Название: Grundlagen der Funktionswerkstoffe für Studium und Praxis
Автор: Janko Auerswald
Издательство: John Wiley & Sons Limited
Жанр: Техническая литература
isbn: 9783527835218
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Abb. 2.7 Schematische Darstellung einer Stufenversetzung. Die Stufenversetzung ist mit dem Bild der eingeschobenen Halbebene so wie hier gezeichnet am leichtesten zu verstehen und reicht für ein einfaches Verständnis der plastischen Verformung in Metallen vollkommen aus. Die Sprungrichtung der Atome (Burgersvektor b) ist senkrecht zur Versetzungslinie.
1D: Versetzungen
Dieser Liniendefekt soll am Beispiel einer Stufenversetzung erläutert werden (Abb. 2.7). Eine Stufenversetzung kann man sich als eine im Kristall eingeschobene Gitterebene vorstellen. Die Versetzungslinie und damit der eigentlich gestörte Gitterbereich ist die Begrenzungslinie dieser eingeschobenen Ebene. In Metallen sind Versetzungen für die plastische Verformung bei Raumtemperatur verantwortlich. (Bei hohen Temperaturen tragen auch Leerstellen und Korngrenzen durch Diffusionsprozesse zur plastischen Verformung bei.) In Halbleiterwerkstoffen, die aus epitaktischen Schichten bestehen (z. B. Quantenfilmlaser), sind Stufen-Fehlpassungs-Versetzungen an der Grenzfläche Schicht-Substrat unerwünscht, da sie dazu führen, dass keine Photonen (Laserlicht), sondern Phononen (Gitterschwingungen) entstehen. Versetzungen entstehen bereits bei der Kristallisation. Sie werden auch in großer Zahl bei der plastischen Verformung erzeugt. Von sogenannten Frank-Reed-Quellen breiten sie sich auf einer Gleitebene als kreisförmige Linien aus wie Wellen auf dem Wasser, in das ein Stein geworfen wurde. Segmente des Kreises haben Stufencharakter (Stufenversetzung), andere Segmente 90° dazu verdreht haben Schraubencharakter und die Segmente dazwischen gemischten Charakter.
2D: Korngrenzen und andere Flächendefekte
Die meisten technischen Werkstoffe sind polykristalline Werkstoffe, d. h., sie sind aus einer Vielzahl kleiner Kristalle, den sogenannten Körnern aufgebaut. Die Körner entstehen z. B. beim Erstarren einer Schmelze, indem die Kristallisation an vielen Orten gleichzeitig einsetzt (Abb. 2.8). An den Korngrenzen stoßen die aus der Schmelze wachsenden Körner zusammen. Korngrenzen sind stark ungeordnete Bereiche im Kristallgitter und können in der Regel von Versetzungen nicht überwunden werden. Aus diesem Grund sind sie auch als Anhäufung von Versetzungen zu verstehen. Korngrenzen behindern die Wanderung von Blochwänden und damit die Ummagnetisierung in Weichmagneten, z. B. Trafoblechen.
Abb. 2.8 Entstehung von Körnern und Korngrenzen bei der Kristallisation aus der Schmelze (a) über Keimbildung (b) und Wachstum der Kristallite (c) bis zum schematischen polykristallinen Gefüge mit Körnern und Korngrenzen (d). Die kleinen Kristallite sind typischerweise ca. 10 100 pm groß und werden Körner genannt. Die Bereiche, wo sie nach dem abgeschlossenen Kristallwachstum zusammenstoßen, heißen Korngrenzen. Diese sind ca. 10100nm breit.
Außer Korngrenzen gibt es noch andere Flächenfehler wie Zwillingsgrenzen oder Stapelfehler, die beide bevorzugt in hdp und kfz Strukturen auftreten. Von einem Stapelfehler spricht man, wenn z. B. in einem kubisch-flächenzentrierten Gitter der Zählrhythmus in der Schichtenfolge der dichtest gepackten Gitterebenen nicht ABC ABC, sondern ABC BC ABC (intrinsischer Stapelfehler) oder ABC B ABC (extrinsischer Stapelfehler) lautet, wenn also lokal die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen gestört ist. Zwillingsbildung basiert auf einer Spiegelebene in der Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen nach dem Muster ABC ABC|BAC. Dazu sind mindestens drei übereinanderliegende Stapelfehler nötig. Stapelfehler und Zwillingsbildung tragen ebenfalls zur plastischen Verformung bei. In Ni-Ti-Formgedächtnislegierungen (Nitinol) dominiert die Zwillingsbildung sogar aufgrund der geringen Stapelfehlerenergie.
