Kleines Bernstein. Rasa Aškinytė
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Название: Kleines Bernstein

Автор: Rasa Aškinytė

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783963115936

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СКАЧАТЬ um, versuchten die nicht vorhandenen Uferfeuchtkäfer, Schnellkäfer und Waldmaikäfer totzuschlagen, aber was hätten sie denn totschlagen sollen, wenn da nichts war?!

      Alle waren so mit der Käfersuche beschäftigt, dass sie gar nicht sahen, wie Bentis sich auszog, nackt über die Felder lief und dabei wer weiß was herumschrie, während seine leicht angeschwollene Männlichkeit, die er nicht nur nicht verbarg, sondern ganz offen zur Schau stellte, hin und her baumelte. Das war schon für einen einfachen Mann eine unerhörte Schamlosigkeit, ganz zu schweigen vom Sohn des Anführers. Gondas schickte gleich mehrere seiner Männer aus, um ihn einzufangen, sie wurden Bentis schon nach kurzer Zeit habhaft, fesselten ihn mit Stricken und bedeckten ihn ein wenig, auch wenn der sich nach Kräften wehrte, sich schreiend hin und her wand und sogar zu beißen versuchte. Sie schleppten ihn nach Hause, schlossen ihn ein, verbarrikadierten die Tür, einige der Männer blieben als Wache zurück.

      Fast drei Tage brachte Bentis in diesem Wahn zu, erst dann schlief er ein. Wer nichts gesehen hatte, schwieg, und wer es gesehen hatte, machte den Mund nicht auf, denn Gondas war gut, aber wenn er in Wut geriet, konnte er einen eigenhändig mit dem Speer durchbohren, bevor man auch nur einen Mucks von sich gab, da kannte er kein Erbarmen.

      Die Gäste gingen auseinander, beluden ihre Wagen mit Gondas’ Geschenken, schlugen sich die Bäuche voll und zechten, ohne sich groß zu wundern, Soldaten bekamen ja noch ganz anderes zu Gesicht. Der Sohn des Anführers, na und? Beim Sterben sind alle gleich.

      »Gib ihm Wasser«, hieß die Alte mit den Wolfsbissen am Bein Selija.

      Selija gab ihm immer mehr Wasser und hörte nicht auf damit, bis Bentis wirklich zur Ruhe kam und dann genas, danach war er wieder ganz der Alte.

      9. Regen

      Als sie sich um Bentis keine Sorgen mehr machen musste, bemerkte Selija, dass mit ihr selbst etwas nicht stimmte. Sie war schwanger. Vielleicht hatte sie ja zu wenig vom Gebräu der Alten getrunken, oder er hatte nicht gewirkt, oder vielleicht hatte die verfluchte Hexe ihn auch zu schwach zubereitet. Selija war schwanger, also musste sie es noch einmal versuchen.

      Selija griff zum Tongefäß mit dem Tollkirschensud, den sie aus Vorsicht zur Seite gestellt hatte, jetzt würde sie ihn ganz austrinken, wer weiß, was dann kam, vielleicht würde sie vom Wahn heimgesucht über die Felder rennen, laut schreien und um sich schlagen, den Regen herbeirufen, was sonst hätte die Kraft, alles auszuwaschen, bis man sie einfing, fesselte und einsperrte, doch vielleicht wäre sie ja dann losgeworden, was sie nicht wollte.

      Der Krug war leer. Bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken, so hatte es Selija es gewollt. Aber warum hatte das, was für das eine Kind bestimmt war, ein anderes getrunken?

      10. Tränen

      Ich bin gar nicht Glesum, mein Name ist Blindė. Ich wurde in einen anderen Stamm hineingeboren, der auch zu den Ästiern gehört, aber das weiß hier niemand und das ist gut so. Ich schweige, sage zu keinem ein Wort, damit niemand merkt, wie ähnlich einander unsere Sprachen sind. Wir wohnen noch weiter weg vom Meer, das weiß ich, denn auch unsere Männer fahren zuweilen an die Küste für Bernstein, aber nicht so oft wie Gondas – wir wohnen weiter weg, es ist nicht einfach für uns, die Küste zu erreichen und den anderen Händlern zuvorzukommen. Wir leben nicht schlecht, auch ohne Bernstein, bauen Weizen an und haben Vieh, dazu Bienen, die uns Honig und Wachs gaben, die tauschen wir gegen römisches Geld und andere Reichtümer ein, die die Bernsteinhändler von dort mitbringen, wir haben von allem genug, sogar mehr als genug.

