen zur direkten Demokratie wurden im 18. Jahrhundert von der Westschweizer Naturrechtsschule und von Jean-Jacques Rousseau gelegt. Ab 1830 verbreitete sich deren Gedankengut durch das aufkommende Pressewesen.

      Seit dem Mittelalter gibt es in einigen Kantonen die direktdemokratischen Institutionen der Landsgemeinden. Die Eidgenossenschaft ist das Zusammenwachsen freier Genossenschaften. Das ist grundsätzlich anders als dort, wo die Demokratie aus einem obrigkeitsstaatlichen Denken herausgewachsen ist. Die Demokratie kommt in der Schweiz buchstäblich aus allen Tälern, Landsgemeinden und Städten.

      «Somit ist die Konföderation genaugenommen kein Staat, sondern eine Gruppe souveräner und unabhängiger Staaten, die durch einen Vertrag gegenseitiger Garantie verbündet sind», schreibt der französische Föderalismusforscher Pierre-Joseph Proudhon im 19. Jahrhundert. «Wir sind, durch Recht und Gesetz untereinander verbunden, unser Staat selber», sagte einst der bekannte Schweizer Pädagoge Heinrich Pestalozzi. Jean-Jacques Rousseau erklärt, was die wichtigste Gewaltenteilung ist: jene von unten.

      «Autonome Kleinräume sind unersetzliche Bürgerschulen, ohne die der freiheitlich-demokratische Saat verdorren müsste», schreibt der Basler Adolf Gasser 1947 in seinem Buch «Gemeindefreiheit als Rettung Europas». «Die einzige Demokratie, die ich kenne, ist die schweizerische. Ich muss den Schweizern sagen: Sie müssen für den Erhalt der Schweizer direkten Demokratie kämpfen. Das ist nicht nur für Sie, das ist auch ein Modell für die Welt», appelliert der US-Völkerrechtler Alfred de Zayas. So verkündete es auch Winfried Kretschmer 2015 auf dem Europaforum in Luzern: «Auch Eu­ropa kann nur so etwas wie eine Willensnation sein, wie es die Schweiz schon immer war. Europa wird nicht anders sein können, ist es doch auch vielsprachig, multireligiös und multikulturell. Insofern ist die Schweiz eine gute Blaupause für Europa.»

      Selbständigkeit und Selbstverwaltung bei den Gemeinden, das ist für ein obrigkeitsstaatliches Denken so unvorstellbar wie Selbstverwaltung jedem Einzelnen einzuräumen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen. Es ist der gleiche Gedanke. Die Selbständigkeit muss allerdings, wie bei den Gemeinden, auch beim Grundeinkommen von jedem selbst ausgehen. Dafür wiederum ist die direkte Demokratie das Instrument, um aus Eigenaktivität der Bürgerinnen und Bürger zum bedingungslosen Grundeinkommen zu kommen. Von oben kann es nicht eingeführt werden. Die wichtigste Gewaltenteilung ist: die von unten.

      Was ist ein bedingungsloses Grundeinkommen anderes?

      An Abstimmungen und Wahlen nehmen in der Schweiz in der Regel nur bis zu 50 % der Stimmberechtigten teil. Ist die Demokratie deshalb überflüssig? «Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler», bemerkt Winston Churchill, englischer Premierminister. Ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nur vernünftig, wenn jeder etwas damit macht und jeder etwas Vernünftiges macht? «Die Demokratie setzt die Vernunft im Volke voraus, die sie erst hervorbringen soll», schreibt Karl Jaspers, Schweizer Psychiater und Philosoph. Das bedingungslose Grundeinkommen kann man genauso sehen.

      Das Prinzip der Freiwilligkeit, darauf basiert die genossenschaftlich organisierte Gemeinde.

      Die Allmende, Gemeindeeigentum zum Beispiel an Wald und Weideflächen, deren Erträge allen zukommen, die freiwillige Kooperation, wie auch das Schweizer Milizsystem in Politik und Armee, die freiwillige Übernahme ehren- und ne­­benamtlicher Aufgaben. Ohne die Freiwilligkeit wäre das Funktionieren der gesellschaftlichen Abläufe nicht möglich. Das steht in Zusammenhang mit direkter Demokratie. «Das Prinzip kollektiven Vertrauens, genossenschaftlicher Verbindung von Freiheit und Recht, kollektiver Gesetzestreue und Rechtsgesinnung»: Eric Partry bringt in seinem Buch «Das bedingungslose Grundeinkommen in der Schweiz», das am Institut für Wirtschaftsethik an der Hochschule St. Gallen HSG erschienen ist, die Allmend-Tradition zusammen mit dem bedingungslosen Grundeinkommen.

      1848 wurde einiges aus der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika in die Schweizer Verfassung übernommen. 2015 reisten Vertreter der Schweizer Grundeinkommens-Bewegung in die USA und fanden offene Türen bei einflussreichen Persönlichkeiten, die von der Schweizer Initiative wussten und für ein Grundeinkommen waren oder sich davon überzeugten, warum es gut ist. Es kam die Frage auf: Wie führt man das in den USA ein? Die Haltung herrschte vor: Da baut man eine Lobby auf, die dafür sorgt, dass der übernächste Präsident einer wird, der für das Grundeinkommen СКАЧАТЬ