3D: Ausscheidungen
Zu den Ausscheidungen gehören z. B. Zementit in Stahl, Yz-Ausscheidungen in Su-perlegierungen(Abb. 2.9)oder Ausscheidungen in Cu-Be-Kontaktwerkstoffen. Ausscheidungen können als eigenständige Phase innerhalb von kristallinen Körnern auftreten (z. B. Ni3Al-Ausscheidungen in kfz Nickel-Mischkristall-Körnern von Superlegierungen). In diesem Fall können sie von Versetzungen geschnitten, umgangen oder überklettert werden, was bei Korngrenzen nicht der Fall ist.
Oft treten Ausscheidungen an Zentren erhöhter Energie auf, z. B. den Korngrenzen. Ausscheidungsphasen sind Phasen und haben natürlich auch Phasengrenzen. Diese wiederum kann man als zweidimensionale Gitterdefekte anschauen. Eine Phase ist ein in sich homogener Teil eines Werkstoffs bezüglich chemischer Zusammensetzung, Struktur und Eigenschaften. Es existieren ein- und mehrphasige Werkstoffe. Die Phasen sind voneinander getrennt durch sogenannte Phasengrenzen. Man unterscheidet kohärente, teilkohärente und inkohärente Phasengrenzen. Die Kohärenz beschreibt den Grad der Übereinstimmung der Gitterparameter und Kristallorientierung. Ausscheidungshärtung ist das Mittel der Wahl für Kontaktwerkstoffe, da der elektrische Widerstand nicht so signifikant ansteigt wie bei Mischkristallhärtung. Auch Hochtemperaturlegierungen enthalten oft Ausscheidungen.
Abb. 2.9 Ni3AL-yz-Ausscheidungen (hell) in einem Nickel-Mischkristall (dunkel)von Superlegierungen für Turbinenschaufeln. Zu sehen ist die Weak-Beam-Aufnahme eines Transmissionselektronenmikroskops (TEM) in der nur die Ausscheidungen als zweite Phase hell leuchten.
Im Fall der kohärenten Phasengrenze ist die Passung zwischen den beiden Phasen sehr gut, bei der inkohärenten Phasengrenze sehr schlecht (Abb. 2.10). Phasengrenzen sind von Bedeutung für die Aushärtung von Al-, Ti-, Ni- und Cu-Legierungen. Durch die Erzeugung von kohärenten Zweitphasen (Ausscheidungen) entstehen Kohärenzspannungsfelder, welche die Versetzungsbewegung behindern. Dies führt zu einer Erhöhung der Festigkeit und Härte des Werkstoffs.
2.3 Elastische Verformung
Bei der Verformung von Metallen werden zunächst die Bindungskräfte (,,Feder-kräfte“) zwischen den Atomen beansprucht. Nach Wegnahme der Kraft federn die Atome in ihre Ausgangslage zurück (elastische Verformung). Der Elastizitätsmodul (E-Modul, in GPa) ist ein Maß für den Widerstand gegen diese elastische Verformung (reversibel). Je höher der E-Modul, desto schwieriger ist die elastische Verformung (hohe Federkraft) und desto geringer der thermische Ausdehnungskoeffizient (Abb.2.11 und 2.12).
Abb. 2.10 Kohärenz von Ausscheidungen. (a) Inkohärent, Gitterebenen laufen in der Ausscheidung nicht weiter; (b) kohärent, Gitterebenen laufen in der Ausscheidung weiter. Das Gitter um die kohärente Aus-scheidung ist weitreichend verspannt. Die Ausscheidung wirkt als Versetzungshindernis damit weiter in den Kristall hinein, als es ihre eigentlich geringe Größe vermuten ließe. Dies führt zu einer hohen Festigkeit.