Reisen. Niklaus Meienberg
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Название: Reisen

Автор: Niklaus Meienberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги о Путешествиях

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isbn: 9783038551737

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СКАЧАТЬ der Offensive waren. Und das war so gekommen: Der Mutamid von Sevilla hatte in der Hoffnung, seinen christlichen Widerpart Alfons den Sechsten zu besänftigen, diesem seine Tochter Zaida zur Frau gegeben, und Schloss Consuegra, das mehrmals den Besitzer wechselte, war Teil ihrer Mitgift gewesen. Zaida nannte sich fortan Isabel. Solche Toleranz war damals, vor 1492, nicht selten, die drei Religionen lebten in manchen Gegenden friedlich neben- oder miteinander, es gab christliche Enklaven im arabischen und arabische im christlichen Gebiet. Auch in den Köpfen gab es Enklaven. Mutamid war ein Dichter-König, vertraute mehr den guten und gescheiten Worten und der Versippung als dem unangenehmen Krieg. Jedoch sein Schwiegersohn verstand keinen Spass und blieb ein aggressiver Mensch, der sich von keiner Poesie besänftigen liess, und wollte weiter expandieren. Da musste der sanfte Mutamid den harten Yussuf, seinen arabischen Rivalen, zu Hilfe rufen. Dieser übernahm die Macht, schickte seine besten Truppen gegen den christlichen König in Consuegra, welcher sich schon bald geschlagen in die Burg zurückzog. In dieser Schlacht starb, 1079, der einzige Sohn des grossen Cid, ein sogenannter Nationalheld, und viele andere, weniger berühmte Söhne, deren Namen nicht überliefert sind. Die Almoraviden gaben jedoch auf und zogen sich zurück, vielleicht hat ihnen eine langwierige Belagerung nicht behagt. Erst dem nächsten Araberstamm, der von Afrika herüberkam, den Almohaden, gelang es, die Burg Consuegra zu brechen. Später ist sie von Alfons dem Siebten wieder zurückerobert worden und der Christenheit dann nie mehr verlorengegangen. Darüber sollen die historischen Steine sehr glücklich gewesen sein. Die Untertanen, so heisst es, hätten jedoch die arabische Herrschaft vorgezogen, weil Handwerk und Handel dort mehr prosperierten, und seien in ihres Herzens Grund noch lange Zeit keine rechten Christen geworden.

      Belmonte, Sonnenuntergang mit Windmühle und Burg. Der Himmel ist ganz ausgefranst, strähnig, violett, rechts oben pathetische Ballungen, die Landschaft leicht gerippt, ruhig, ausgeglichen. Kein Hindernis für die Augen, ringsherum nichts Abruptes ausser dieser Burg. Hier hat Eugénie de Montijo gelebt, bekannt geworden als Frau von Napoleon III., Kaiser von Frankreich. Nur kurz soll sie hier verweilt haben, die preziöse Dame, ihre Familie besass so viele Schlösser, dass sie alle paar Monate den Wohnsitz wechseln konnte. Hat trotzdem einiges umgebaut, wollte den letzten pariserischen Chic in Belmonte haben, prunkvolle Kamine, schön gearbeitete Fenster, zweistöckige Spitzbogengalerie. Die Burg ist gut im Stande, danke, heizbar, bewohnbar, aber nicht bewohnt. Der Dorfpolizist schliesst auf. Unendliche Zimmerfluchten, alles bezugsbereit. Eine Burgbesetzung müsste man anzetteln, Instandbesetzung ist nicht nötig. Nach dem letzten Krieg war hier eine staatliche Mütterschule einquartiert, Vorbereitung der christlichen Mütter auf ein christliches Familienleben, oder was sich Franco darunter vorstellte. Die sind jetzt in ein anderes Schloss umgezogen. Wie es der Zufall so bringt, ist unter den Besuchern von Belmonte ein Ehepaar aus Barcelona, Stickereifabrikanten auf der Durchreise nach Madrid, wo sie ihrer adeligen Kundschaft die letzten Kreationen unterbreiten und Mass nehmen für neue Kleider, und die kennen zufällig die Besitzerin von Belmonte, eine Gräfin von Penaranda, und die wohnt in Madrid und werde den Reisenden gern empfangen, sobald ihn seine Geschäfte dorthin führen würden. Übrigens sei hier ganz in der Nähe ein bewohntes Schloss, Guadamur, die Familie stünde als Sehenswürdigkeit den Gebäulichkeiten in nichts nach. In Guadamur öffnet sich jedoch, solange man auch mit dem Türklopfer klopfen mag, keine Tür. Es ist ja auch schon dunkel. Warum ist der Wassergraben nicht gefüllt? Sehr unordentlich! Muss dem Verein der Freunde der spanischen Burgen gemeldet werden. Auf dem Bergfried flattert ein langer Wimpel. Vielleicht hat der Stickereifabrikant Guadamur mit Layos verwechselt, paar Kilometer weiter Richtung Toledo.

