Wachtmeister Studer / Вахтмистр Штудер. Книга для чтения на немецком языке. Фридрих Глаузер
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СКАЧАТЬ in Booten auf dem Wasser schaukelten und sich die Haut braun brennen ließen.

      Die Zellentüre ging auf. Studer blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen. Zwei waagrechte, zwei senkrechte Eisenstangen durchkreuzten das Fenster, das hoch oben lag. Der Dachfirst eines Hauses war zu sehen – mit alten, schwarzen Ziegeln – und über ihm wehte als blendend blaues Tuch der Himmel. Aber an der unteren Eisenstange hing einer! Der Ledergürtel war fest verknüpft und bildete einen Knoten. Dunkel hob sich ein schiefer Körper von der weißgekalkten Wand ab. Die Füße ruhten merkwürdig verdreht auf dem Bett. Und im Nacken des Erhängten glänzte die Gürtelschnalle, weil ein Sonnenstrahl sie von oben traf.

      »Herrgott!« sagte Studer, schoß vor, sprang aufs Bett – und der Wärter Liechti wunderte sich über die Beweglichkeit des älteren Mannes – packte den Körper mit dem rechten Arm, während die linke Hand den Knoten aufknüpfte.

      Studer fluchte, weil er sich einen Nagel abgebrochen hatte. Dann stieg er vom Bett und legte den leblosen Körper sanft nieder.

      »Wenn Ihr nicht so verdammt rückständig wäret«, sagte Studer, »und wenigstens Drahtgitter vor den Fenstern anbringen würdet, dann könnten solche Sachen nicht passieren. – So! Aber jetzt spring, Liechti, und hol den Doktor!«

      »Ja, ja!« sagte der Wärter ängstlich und humpelte davon.

      Zuerst machte der Fahnderwachtmeister künstliche Atmung. Es war wie ein Reflex. Etwas, das aus der Zeit stammte, da er einen Samariterkurs mitgemacht hatte. Und erst nach fünf Minuten fiel es Studer ein, das Ohr auf die Brust des Liegenden zu legen und zu lauschen, ob das Herz noch schlage. Ja, es schlug noch. Langsam. Es klang wie das Ticken einer Uhr, die man vergessen hat aufzuziehen; Studer pumpte weiter mit den Armen des Liegenden. Unter dem Kinn durch, von einem Ohr zum andern, lief ein roter Streifen.

      »Aber Schlumpfli!« sagte Studer leise. Er nahm sein Nastuch aus der Tasche, wischte sich zuerst selbst die Stirne ab, dann fuhr er mit dem Tuch über das Gesicht des Burschen. Ein Bubengesicht: jung, zwei dicke Falten über der Nasenwurzel. Trotzig. Und sehr bleich.

      Das war also der Schlumpf Erwin, den man heut morgen in einem Krachen des Oberaargaus verhaftet hatte. Schlumpf Erwin, angeklagt des Mordes an Witschi Wendelin, Kaufmann und Reisender in Gerzenstein.

      Zufall, daß man zur rechten Zeit gekommen war! Vor einer Stunde etwa hatte man den Schlumpf ordnungsgemäß im Gefängnis eingeliefert, der Wärter mit dem dreifachen Kinn hatte unterschrieben – man konnte getrost den Zug nach Bern nehmen und die ganze Sache vergessen. Es war nicht die erste Verhaftung, die man vorgenommen hatte, es würde auch nicht die letzte sein. Warum hatte man das Bedürfnis verspürt den Schlumpf Erwin noch einmal zu besuchen?

      Zufall?

      Vielleicht… Was ist schon Zufall?… Es war nicht zu leugnen, daß man dem Schicksal des Schlumpf Erwin teilnahmsvoll gegenüberstand. Richtiger gesagt, daß man den Schlumpf Erwin liebgewonnen hatte… Warum?… Studer in der Zelle strich sich ein paar Male mit der flachen Hand über den Nacken. Warum? Weil man keinen Sohn gehabt hatte? Weil der Verhaftete auf der ganzen Reise seine Unschuld beteuert hatte? Nein. Unschuldig sind sie alle. Aber die Beteuerungen des Schlumpf Erwin hatten ehrlich geklungen. Obwohl…

      Obwohl der Fall eigentlich ganz klar lag. Den Kaufmann und Reisenden Wendelin Witschi hatte man am Mittwochmorgen mit einem Einschuß hinter dem rechten Ohr, auf dem Bauche liegend, in einem Walde in der Nähe von Gerzenstein aufgefunden. Die Taschen der Leiche waren leer… Die Frau des Ermordeten hatte behauptet, ihr Mann habe dreihundert Franken bei sich getragen.

      Und am Mittwochabend hatte Schlumpf im Gasthof zum ›Bären‹ eine Hunderternote gewechselt… Am Donnerstagmorgen wollte ihn der Landjäger verhaften, aber Schlumpf war geflohen.

