Die Geschichte von der 1002. Nacht / Сказка 1002-й ночи. Книга для чтения на немецком языке. Йозеф Рот
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Читать онлайн книгу Die Geschichte von der 1002. Nacht / Сказка 1002-й ночи. Книга для чтения на немецком языке - Йозеф Рот страница 11

СКАЧАТЬ fast konnte man sagen, persischer Geruch im Zimmer, von dem starken Kaffee, den die Majestät eine Weile vorher getrunken hatte. Man kochte ihn auf einem kleinen, lieblichen, offenen Flämmchen, in einer besonderen, tönernen Schale. Das Feuerchen brannte noch; es sah aus wie ein Opferfeuer.

      Der Obereunuch sagte, ihm gefalle es hier, wie überall, wenn er nur in der Nähe seines Herrn sein könne. Alter Lügner, dachte der Schah. Es tat ihm dennoch wohl, Schmeicheleien zu hören. Er sagte: »Ich hätte Lust, dir zur Strafe für deine Lügen von nun ab das Leben zu verbittern.« – »Der Herr ist immer gnädig«, sagte der Eunuch, »auch seine Strafe verbittert mir das Leben nicht!« – »Wie befinden sich meine Frauen?« fragte der Schah. »Herr«, antwortete der Eunuch, »sie essen gut, sind gesund, schlafen bequem, in geräumigen und bequemen Betten. Nur eines macht sie unglücklich: daß ihr Gebieter sie nicht besucht!« – »Ich will keine Frau mehr sehn, ein Jahr nicht mehr. Ich bin auch mit der Europäerin nicht glücklich geworden. Du allein hast es vorausgesagt. Muß man verschnitten sein, um klug zu werden?« – »Herr«, erwiderte der Verschnittene, »ich kenne auch törichte Eunuchen und weise normale Männer.« Es war eine Beleidigung, der Schah spürte es wohl. »Was tätest du, wenn du enttäuscht wärest?« fragte die Majestät. »Ich würde mich kränken, und ich würde zahlen, Herr. Enttäuschungen sind kostspielig.«

      »Gewiß, ja!« sagte die Majestät und ließ sich die Wasserpfeife geben und blieb eine lange Weile still.

      Innerhalb dieser langen Weile hatte er sich schon entschlossen, wieder heimzureisen. Es paßte ihm nicht mehr. Er fühlte sich durch das Abendland gekränkt. Es hielt nicht, was er sich davon versprochen hatte. Düsterkeit breitete sich über sein weiches, gelbliches Gesicht, und es erschien, eine Sekunde lang, greisenhaft, trotz der jugendlich glänzenden Schwärze des Barts.

      »Wenn du nicht verschnitten wärest, hätte ich vielleicht mit dir tauschen mögen«, sagte der Schah. Der Eunuch verneigte sich tief. »Du kannst gehen!« sagte der Herrscher; rief aber gleich darauf: »Nein, bleiben!«

      »Bleib!« wiederholte er noch einmal, als fürchtete er, selbst sein Verschnittener könnte ihm entgleiten. Dieser allein und kein anderer aus der Suite des Schahs war fähig, die delikateste und zugleich prächtigste aller Auszeichnungen zu verleihen. Eunuchen sind ritterlich.

      »Dir obliegt es«, sagte der Schah, »der Dame dieser Nacht ein Geschenk zu überbringen. Achte darauf, daß es würdig sei unserer Majestät, aber auch deines bewährten Geschmacks. Achte darauf, daß keiner von unserer Begleitung dich sieht. Das Haus und den Namen mußt du ausfindig machen. Ich will nichts mehr von der Sache wissen. Ich verlasse mich auf dich!«

      »Mein Herr darf es!« sagte der Obereunuch.

      Er hatte schon delikatere und diffizilere Dinge in seinem Leben vollbracht. Seit seiner Ankunft lebte er in gutem Einvernehmen mit Dienern und Lakaien, und längst wußte er zwischen Geldsüchtigen und Bestechlichen, Klugen und Brauchbaren und Dummen zu unterscheiden. Er konnte die Sprache des Landes nicht, aber alle Welt verstand seine Sprache: es war die Sprache des Goldes und die der Zeichen. Man verstand den Obereunuchen vortrefflich.

      Es war einfach, den Weg zu Mizzi Schinagl zu finden. Alle Leute vom Gesinde wußten, wo der Schah die Nacht zugebracht hatte. Schwieriger aber war es, ein Geschenk zu finden, das, wie dem Obereunuchen befohlen war, würdig sein sollte der Macht des Herrschers und seines eigenen Geschmacks. Er überlegte lange. Er kannte die Dame nicht. Nach seinen Vorstellungen mußte sie einen hohen Rang haben. Er entschloß sich für drei schwere Perlenketten. Ihr Wert schien ihm angemessen als Preis. In Begleitung des Hoflakaien Stephan Lackner fuhr er am nächsten Nachmittag vor das Haus der Matzner.

