Название: Grundkurs Berufsrecht für die Soziale Arbeit
Автор: Markus Fischer
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783846351451
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1.3 Kirchliches Arbeitsrecht
Für die Caritas als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche arbeiten beruflich ungefähr 620.000 Personen in Deutschland (Caritas 2018). Bei der Diakonie, dem Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirche, arbeiten ungefähr 465.000 hauptamtliche MitarbeiterInnen (EKD o. J.). Das kirchliche Arbeitsrecht ist aufgrund der hohen Beschäftigungszahlen daher auch für das Berufsrecht in der Sozialen Arbeit bedeutsam. Im Folgenden werden die Grundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts dargestellt.
Nach Art.140 GG i. V. m. Art.137 Abs. 3 S.1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der gesetzlichen Schranken. Dieser Grundsatz gilt auch für ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen, wenn sie einen Teil des kirchlichen Auftrags wahrnehmen und erfüllen (Linck in: Schaub 2017, § 184 Rn. 4). Der allgemeine arbeitsrechtliche Schutz durch die Arbeitsgerichte besteht auch im kirchlichen Arbeitsrecht, wenn nicht in innerkirchlichen Angelegenheiten ausschließlich kirchliches Recht angewandt wird und kein effektiver Rechtsschutz durch kircheneigene Gerichte oder Schlichtungsgremien gewährleistet ist wie zum Beispiel beim kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht(vgl. Linck in Schaub 2017, § 184, Rn. 7).
Die Arbeitsbedingungen für die kirchlichen ArbeitnehmerInnen werden durch arbeitsvertragliche Richtlinien (AVR) bestimmt. Diese Richtlinien können als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vertraglich einbezogen werden, wobei sie der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen (vgl. Linck in: Schaub 2017, § 35 Rn 74). Die Erschaffung eines Arbeitsvertragsrechts durch kirchliche Kommissionen statt durch einen Gesetzgebungsakt oder Tarifvertrag wird als „Prinzip des Dritten Weges“ bezeichnet (vgl. Linck in: Schaub 2017, 2019 f.). In ihren Einrichtungen werden mit den arbeitsvertraglichen Richtlinien die arbeitsvertraglichen Bedingungen gestaltet.
Literatur
Papenheim, H-G. (2007): Arbeitsrecht für Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen im kommunalen Dienst. Ein Leitfaden zu TVöD und Arbeitsvertragsrecht, Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main
Thiel, A. (2011): Kleines Kompendium zum kirchlichen Arbeitsrecht. Katholische Kirche, Luchterhand, Köln
Anke, H. U., de Wall, H., Heinig, H. M. (Hrsg.) (2016): Handbuch des evangelischen Kirchenrechts, Mohr Siebeck, Tübingen
1.4 Der praktische Fall: Die Einzelfallhelferin
Elisabeth ist eine anerkannte Sozialarbeiterin und auf der Basis eines Vertrages über freie Mitarbeit als Einzelfallhelferin in Bezug auf Aufgaben nach §§ 53, 54 SGB XII beim Sozialverein e. V. tätig. Sie erhält ein Stundenhonorar in Höhe von 18,00 Euro und hat ihre Aufgaben höchstpersönlich zu erfüllen. Sie unterliegt dem Vertrag nach keinen Weisungen in Bezug auf die Gestaltung ihrer Tätigkeit. Einmal im Monat hat sie an der Teambesprechung teilzunehmen. Sie arbeitet acht Stunden pro Woche und kann einen Raum für freie Mitarbeiterinnen bei Bedarf nutzen.
1. Liegt ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag vor?
2. Inwiefern ist es bedeutsam, ob ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag vorliegt?
3. Ändert sich an der Beurteilung des Sachverhalts etwas, wenn entgegen der vertraglichen Vereinbarung Elisabeth Weisungen erhalten würde und täglich in den Räumen des Vereins anwesend sein müsste?
4. Elisabeth hat in den letzten drei Jahren jeweils Weihnachtsgeld von dem Verein bekommen. Wovon hängt es ab, dass sie in den nächsten Jahren einen Anspruch auf das Weihnachtsgeld hat?
5. Elisabeth hat einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der Sozialverein ist eine Einrichtung der Caritas, welcher Bezug nimmt auf die Richtlinien für Arbeitsverträge in Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes. Elisabeth ist mit den Richtlinien nicht einverstanden. Können die Richtlinien einer AGB-Kontrolle unterzogen werden?
2 Die Begründung des Arbeitsverhältnisses
Aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen setzt die Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Stellensuche voraus. Bei erfolgreicher Suche kommt es anschließend zu einem Vertragsschluss. Vor dem Vertragsschluss muss geprüft werden, ob der Vertragsinhalt für die ArbeitnehmerInnen annehmbar ist.
2.1 Anbahnung des Arbeitsverhältnisses
Für das Suchen einer freien Stelle nach einer Kündigung besteht gegen die ArbeitgeberInnen ein Anspruch auf Freizeit zur Stellungssuche gem. § 629 BGB. Aus der Sicht der ArbeitnehmerInnen besteht eine Möglichkeit zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses im Lesen von Stellenanzeigen. Sowohl für die Beurteilung von Stellenanzeigen also auch für die Einschätzung von Fragen im Vorstellungsgespräch und anschließenden Absagen ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bedeutsam.
Übersicht 3
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
1. Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1
1.1 Schutzbereich
1.1.1 persönlich: Beschäftigte (§ 6 Abs. 1)
1.1.2 sachlich: Diskriminierungen i. S.v. § 1 u. a. in arbeitsrechtlichen Kontexten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2
1.2 Eingriff
1.3 Rechtfertigung: Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen
1.3.1 des Alters (§ 10)
1.3.2 der Religion oder Weltanschauung (§ 9)
1.3.3 beruflicher Anforderungen (§ 8)
1.3.4 positiver Maßnahmen (§ 5)
2. Rechtsfolge bei Verstoß gegen § 7 Abs. 1
2.1 Entschädigung und Schadenersatz nach § 15
2.2 Unwirksamkeit von Verträgen nach §§ 134 BGB, 7 Abs. 2 AGG
2.3 Verletzung einer Vertragspflicht gem. § 7 Abs. 3
2.1.1 Stellenanzeige
Eine Stellenanzeige beinhaltet eine Aufforderung von ArbeitgeberInnen zur Bewerbung auf eine Beschäftigungsmöglichkeit (Schaub/Koch 2018, 617). Nach § 11 AGG darf eine Stellenanzeige nicht gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG verstoßen. Wenn die Ausschreibung gegen dieses Verbot verstößt, wird gem. § 22 AGG vermutet, dass die ArbeitgeberInnen gegen das Benachteiligungsverbot bei der Personenauswahl verstoßen haben. Die ArbeitgeberInnen müssen dann Tatsachen vortragen, welche diese Vermutung widerlegen. Wenn solche Tatsachen nicht vorgetragen werden, kann dies zu einem Entschädigungsanspruch der BewerberInnen gegen die ArbeitgeberInnen führen (LAG Hessen 15.6.2015 – SA 1619/14).
Wenn beispielsweise mit einer Stellenanzeige ein junger Sozialarbeiter für ein Frauenhaus mit Lichtbild gesucht wird, kann die Anzeige gegen das Benachteiligungsverbot wegen Benachteiligungen aus Gründen des Alters, des Geschlechtes und der ethnischen Herkunft im Sinne von § 1 AGG verstoßen.
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