      So war es eben gekommen, daß der Polizeihauptmann am Donnerstagabend den Wachtmeister Studer in seinem Bureau aufgesucht hatte:

      »Studer, du mußt an die frische Luft. Morgen früh gehst du den Schlumpf Erwin verhaften. Es wird dir gut tun. Du wirst zu dick…

      «Es stimmte, leider… Gewiß, sonst schickte man zu solchen Verhaftungen Gefreite. Es hatte den Fahnderwachtmeister getroffen… Auch Zufall?… Schicksal?…Genug, man war an den Schlumpf geraten, und man hatte ihn liebgewonnen. Eine Tatsache! Mit Tatsachen, auch wenn sie nur Gefühle betreffen, muß man sich abfinden. Der Schlumpf! Sicherlich kein wertvoller Mensch! Man kannte ihn auf der Kantonspolizei. Ein Unehelicher. Die Behörde hatte sich fast ständig mit ihm beschäftigen müssen. Sicher wogen die Akten auf der Armendirektion mindestens anderthalb Kilo. Lebenslauf? Verdingbub bei einem Bauern. Diebstähle. – Vielleicht hat er Hunger gehabt? Wer kann das hinterdrein noch feststellen? – Dann ging es, wie es in solchen Fällen immer geht. Erziehungsanstalt Tessenberg. Ausbruch. Diebstahl. Wieder gefaßt. Geprügelt. Endlich entlassen. Einbruch. Witzwil. Entlassen. Einbruch. Thorberg drei Jahre. Entlassen. Und dann hatte es Ruhe gegeben – zwei volle Jahre. Der Schlumpf hatte in der Baumschule Ellenberger in Gerzenstein gearbeitet. Sechzig Rappen Stundenlohn. Hatte sich in ein Mädchen verliebt. Die beiden wollten heiraten. Heiraten! Studer schnaubte durch die Nase. So ein Bursch und heiraten! Und dann war der Mord an dem Wendelin Witschi passiert…

      Es war ja bekannt, daß der alte Ellenberger in seinen Baumschulen mit Vorliebe entlassene Sträflinge anstellte. Nicht nur, weil sie billige Arbeitskräfte waren, nein, der Ellenberger schien sich in ihrer Gesellschaft wohlzufühlen. Nun, jeder Mensch hat seinen Sparren, und es war nicht zu leugnen, daß die Rückfälligen sich ganz gut hielten beim alten Ellenberger… Und nur weil der Schlumpf am Mittwochabend eine Hunderternote im Bären gewechselt hatte, sollte er den Raubmord begangen haben?… Der Bursche hatte das so erklärt: es sei erspartes Geld gewesen, er habe es bei sich getragen…

      Chabis!… Erspart!… Bei sechzig Rappen Stundenlohn? Das machte im Monat rund hundertfünfzig Franken… Zimmermiete dreißig… Essen? – Zwei Franken fünfzig am Tag für einen Schwerarbeiter war wenig gerechnet. Fünfundsiebzig und dreißig macht hundertfünf, Wäsche fünf – Cigaretten, Wirtschaft, Tanz, Haarschneiden, Bad – Blieben im besten Falle fünf Franken im Monat. Und dann sollte er in zwei Jahren dreihundert Franken erspart haben? Unmöglich! Das Geld bei sich getragen haben? Psychologisch undenkbar. Solche Leute können kein Geld in der Tasche tragen, ohne es zu verputzen… Auf der Bank? Vielleicht. Aber nur so in der Brieftasche?…

      Und doch, der Schlumpf hatte dreihundert Franken bei sich gehabt. Nicht ganz. Zwei Hunderternoten und etwa achtzig Franken. Studer sah das Einlieferungsprotokoll, das er unterzeichnet hatte:

      »Portemonnaie mit Inhalt: 282 Fr. 25.«

      Also… Es stimmte alles! Sogar der Fluchtversuch im Bahnhof Bern. Ein dummer Fluchtversuch! Kindisch! Und doch so begreiflich! Diesmal langte es ja für lebenslänglich…

      Studer schüttelte den Kopf. Und doch! Und doch! Etwas stimmte nicht an der ganzen Sache. Vorerst war es nur ein Eindruck, ein gewisses unangenehmes Gefühl. Und der Fahnderwachtmeister fröstelte. Diese Zelle war kalt. Kam denn der Doktor nicht bald?

      Wollte der Schlumpf eigentlich gar nicht aufwachen?… Ein tiefer Atemzug hob die Brust des Liegenden, die verdrehten Augen kamen in die richtige Stellung und Schlumpf sah den Wachtmeister an. Studer fuhr zurück.

      Ein unangenehmer Blick. Und jetzt öffnete Schlumpf den Mund und schrie. Ein heiserer Schrei – Schrecken, Abwehr, Furcht, Entsetzen… Viel lag in dem Schrei. Er wollte nicht enden.

      »Still! Willst still sein!« flüsterte Studer. Er bekam Herzklopfen. Schließlich tat er das einzig mögliche: er legte seine Hand auf den lauten Mund…

      »Wenn du still bist«, sagte der Wachtmeister, »dann bleib ich noch eine Weile bei dir, und du kannst eine Zigarette rauchen, wenn der Doktor fort ist. Hä? Ich bin doch noch zur rechten Zeit gekommen…« und versuchte ein Lächeln.

      Aber das Lächeln wirkte auf den СКАЧАТЬ