      Und wirklich gibt’s in Layos ein Schloss mit pulsierendem Inhalt. Der jefe sei abwesend, sagt eine Magd am Dienstboteneingang hinter dem grossen Hoftor, aber die Herrin (jefa) würde sogleich eintreffen, der Reisende möge sich doch bitte von dem Jungvolk, das sich übers Wochenende im Schloss aufhalte, in den Salon geleiten lassen; was er denn auch tat. Durch den Innenhof, den geschmackvoll restaurierten, rechteckigen, die Stiegen hinauf in den ersten Stock, wo in einer Wandelhalle Jagdtrophäen ausgestellt sind, vorbei an Elefantenzähnen, Hirschgeweihen, Wildschweinköpfen, Antilopenhörnern in den Salon. Hölzerne Decke in Zeltform, reich geschnitzt, ca. 14. Jahrhundert, mudéjar: so nennt man den Stil, welchen arabische Künstler unter christlicher Herrschaft herausbildeten. Alte tableaux, die nur in Schlössern recht zur Geltung kommen, grossflächig, auf Distanz zu betrachten, dazu knappes, modernes Mobiliar, auch ältere Möbel. Doch, das hat Geschmack. Die Marquise, welche bald erscheint, in gut sitzenden Reitstiefeln; jung-dynamisch, Innenarchitektin. Das Jungvolk aus Madrid, Verwandte, welche hier, wie die Marquise selbst, das Wochenende zu verbringen pflegt, streicht sich die Gesichter mit schwarzer Farbe ein, um den Reiz der Mondscheinpartie zu erhöhen, gleich geht es hinaus auf die Latifundien, und der Reisende wird sich ungestört mit Carmen Icáza de Oriol, die ihm jetzt auch wirklich einen Wein kredenzt, unterhalten können.

      Das ganze Dorf Layos, so beginnt die Marquise von O. ihre Erzählung, habe vor dem Bürgerkrieg einem gewissen Conde de Mora gehört. Illustre Familie! Der erste seines Geschlechts sei Botschafter des Ferdinand von Aragón in Rom gewesen, später habe eine Tochter des Suezkanal-Erbauers Lesseps einen Mora geheiratet, auch Eugénie von Montijo habe zur Sippe gehört, und die Herrlichkeit habe eigentlich erst 1936 ein Ende gefunden, als die Familie fluchtartig Dorf und Schloss verliess, sonst wären sie von den aufgebrachten Bauern, wohl nicht ganz zu Unrecht, sagt die Marquise, umgebracht worden, wie viele ihrer Gattung. Die Bauern hatten nämlich genug von den Grundherren, damals, und wollten sich dieselben definitiv vom Halse schaffen. Das Schloss oder Schlösschen, wie sie es nennt, eine Burg sei das nicht, weil zu wenig wehrhaft, sei dann von der republikanischen Armee besetzt gewesen, die leider etwas übel gehaust und alles brennbare Material verfeuert habe, rücksichtslos den kunsthistorischen Wert des Holzes einem krassen Materialismus opfernd, nur die hölzernen Mudéjar-Decken hätten den Vandalismus überdauert, wie, sei ihr schleierhaft. Später seien dann auch Teile der Internationalen Brigaden hier einquartiert gewesen, welche ebensowenig Sinn für die Schönheit der Gebäulichkeiten entwickelt hätten wie die Soldaten der Republik. Die Bauern aus dem Dorf hätten sich ausserdem verschiedentlich am Mobiliar schadlos gehalten. In einem der Zimmer des Schlösschens habe sie eine Wandzeichnung (Kreide, 20. Jahrhundert) obszönen Inhalts gefunden, zwei nackte, ineinander verschlungene Körper, signiert: John Cunningham, Chicago, diese sei höchstwahrscheinlich von einem internationalen Brigadisten hinterlassen worden; und sie habe den Dorfgipser von Layos ausdrücklich gebeten, weil sie nämlich den Originalitätswert des Gekritzels und auch seinen historischen Erinnerungswert schätzte, die Zeichnung bei der Renovation nicht zu zerstören. Der Dorfgipser jedoch, ein etwas kruder Mann, habe in der Annahme, ihr einen Gefallen zu tun, die Obszönität weggekratzt; bedauerlicher Mangel an Einfühlungsvermögen. Überhaupt seien die Leute hier auf dem Land etwas prosaisch und utilitaristisch eingestellt, an schönen Hunden sei ihnen nichts gelegen, man sehe fast nur Köter im Dorf, es würden nur Bäume gepflanzt, aus denen die Bauern unmittelbaren Nutzen zögen, vor allem Olivenbäume. Pferde gebe es auch kaum, nur Nutzesel, und an der Natur werde Raubbau getrieben; wenig ökologisches Bewusstsein, wenig Schönheitssinn. 1965 habe ihr Mann, der Architekt, welcher in Madrid gut und gerne vierzig Angestellte in seinem Büro beschäftige und internationales Ansehen geniesse und auf der ganzen Welt baue, aber auch jage, kürzlich wieder in der Äusseren Mongolei (Büffeljagd) – habe er also das heruntergekommene Schlösschen gekauft und fachgerecht restauriert, im gleichen Zug auch sozusagen alles Land im Dorf erworben, das ja traditionellerweise zum Schlösschen gehört habe, alles zu einem Preis, den man noch christlich werde nennen können; und habe den Dörflern dann, weil er nicht alle 1500 Hektaren selbst bewirtschaften möchte, 900 Hektaren zum Kauf angeboten, wodurch die Bauern zum erstenmal in den Besitz eigenen Landes gekommen wären. Die seien jedoch finanziell nicht in der Lage gewesen, das dergestalt angebotene Land zu erwerben, also habe die Regierung Geld lockergemacht und an Stelle der Bauern dem Marquis von O. eine gewisse Anzahlungssumme entrichtet; die Abstotterung des ganzen Betrags ziehe sich allerdings über Jahre hin, und die Bauern könnten dann ihrerseits wieder der Regierung den vorgeschossenen Betrag zurückzahlen. So sei es nun gekommen, dass die Familie Oriol nur noch 600, die Bauern aber 900 Hektaren besässen, und habe man ihnen auch grosszügig die Gründung einer Genossenschaft offeriert, an welcher der Marquis, der sich, wie sie selbst, in die agrarischen Belange überraschend gut eingearbeitet habe, sich auch beteiligen wollte. Die Bauern jedoch, misstrauisch СКАЧАТЬ