Название: Die UNO
Автор: Reinhard Wesel
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
isbn: 9783846352922
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dass im Gegensatz zur Versammlung aller Mitgliedstaaten in diesem operativen Gremium die Großmächte substantielle Vorrechte haben sollten: Ständige Mitgliedschaft und eine Art Vetorecht.
Zudem wurde schon entschieden, dass auch dem bislang besetzten Frankreich als fünfter Großmacht ein ständiger Sitz in diesem Sicherheitsrat zustehe.
Zwei noch offene Fragen klärten Roosevelt, Churchill und Stalin auf ihrer Konferenz in Jalta im Februar 1945: Die Forderung der Sowjetunion, alle 16 Sowjetrepubliken als selbständige Mitglieder der Organisation aufzunehmen, hätte Stalin einen gewichtigen Stimmenblock in der Vollversammlung verschafft; sie wurde auf die Aufnahme von nur zwei (Weißrussland, Ukraine) abgemildert. Schwieriger war die Einigung auf einen Abstimmungsmodus im Sicherheitsrat; der als „Jalta-Formel“ bekannte Kompromiss gab den Großmächten ein indirekt formuliertes Vetorecht: Nicht nur eine festgelegte Anzahl von Mitgliedern des Rates, sondern darunter auch alle ständigen Mitglieder müssen dem Entwurf einer Resolution zustimmen, um sie wirksam zu verabschieden.
Nach den Klärungen von Jalta sollte nun die neue Organisation so schnell wie möglich gegründet werden – auch um das noch günstige Meinungsklima in den USA zu nutzen. Zur Gründungskonferenz (United Nations Conference on International Organization/UNCIO) luden die „großen Vier“ für den 25. April 1945 nach San Francisco (USA) ein; bis zum 26. Juni konferierten die Vertreter von 50 Regierungen – die der alliierten Staaten, die mit Deutschland und Japan im Kriegszustand waren, ferner Argentinien, Libanon und Syrien sowie die Sozialistischen Sowjetrepubliken Ukraine und Weißrussland; Polen konnte seine Delegation zwar nicht rechtzeitig anmelden, gilt aber als 51. Gründungsmitglied.
Zumindest staatsrechtlich waren ca. 80 Prozent der Weltbevölkerung vertreten – alle Kontinente, alle Rassen, alle Religionen; 850 Delegierte, ihre Mitarbeiter und Berater sowie das Konferenz-Sekretariat, insgesamt ca. 3500 Personen, nahmen teil, anwesend waren etwa 2500 politische Beobachter und Journalisten – UNCIO war wahrscheinlich die größte nicht-kriegerische internationale Versammlung der Geschichte bisher.
Ihre Arbeitsweise und Verhandlungsmethoden sind für alle großen multilateralen Konferenzen üblich geworden, weil sie deren organisatorische und kommunikative Probleme zwar nicht lösen aber wenigstens vereinfachen:
Die Vollversammlung dient rechtlich der formellen Beschlussfassung und politisch der öffentlichen Darstellung – das Opernhaus von San Francisco war ein angemessener Ort. Im Vorsitz der Versammlung wechselten sich die Leiter der Delegationen der vier Großmächte (USA, GB, UdSSR, China) ab.
Die eigentliche Arbeit, die konkreten Formulierungen des Vertragstextes zu verhandeln, wurde verteilt auf verschiedene Ausschüsse und meist differenziert organisiert durch informelle Interessen-Gruppen oder „Freundes“-Zirkel. Ein Lenkungsausschuss aus allen 50 Delegationsleitern entschied in wesentlichen Fragen; weil aber auch er zu schwerfällig war für die Behandlung der Masse der Probleme, wurde ein 14-köpfiger Vorstand gewählt, der Empfehlungen vorbereitete.
Der Entwurf der Charta wurde in vier Abschnitte und entsprechende Kommissionen aufgeteilt, in denen der Text detailliert bis ins letzte Komma ausformuliert wurde: (1) allgemeine Ziele der Organisation, Grundsätze, Mitgliedschaft, Sekretariat, Frage von Änderungen der Charta, (2) Generalversammlung und ihre Kompetenzen, (3) Sicherheitsrat und seine Kompetenzen und (4) die Satzung des Internationalen Gerichtshofs, die von Juristen aus 44 Ländern vorbereitet worden war; diese vier Kommissionen waren unterteilt in zwölf Fachausschüsse. Nur zehn Vollversammlungen von allen Delegationen, aber fast 400 Sitzungen der Ausschüsse wurden abgehalten.