      Man war hier auf diesen Besuch nicht vorbereitet. Frau Matzner selbst war noch im Schlafrock und der Klavierspieler Pollak in langen, flauschigen Unterhosen und Pantoffeln. Der Obereunuch, im europäischen Anzug, dunkelblau und dermaßen zurückhaltend gekleidet, daß seine Diskretion schon beinahe aussah wie ein Versuch sich zu verbergen, war keineswegs töricht genug, um nicht sofort zu erkennen, wo er sich befinde. Es bedurfte weder europäischer Erfahrungen noch auch eines ausgesprochenen Geschlechts, um das Gewerbe der Frau Matzner zu erkennen. Es tat ihm leid um die köstlichen Perlen in der silbernen Kassette.

      Man holte die Mizzi. Sie kam, noch unfrisiert, mit flüchtig aufgestecktem Haar, das wie zerfranst aussah, das Gesicht stark gepudert und schon im flüchtig angezogenen, roten Kleid. Ein paar Hafteln rückwärts standen offen. Das veranlaßte sie, hart an der Tür zu stehn, durch die sie eingetreten war; wie ein Verurteilter stand sie da, der die erlösenden Schüsse erwartet.

      In dieser Haltung nahm sie den Orchideenstrauß entgegen, die silberne Kassette und den langen, unverständlichen Spruch des dicken, dunkelblauen Herrn. Sie nickte, sie schluckte ein paarmal. Nicht einmal die Matzner war da, deren Blick sie vielleicht ermuntert hätte. Frau Josephine wollte sich schnell umziehn. Als sie endlich eintrat, gewappnet und zu allen Abenteuern bereit, war die ganze Zeremonie leider schon beendet, der dunkelblaue Herr bereits im Rückzug begriffen. Er erkannte Josephine Matzner trotz ihrer Verwandlung sofort, und er zog seine Börse und reichte sie mit einer leichten Verneigung der Hausfrau. Die Börse wog leicht. Kein Wunder: sie enthielt lediglich Goldmünzen.

      Als der Obereunuch am nächsten Tage seinem Herrn den Vollzug des Befehls meldete, fragte der Schah, ob die Dame etwas gesagt habe. »Herr«, erwiderte der Diener, »sie wird Euch nie vergessen. Dies war ersichtlich, obwohl ich ihre Sprache nicht verstanden habe.«

      XII

      Viele Menschen dachten noch lange an den Schah, Glückliche und Unzufriedene. Denn er hatte seine Orden und Geschenke nach eigener Willkür verteilt, ohne auf den Gesandten zu hören und ohne auf den Rang und die Würde der Beschenkten und Ausgezeichneten zu achten. Der einzige wirklich Unglückliche war der Rittmeister Taittinger. Er wurde nämlich einen Tag nach der Abreise des hohen Gastes von der »besonderen Verwendung« dispensiert und zu seinem Regiment zurückbeordert.

      Die ganz fatale Geschichte versank in der Vergessenheit; das heißt: in den Geheimarchiven der Polizei. Es wird also niemals mehr zu erfahren sein, warum der arme Taittinger so schnell in seine Garnison zurückmußte.

      In der kleinen schlesischen Garnison blieb dem Baron nichts anderes übrig, als über seine fatale Geschichte nachzudenken. Er hatte Einsicht genug: er kam sozusagen zu einer Art oberflächlicher Einkehr und fällte über sich ein, seiner Meinung nach, äußerst hartes Urteil: er fand, daß er durchaus nicht mehr »charmant« war.

      Von nun ab begann er auch zu trinken. Er dachte ein paarmal daran, der Gräfin W. zu schreiben und sie um Verzeihung zu bitten, weil er sie dem Perser verraten hatte. Aber er zerriß den ersten, den zweiten, den dritten Brief. Hierauf trank er noch mehr.

      Sehr oft träumte er von jener Stunde, in der er die Stiege hinuntergegangen und dem Spitzel mit dem gelüfteten Zylinder begegnet war. Zugleich sah er sich auch die glatte, steinerne Rampe hinuntergleiten. Die Frauen freuten ihn nicht mehr, der Dienst langweilte ihn, die Kameraden liebte er nicht, der Oberst war fad. Die Stadt war fad, das Leben war noch schlimmer als fad. Es gab im Vokabular Taittingers dafür keinen Ausdruck.

      Er glitt und sank. Er fühlte sich auch gleiten und sinken. Er hätte gerne mit jemandem darüber gesprochen, mit Mizzi Schinagl zum Beispiel, von der er auch manchmal träumte. Aber es war ihm, als sei er zu stumm und zu stumpf, um das Richtige und Wahre sagen zu können. Er schwieg also. Und er trank.

      Indessen dauerte der große Rausch der Mizzi Schinagl kaum drei Wochen. Berauscht war übrigens auch das ganze Haus der Frau Josephine Matzner. Berauscht war ganz Sievering, als es vom alten Pfeifenhändler Schinagl erfuhr, daß seine Tochter zum Gefolge des Schahs von Persien nunmehr gehörte und nach Teheran zu fahren gedenke. Denn dermaßen umgeformt kam die Kunde von dem morgenländischen Abenteuer der Mizzi nach Sievering. Der Zwischenträger und Gerüchteträger СКАЧАТЬ