Das Zeichen der Vier. Sir Arthur Conan Doyle
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Название: Das Zeichen der Vier

Автор: Sir Arthur Conan Doyle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783963181368

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СКАЧАТЬ Farbton, der, soweit ich weiß, sonst nirgends in der Gegend vorkommt. So weit die Beobachtung. Der Rest ist Deduktion.«

      »Und wie kamen Sie auf das Telegramm?«

      »Nun, ich wusste natürlich, dass Sie keinen Brief geschrieben hatten, denn ich saß Ihnen ja den ganzen Vormittag gegenüber. Außerdem kann ich in Ihrem offen stehenden Schreibtisch einen Bogen Briefmarken und ein dickes Bündel Postkarten erkennen. Weshalb sollten Sie also ins Postamt gegangen sein, außer um ein Telegramm aufzugeben? Wenn man alle anderen Eventualitäten ausschließt, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein.«

      »In diesem Fall trifft das sicherlich zu«, pflichtete ich ihm nach kurzem Nachdenken bei. »Allerdings lag dieser Fall, wie Sie selbst sagen, sehr einfach. Würden Sie es für unverschämt halten, wenn ich Ihre Theorie auf eine härtere Probe stelle?«

      »Ganz im Gegenteil«, antwortete er, »es würde mich davon abhalten, eine zweite Dosis Kokain zu nehmen. Es ist mir ein Vergnügen, mich jedem Problem zu widmen, das Sie mir vorlegen.«

      »Ich habe Sie einmal behaupten hören, dass es kaum möglich sei, einen Gegenstand täglich in Gebrauch zu haben, ohne ihm den Stempel der eigenen Persönlichkeit aufzudrücken, so dass ein geübter Beobachter daraus auf den Charakter des Besitzers schließen kann. Nun habe ich hier eine Uhr, die erst kürzlich in meinen Besitz gelangt ist. Würden Sie wohl die Freundlichkeit haben, mir Ihre Meinung über den Charakter und die Gewohnheiten des früheren Eigentümers mitzuteilen?«

      Ich reichte ihm die Uhr, nicht ohne ein Gefühl innerer Belustigung, denn diese Aufgabe war, wie ich glaubte, unlösbar, und ich wollte ihm wegen des rechthaberischen Tons, den er zuweilen anschlug, eine kleine Lehre erteilen. Er wog die Uhr in der Hand, musterte eingehend das Zifferblatt, dann öffnete er das Gehäuse und untersuchte das Uhrwerk, erst mit bloßem Auge, dann mit einem starken Vergrößerungsglas. Als er die Uhr endlich wieder zuschnappen ließ und sie mir mit enttäuschtem Gesichtsausdruck zurückgab, konnte ich mich eines Lächelns kaum erwehren.

      »Es gibt nur sehr wenige deutliche Fakten«, sagte er. »Die Uhr ist vor kurzem gereinigt worden, das beraubt mich der wichtigsten Anhaltspunkte.«

      »Richtig«, sagte ich. »Sie ist gereinigt worden, bevor man sie mir übersandt hat.«

      Insgeheim machte ich meinem Gefährten den Vorwurf, sein Nichtwissen mit einer höchst lahmen und schwachen Ausrede zu bemänteln. Welche Anhaltspunkte erwartete er denn von einer Uhr, die nicht gereinigt worden war?

      »Obgleich wenig befriedigend, war meine Untersuchung doch nicht gänzlich fruchtlos«, fuhr er fort, während er mit verschleierten Augen träumerisch zur Decke blickte. »Ihre Richtigstellung vorbehalten, würde ich sagen, dass die Uhr Ihrem älteren Bruder gehört hat, der sie von Ihrem Vater geerbt hat.«

      »Das schließen Sie zweifellos aus dem H. W. auf der Rückseite?«

      »Genau. Das W. deutet auf Ihren eigenen Namen hin. Das Datum auf der Uhr reicht beinahe fünfzig Jahre zurück, und das Monogramm stammt aus der gleichen Zeit wie die Uhr. Sie ist also für die vorige Generation angefertigt worden. Nun ist es üblich, dass Wertgegenstände an den ältesten Sohn vererbt werden, und der trägt mit großer Wahrscheinlichkeit den Vornamen des Vaters. Ihr Vater ist, soviel ich weiß, seit vielen Jahren tot. Die Uhr muss demnach aus dem Besitz Ihres ältesten Bruders stammen.«

      »Das ist soweit richtig«, sagte ich. »Können Sie sonst noch etwas sagen?«

      »Er war nachlässig in seinen Gewohnheiten – sehr nachlässig und liederlich. Als Erbe hatte er gute finanzielle Aussichten, aber er vergab alle Chancen, lebte längere Zeit in Armut, unterbrochen von kurzen Intervallen von Wohlstand, verfiel schließlich dem Trunk und starb. Das ist alles, was ich folgern kann.«

      Ich sprang vom Sessel auf und humpelte erregt im Zimmer umher, mit einem bitteren Gefühl im Herzen.