Viele Fragen waren trotz der zum Teil schon definitiven Vorgaben durch die Abmachungen der Großmächte noch zu klären. Neue oder noch nicht bedachte Probleme ergaben sich, deren Lösungen noch offen waren. Oft ging es aber um Konfliktstoffe aufgrund der Interessengegensätze zwischen Großmächten und anderen Staaten, aber auch aus denen zwischen der Sowjetunion und des sich ihr gegenüber formierenden westlichen Lagers: der „Kalte Krieg“ zwischen Ost und West hatte schon längst begonnen.
Politisch bedeutende Streitpunkte und ihre Lösungen waren:
Das Recht jedes einzelnen der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, gegen Beschlussvorschläge ein „Veto“ auszusprechen, war so umstritten, dass die Konferenz wegen des zähen Widerstandes von vielen Ländern mit niedrigerem Machtstatus zu scheitern drohte; beschlossen wurde aber sogar gemäß des Vorschlags der Großmächte die weitestgehende „Veto“-Regelung nach der „Jalta-Formel“.
Der Status von „regionalen Organisationen“, die durch regionale Abkommen über Verteidigung und gegenseitigen Beistand zu begründen oder wie die Arabische Liga schon gegründet waren; beschlossen wurde, sofern ihre Ziele und Aktivitäten mit denen der Vereinten Nationen übereinstimmten sollten sie an der friedlichen Beilegung von Konflikten sowie gegebenenfalls sogar an Zwangsmaßnahmen beteiligt werden.
Die Kompetenzen des Internationalen Gerichtshofs; beschlossen wurde, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein würden, die Zuständigkeit des Gerichtshofs anzuerkennen, aber sich einer verbindlichen Rechtsprechung freiwillig unterwerfen könnten.
Zukünftige Ergänzungen der Charta; beschlossen wurde eine extrem strukturkonservative Option mit sehr restriktiven Regelungen für Änderungen und Ergänzungen.
Neben den oft widerstrebenden Vorstellungen der mächtigen und der weniger mächtigen Regierungen gab es noch andere politische Akzente in den Debatten von San Francisco: Amerikanische Nichtregierungsorganisationen und engagierte Einzelpersonen waren in den Wochen der Gründungskonferenz aktiv dabei – als Lobbyisten oder sogar als Delegationsmitglieder (wie die Literatur-Professorin und Frauenrechtlerin Virginia Gildersleeve); erst ihr Druck ermöglichte es, dass Menschenrechte als Ziel der Vereinten Nationen in den Text der Charta aufgenommen wurden. Vor ihrer formellen Gründung schon mischten sich also zivilgesellschaftliche Akteure in die Arbeit der neuen Internationalen Organisation ein – wobei selbstverständlich galt, dass deren Grundstruktur zwischenstaatlich und ihre Arbeitsebene regierungsamtlich sein sollte.
Darin wirkte schon eine die UNO prägende Ambivalenz zwischen ihrer politischen und rechtlichen Grundlage als zwischen-staatlicher Regierungs-Organisation und den vielfältigen Ansprüchen an die „Organisation der Vereinten Nationen“ als vermeintlicher Weltinstanz – wie es sich auch in der heute modischen Rhetorik von „global governance“ (siehe 2.2) u.ä. ausdrückt. Dieser Widerspruch lässt sich gut an der feierlich-idealistischen Präambel zur Charta (siehe 4) erkennen, die wie ein Fremdkörper wirkt vor dem rechtsverbindlichen internationalen Vertrag, der in sachlicher Rechtsprache hart errungene Kompromisse als Ergebnisse zwischenstaatlicher Verhandlungen der mächtigsten Regierungen der Welt mitten in einem mörderischen Krieg festhält.
Bei der Abstimmung über den dann endlich vorgelegten Entwurf der Charta in der letzten Plenarsitzung am 25. Juni 1945 war eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig; die Delegierten aller teilnehmenden Länder nahmen die Charta der Vereinten Nationen sogar einstimmig an. Sie versammelten sich am nächsten Tag zum Ritual der Unterzeichnung – symbolisch passend im Auditorium der Veterans’ Memorial Hall – und unterschrieben nacheinander die Texte der Charta der Vereinten Nationen und der Satzung des Internationalen Gerichtshofs; als dem erstem Opfer eines Angriffs im Weltkrieg kam China die Ehre zu, zuerst zu unterzeichnen.
Aber erst nach dem vollständigen Durchlaufen der Prozedur der СКАЧАТЬ