Demokratie? Frag doch einfach!. Martin Oppelt
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Название: Demokratie? Frag doch einfach!

Автор: Martin Oppelt

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия: Frag doch einfach!

isbn: 9783846354469

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СКАЧАТЬ die Institution des allgemeinen und freien Wahlrechts sowie die prinzipielle Öffnung der Zugänge zu politischen Ämtern und unterschiedlichen institutionellen Möglichkeiten der Teilhabe am politischen Leben gewährleistet. Schließlich entwickelte sich der demokratische Staat zum Kulturstaat weiter, der die Bildung für alle Bürger*innen, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und die Schaffung von Gerechtigkeit im internationalen Kontext, etwa in Fragen des Friedens und der Ökologie, voranbringen soll. Gegenwärtig lassen sich zudem die Auswirkungen eines bereits länger laufenden Wandels der demokratischen Staatlichkeit hin zu einem nationalen Wettbewerbsstaat als historisch neuem Typus kapitalistischer Herrschaft beobachten. Dieser muss sich laut dem Politikwissenschaftler Joachim HirschHirsch, Joachim (*1938) im globalen Wettbewerb um die besten Investitionsbedingungen für das internationale Kapital gegen konkurrierende Staaten durchsetzen, woraus ein enormes Bedrohungspotenzial für den liberalen Rechtsstaat erwächst, insofern dieser als Investitionshemmnis und damit Hindernis für die Finanzströme gesehen und entsprechend bekämpft wird.

      Literaturtipp | Über das Verhältnis von Staat und Kapitalismus schreibt J. Hirsch in seinem Buch Der nationale Wettbewerbsstaat. Staat, Demokratie und Politik im globalen Kapitalismus, ID-Verlag 1995. Die Notwendigkeit eines Staats als Korrektiv gegenüber den Märkten beschreibt R. Voigt in Der Januskopf des Staates. Warum wir auf den Staat nicht verzichten können, Franz Steiner Verlag 2009.

      Was sind mögliche Alternativen zum Nationalstaat?

      Der Sozialphilosoph Daniel LoickLoick, Daniel (*1977) erforscht die Bedeutung der von ihm so genannten Subalternen Sozialitäten, also der Lebenszusammenhänge von sozialen Gruppen, die gegenüber der privilegierten Mehrheitsbevölkerung benachteiligt werden und aus dem berechtigten Gefühl der Ohnmacht heraus alternative Lebensformen jenseits des klassisch nationalstaatlichen Rahmens entwickeln. Hierunter fasst er zum Beispiel queere Gemeinschaften, die sich in bewusster Abgrenzung von heterosexistischen Geschlechterverhältnissen und der bürgerlichen Kleinfamilie politisch und auch demokratisch organisieren. Ebenso zählt er diasporische Communities von Migrant*innen und Geflüchteten in Großstädten und Lagern dazu, die sich von den hegemonialen Subjektivierungsformen der bürgerlichen Gesellschaft emanzipieren und in einer so genannten präfigurativen Praxis mögliche zukünftige Alternativen zur nationalstaatlichen Demokratie experimentell vorwegnehmen. In diesen alternativen und aktivistischen Kontexten, etwa auch im Rahmen der Platzbesetzungen, Protestcamps und der radikalen Ökologiebewegung der jüngeren Vergangenheit (siehe hierzu auch die Frage zu den Protestbewegungen), wird aus der Kritik an den negativen Aspekten nationalistisch und kapitalistisch organisierter demokratischer Gemeinschaften heraus versucht, alternative Verständnisse von Arbeit, neue Identitäten und damit verbunden auch neue Institutionen und solidarischere Formen des Miteinanders zu entwickeln. Für Loick stellen die Erfahrungen von Migrant*innen in der Diaspora, denen seitens der Nationalstaaten vollwertige Staatsbürgerschaften verwehrt werden, sowie ihre Fähigkeiten, Verbindungen über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg zu knüpfen, also die Möglichkeit bereit, Demokratie jenseits des Nationalstaates vorwegzunehmen. Statt weiter vergeblich auf die Anerkennung durch Politik, Verwaltung und Mehrheitsgesellschaft der Nationalstaaten zu hoffen, ziehen sie sich aus den etablierten vertikalen Machtverhältnissen zurück und formieren Gegengemeinschaften, deren Mitglieder sich horizontal, also gegenseitig anerkennen und dadurch subalterne Handlungsfähigkeit ausbilden.

      Kann die Stadt eine Alternative zum Nationalstaat sein?