      »Das ist Ihrer unwürdig, Holmes!« rief ich. »Ich hätte nicht geglaubt, dass Sie so tief sinken können. Sie haben Erkundigungen eingezogen über das Leben meines unglücklichen Bruders, und jetzt geben Sie vor, Ihr Wissen auf phantastische Art zu deduzieren. Sie können mir unmöglich zumuten zu glauben, Sie hätten das alles von der alten Uhr abgelesen! Das ist herzlos, und offen gesagt, es grenzt an Scharlatanerie.«

      »Mein lieber Doktor«, erwiderte er freundlich, »ich bitte Sie aufrichtig um Verzeihung. Ich hatte die Sache als abstraktes Problem betrachtet und dabei vergessen, das es für Sie persönlich schmerzlich sein muss. Aber ich versichere Ihnen: Bevor Sie mir die Uhr gezeigt haben, wusste ich nicht einmal, dass Sie überhaupt einen Bruder hatten.«

      »Aber wie in aller Welt haben Sie dann all diese Dinge herausbekommen? Es stimmt alles ganz haargenau – in allen Einzelheiten!«

      »Oh, da hatte ich Glück. Ich konnte nur durch Abwägung der Wahrscheinlichkeiten zu einem Ergebnis kommen. Ich hatte nicht erwartet, es so genau zu treffen.«

      »Aber Sie haben nicht einfach nur geraten?«

      »Nein! Ich rate niemals. Raten ist eine abscheuliche Angewohnheit – es schadet dem logischen Denken. Die Sache erscheint Ihnen nur deshalb so rätselhaft, weil Sie weder meinem Gedankengang folgen noch jene kleinen Details wahrnehmen, die zu wichtigen Schlussfolgerungen führen können. Beispielsweise habe ich mit der Feststellung begonnen, dass Ihr Bruder nachlässig war. Wenn Sie den unteren Teil des Uhrgehäuses betrachten, werden Sie bemerken, dass es nicht nur an zwei Stellen eingebeult ist, sondern überall Kratzer und Schrammen aufweist – eine Folge der Gewohnheit, die Uhr zusammen mit anderen harten Gegenständen wie Münzen oder Schlüsseln in der Tasche zu tragen. Es ist sicherlich keine Meisterleistung zu folgern, dass ein Mann, der so achtlos mit einer Fünfzig-Guineen-Uhr umgeht, ein nachlässiger Mensch sein muss. Ebenso ist die Schlussfolgerung nicht weit hergeholt, dass jemand, der einen so wertvollen Gegenstand erbt, auch anderweitig gut versorgt sein dürfte.«

      Ich nickte zustimmend, um zu zeigen, dass ich seiner Argumentation folgte.

      »Nun pflegen Pfandleiher in England bei versetzten Uhren die Nummer des Pfandscheines mit einer feinen Nadel in die Innenseite des Gehäuses zu ritzen«, fuhr Holmes fort. »Das ist praktischer als ein Etikett, denn so kann die Nummer nicht verloren gehen oder verwechselt werden. Mit meiner Lupe konnte ich im Innern des Uhrgehäuses nicht weniger als vier solcher Nummern erkennen. Daraus folgt: Ihr Bruder steckte des Öfteren in einer finanziellen Klemme. Zweite Schlussfolgerung: Er kam zeitweise wieder zu Wohlstand, sonst hätte er das Pfand nicht wieder einlösen können. Betrachten Sie schließlich noch den Uhrdeckel mit dem kleinen Schlüsselloch. Sehen Sie die tausend winzigen Schrammen rund um das Schlüsselloch, wo der Schlüssel immer wieder abgerutscht ist? Kein nüchterner Mensch würde solche Kratzer hinterlassen. Aber auf der Uhr eines Trinkers findet man sie regelmäßig. Er zieht sie nachts auf und hinterlässt diese Spuren seiner unsicheren Hand. Was ist an alledem so rätselhaft?«

      »Es ist klar wie der helle Tag«, antwortete ich. »Verzeihen Sie, dass ich Sie zu Unrecht so angefahren habe. Ich hätte mehr Vertrauen in Ihre fabelhaften Fähigkeiten setzen sollen. Darf ich fragen, ob Sie gegenwärtig mit der Untersuchung eines Falles befasst sind?«

      »Leider nicht. Daher das Kokain. Ich kann nicht leben ohne geistige Anstrengung. Wofür soll man sonst leben? Kommen Sie einmal hierher ans Fenster. Gab es jemals etwas Trübseligeres, Schaleres, Sinnloseres als diese Welt? Sehen Sie nur, wie die gelben Nebelwolken durch die Straße treiben und an den fahlbraunen Häusern vorüber ziehen. Was könnte hoffnungsloser prosaisch und materialistisch sein? Was nützt es denn, Doktor, Talent zu haben, wenn man es nicht anwenden kann? Verbrechen ist banal, das Dasein ist banal, und nur banale Fähigkeiten gelten etwas in dieser Welt.«

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