Название: Ein Leben für die Freiheit
Автор: Michael Koch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 9783941485952
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Im vorliegenden Buch werden die Begriffe „Native Americans“, „Indianer“, „First Nations“, „Indigene“ als Synonyme benutzt. Dem Hinweis, dass der Begriff „Indianer“ politisch und auch ansonsten nicht korrekt sei, möchte ich dabei nicht widersprechen. Doch meine lange Zusammenarbeit mit indigenen Künstlern, Sozialarbeitern und Lehrern, politischen Aktivisten, aber auch Jugendlichen und Reservatsbewohnern hat mich dazu gebracht, es so zu halten, wie meine indigenen Freunde auch, die sich mal so oder so oder einfach nur als „skins“1 bezeichnen, denn in ihrer Sprache und Tradition verbindet sie stammesübergreifend eins: die Selbstbezeichnung als Menschenwesen. Analog halte ich es mit den Begriffen wie „Nations, Nationen, Völker oder Stämme. Dem Begriff „Stamm“ haftet zweifelsohne eine Herabstufung indigener Kulturen als zivilisationsferne Gruppe an, während Weiße sich den „Volksbegriff“ wählen, der eine irreführende und problematische „völkische“ Begrifflichkeit anklingen lässt. Native Americans nutzen ihn seit den 60er Jahren bewusst wieder und laden ihn inhaltlich neu auf. Beispiele: Vine Deloria jr. sprach von „new tribes“, die Besetzer von Alcatraz nannten sich „indians of all tribes“, AIM verstand sich als ein „intertribal movemnent“. Dem Kampf dieser Menschen um Selbstbestimmung, um physisches und kulturelles Überleben, um Freiheit, Menschenrechte und Menschenwürde widme ich in kritischer Solidarität vorliegendes Buch. Dabei möchte ich nicht vergessen, mich bei all meinen indianischen Gesprächspartnern, Freunden, Kooperationspartnern für ihre Unterstützung dieses Projektes zu bedanken. Aufgrund sicherheitsbedingter Bitten einiger wird bei der Danksagung im Anhang auf die vollständige namentliche Nennung einiger Unterstützer verzichtet.
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1 Rothäute
1. „Indian Wars Aren‘t Over“ – die vielen Gesichter des Völkermords (Michael Koch)
Wer Geschichte und Formen, Themen und Artikulation des indianischen Widerstandes des ausgehenden 20. Jahrhunderts und des beginnenden 21. Jahrhunderts verstehen will, wird nicht umhinkommen, sich mit der Ausrottungs- und Vernichtungspolitik der europäischen Eroberer und Einwanderer gegen die Ureinwohner Amerikas auseinanderzusetzen. Einerseits bleiben ansonsten Gedanken, Intentionen und Aktionen indigenen Widerstands für uns nur schwer verständlich und auch sperrig bezüglich einer interpretatorischen Einvernahme anhand revolutionär-emanzipatorischer Kriterien unseres „europäischen Denkens“ – selbst wenn dies solidarisch gemeint sein sollte.2
Andererseits bleiben die Dimensionen dieses Völkermordes samt seiner Begleiterscheinungen im wahrsten Sinne des Wortes „unvorstellbar“, wenn nicht doch in einem Kapitel einige Aspekte in aller Kürze benannt und beleuchtet werden.
„Indian Wars Aren´t Over“, so lautet die Überschrift eines Solidaritätsplakats für den indianischen politischen Gefangenen Leonard Peltier.3
Kleingedruckt am Rand stehen die Namen von ca. 60 Opfern tödlicher Angriffe auf traditionelle Lakota und AIM-Sympathisanten bzw. -Aktivisten, die vor allen in den Jahren zwischen 1973 und 1976 in der Pine Ridge Reservation stattfanden. Damit soll auf die Kontinuität des Tötens nordamerikanischer Indianer seit den sogenannten „Indianerkriegen“ in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert hingewiesen werden. Wer sich jedoch mit der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner seit der „Entdeckung“ durch Christoph Columbus 1492 befasst, wird den zahlreichen Autoren indianischer, aber auch nicht-indianischer Herkunft zustimmen müssen, dass es sich bei der Bekämpfung der Indianer um den wohl längsten, anhaltenden Völkermord der Geschichte handelt. Dabei verbinden sich über die Jahrhunderte Aspekte von Genozid (Völkermord), Ethnozid (Kulturzerstörung) und Ökozid (irreversible Zerstörung intakter Ökosysteme) zu einer vielgesichtigen und vielschichtigen Geschichte von Ausrottung und Unterdrückung.