      Der Politikwissenschaftler Paul SörensenSörensen, Paul (*1983) hat soziale Bewegungen analysiert, die sich auf die Stadt als den Ort emanzipatorischer und progressiver politischer Bestrebungen konzentrieren, etwa die Recht-auf-Stadt-Initiativen, das Solidarity-City-Netzwerk, die Sanctuary-Cities in den USA und Großbritannien oder die munizipalistischen Bewegungen im Anschluss an die Platzbesetzungen 2011 und 2012 in Spanien. Er deutet diese Interventionen, die ganz zentral die Stadt als den Ort politischer Transformationsprozesse begreifen, als Praktiken eines transnationalen WiderstandsWiderstandtransnationaler, der jedoch nicht einfach nur rein negativ gegen den Nationalstaat gerichtet ist, sondern diesen in einer welterschließenden Absicht transformieren möchte. Anstatt also nur dem Staat den Gehorsam zu verweigern, geht es auch hier zentral darum, alternative Formen von Sozialität und SubjektivitätSubjektivität vorzuleben und neue Ordnungen zu erschaffen, die dereinst das Modell des Nationalstaats ablösen könnten. Einmal im Sinne einer alternativen Globalisierung der Vernetzung von politischen Akteur*innen über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg und zum anderen in Form der Infragestellung des staatlichen Monopols auf territoriale SouveränitätSouveränität, was vielleicht den Weg für eine post-territoriale Form der Bürger*innenschaft bereiten kann.

      Literaturtipp | Vier Literaturtipps zum Thema Widerstand und Bürger*innenschaft, in denen es u.a. darum geht, welches emanzipatorische Potenzial urbane Protestbewegungen haben und wie sich deren Erstarken deuten lässt: Harvey, D.: Rebellische Städte. Vom Recht auf Stadt zur urbanen Revolution, Suhrkamp 2013; Loick, D.: Wir Flüchtlinge. Überlegungen zu einer Bürgerschaft jenseits des Nationalstaats, in Leviathan 45, 2017, S. 574–591; Loick, D.: Subalterne Sozialität. Zur normativen Struktur von Gegen-Gemeinschaften, in Jahrbuch Praktische Philosophie in globaler Perspektive 4, 2020, S. 105–134. Sörensen, P.: Widerstand findet Stadt. Präfigurative Praxis als transnationale Politik ‚rebellischer Städte‘, in Zeitschrift für Politische Theorie 1, 2019, S. 29–48.

      Welche demokratischen Regierungsformen gibt es?

      Es existieren unterschiedliche Arten und Weisen, das Prinzip der Volksherrschaft im Rahmen des Nationalstaats und gemäß dem Prinzip der GewaltenteilungGewaltenteilung umzusetzen. Jede kann dabei als eine Antwort auf die grundlegenden Fragen der Demokratie verstanden werden: wer zum demosdemos gehört und in welcher Art und Weise dessen Herrschaft organisiert wird. In den politischen Systemen sowie Regierungsformen drücken sich also spezifische politisch, historisch, sozial, ökonomisch und kulturell bedingte Interpretationen von Demokratie aus, denen eine Struktur und ein Regelwerk gegeben wurde. Eine der zentralen Grundfragen war dabei seit jeher das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten, das von einer unterstellten IdentitätIdentität, etwa in den Theorien direkter Demokratie, bis hin zur größtmöglichen DifferenzDifferenz in eher konfliktorientierten Demokratietheorien reicht, die dann in der Praxis auf das Prinzip der → RepräsentationRepräsentation zurückgreifen. Die demokratischen Regierungsformen werden dann danach unterschieden, wie sie die Bestellung und Legitimation der Regierung, also der Spitze der Exekutive, organisieren. Hier unterscheidet man vor allem präsidentielle von parlamentarischen Systemen und danach, ob die Institutionen im Einzelnen sowie das System als Ganzes eher auf Konfliktvermeidung, Konsens, oder aber auf Streit und die offene Austragung von KonfliktenKonflikt ausgerichtet ist. Im ersten Fall spricht man in der Forschung von Konsens- oder Konkordanzdemokratien, im zweiten Fall von Mehrheits- oder Konkurrenzdemokratien. In der Realität sind die Demokratien Mischformen und die Modelle daher als Idealtypen zu verstehen. Konkurrenzdemokratien zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sie Macht und GewaltGewalt sehr stark konzentrieren und die Durchsetzung politischer Programme über die Herstellung parlamentarischer Mehrheiten befördern. Konsensdemokratien setzen hingegen auf das Prinzip der Machtteilung und bemühen sich um einen möglichst hohen Grad an InklusionInklusion unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Gruppen. Konkurrenzdemokratien werden zudem meist durch Einparteienregierungen in Zweiparteiensystemen angeführt, das Wahlsystem wird über ein Mehrheitswahlrecht organisiert und dem Parlament kommt die Letztentscheidung in der Legislative zu. Konkordanzdemokratien setzen СКАЧАТЬ