Die Stationen dieser Geschichte reichen von der Vertreibung, Umsiedlung, militärischen Bekämpfung und Ausrottung indianischer Völker über deren Dezimierung durch Krankheiten und andere sogenannte „Zivilisationsfolgen“, den Entzug ihrer Lebensgrundlagen bis hin zur Zwangsumerziehung in Internatsschulen, Zwangssterilisation indianischer Frauen und nuklearen Kontaminierung ganzer Regionen. Was an dieser Stelle über das Schicksal der nordamerikanischen Indianer ausgeführt wird, kann mit etwas veränderter Beschreibung auch für das Sterben, Leben und Überleben der Indigenen in Mittel- und Südamerika ausgeführt werden.
Auf all das, was an Entwicklungen in der sogenannten Paläo-Indianischen Periode Nordamerikas und in der Zeit von 7.000 v. Chr. (sogenannte archaische Periode) bis zum 15. Jahrhundert (im Südwesten die sogenannte Pithouse-Pueblo-Periode) stattfand, soll hier nicht näher eingegangen werden. Nur so viel sei gesagt: dass im Südwesten Nordamerikas die ersten nennenswerten Besiedlungen bereits zwischen 12.000 und 10.000 v. Chr. erfolgten. Zwischen 7.000 v. Chr. und der Zeitenwende entwickelten sich Ackerbau und Siedlungen, beides prägte die Lebensweise der indianischen Völker des Südwestens. Keramikherstellung, Baumwollnutzung und Webtechnik kamen in dieser Region zwischen 700 und 1.000 n. Chr. hinzu. Und Charles C. Mann wies in seinem Buch „Amerika vor Kolumbus“ darauf hin, dass im Gegensatz zu unseren Klischeevorstellungen von den Indianern als nomadische, ökologische Ureinwohner tatsächlich sich zur Zeit von Kolumbus die große Mehrheit der alteingesessenen Indigenen südlich des Rio Grande aufhielten. „Sie waren keine Nomaden, sondern erbauten und bevölkerten einige der größten und reichsten Städte der Welt……,lebten …auf Farmen…,ernährten sich von Fisch und Schalentieren…..Mit anderen Worten, Amerika war unermesslich geschäftiger, mannigfaltiger und dichter bevölkert, als es sich die Forscher vorgestellt hatten. Und älter war es auch.“4
Unterschiedliche Studien gehen davon aus, dass in der vorkolumbianischen Zeit, also noch im 15. Jahrhundert, an die 800 unterschiedliche Stämme im Gebiet der heutigen USA lebten, heute sind dies noch etwa 300. Dabei unterschieden sich Lebensformen, Lebensräume und Kulturen oftmals nicht unerheblich zwischen Nomadentum und Sesshaftigkeit, zwischen Pflanzenanbau, Fischerei und Jagd, zwischen dem Leben an Küsten, in Wäldern, Gebirgen, Wüsten oder in den Weiten der Plains und Prärien.
Diesen unterschiedlichen indianischen Völkern standen seinerzeit, berücksichtigt man mal lediglich die Fläche der heutigen USA, knapp zehn Mio. Quadratkilometer zur Verfügung.5 1887, nach der Umsiedlung der Indianer in Reservationen und nach dem Invasionsende des Westens durch die weißen Siedler, waren dies in den USA 558.472 km2 (knapp 5 %), 1900 ca. 300.000 km2 und gegen Ende des 20. Jahrhunderts gar nur noch 215.549 km2 (ca. 2,3 %) der Gesamtfläche der USA.
In dieser Zeit nahm die Anzahl der nördlich des heutigen Mexiko lebenden Indianer drastisch von acht bis zehn Millionen auf nur noch 360.000 (1892) ab. Und wenn wir heute wieder von ca. 2,5 Mio. indianischen und indianisch-stämmigen Amerikanern in den USA reden, dann meint dies Menschen indianischer Herkunft, Fullbloods (Vollblut) und Mixedbloods (also teilweise indianischer Abstammung), Reservationsbewohner, indianische Wanderarbeiter und Stadtindianer. Sicherlich waren nicht all die 7,5 - 9,5 Mio. gestorbenen Indianer Opfer militärischer Aktionen und Vertreibungen durch die Europäer. Viele von ihnen starben mittel- oder unmittelbar an den unterschiedlichsten Folgen der Invasion aus Europa.
Ein oftmals vernachlässigter Aspekt ist dabei, dass Kriege zwischen indianischen Völkern aufgrund deren Einbeziehung in kriegerische Konflikte zwischen den weißen Eroberern (Kriege zwischen Engländern und Franzosen, Spaniern und Engländern, Unabhängigkeitskrieg), durch die Einführung neuer Waffen und von Pferden, aber auch aufgrund der territorialen Vertreibungen vom Osten immer tiefer in den Mittleren Westen und Westen ebenfalls zunahmen. Vor allem Krankheiten, Hunger und Alkohol waren im großen Maße für das Massensterben bei den Indianern verantwortlich und waren erheblich mörderischer als die Gewehre der Eroberer. „Den Indianern fehlten die СКАЧАТЬ