      So hätte ich denn dieses wunderbare Leben gern weitergeführt, aber ich war hässlich, sah anders aus als die anderen, braunes Haar, braune Augen, niemand wollte ein solches Mädchen, alle schubsten mich herum, aber Essen bekam ich, über zu viel Arbeit konnte ich auch nicht klagen, ich musste nur Eicheln einsammeln für die Schweine, in härteren Wintern auch für die Menschen, das war’s schon. Aber mein Name war scheußlich, man sagte, da sei eine Frau gewesen, sehr fruchtbar, sie habe aus jedem beliebigen Körperteil gebären können, sogar aus den Beinen und Armen, und so habe sie die Göttermutter aus Wut in eine Salweide verwandelt, in unserer Sprache Blindė, grün, aber unfruchtbar. Man sagte, wer so hässlich wie ich sei, brauche keine Kinder, die Abscheulichkeit müsse mit mir enden, aber was wusste ich Kind denn schon?

      Ich hätte immer so weitergelebt, vielleicht nicht ganz so wunderbar, doch als ich im Wald umherstreifte und nach Eicheln oder wer weiß was Ausschau hielt, ich weiß selbst nicht mehr, wonach, vergaß ich mich völlig, es regnete Bindfäden, da spürte ich plötzlich, dass mich jemand an den Haaren packte, ich schrie laut: »Na und, schrei doch, so viel du willst, wer wird schon auf so eine Vogelscheuche hören, da rein, in den Wagen und fertig.«

      Es waren mehrere Wagen, eine ganze Kolonne, ich fuhr zum ersten Mal irgendwohin, wer sollte mich auch herumkutschieren, der Wagen war aus Holz, er holperte so, dass ich mich übergab, bis man mich so mit Fäusten und Füßen bearbeitete, dass ich mich beruhigte. Die anderen Wagen waren vollbeladen mit Sachen und blickfest zugedeckt, nur in einige ganz hinten – wie kleine Häuschen mit Gittern – hatte man ebenso unglückselige Schmutzfinken wie mich gepfercht, nur hübschere. Die meisten davon Frauen und Kinder, die konnten sie leichter einfangen, unterwegs kamen Männer hinzu, die die Wagen anzugreifen versuchten, die wurden eingefangen, gefesselt und landeten bei uns.

      Wir fuhren lange durch die Gegend, die Sonne ging auf, die Sonne ging unter, Tag für Tag, die Sprache der Menschen wechselte immer wieder, man gab uns ein wenig zu essen und zu trinken, wir durften abwechselnd auf dem Wagenboden schlafen, der Wagen ratterte und holperte, bis wir vergaßen, wer wir waren und wo wir herkamen.

      Als die Straßen langsam besser wurden, fest und aus Stein, erreichten wir das Land der Krieger und Händler, man hieß uns aussteigen, wir stanken, waren voller Schmutz, man musterte uns von oben bis unten, befahl uns zu schweigen und uns um Kreis zu drehen; dann tauschte ein dickbäuchiger Mann mit einem glänzenden Ring am Finger mich gegen Geld ein, mich und noch ein paar hübschere Frauen, ich weiß gar nicht, warum er mich, so hässlich und klein, zusammen mit ihnen nahm.

      Die Fahrt ging weiter, diesmal dauerte sie nicht ganz so lange, wir gelangten in eine riesige Stadt (später sagte man mir, sie heiße Aquileia, doch damals war mir das egal, Hölle ist Hölle, wie immer du sie auch nennen magst), eine, wie ich sie mir nicht einmal im Traum vorgestellt hätte. Man ließ mich an einer Mauer frei, vor einem Tor – weißes zweistöckiges Haus, rotes Dach, das Wasser schoss in Strahlen empor und fiel in große Becken hernieder, nicht nur auf dem Hof, sondern auch in den Gemächern, auf den Innenhöfen spazierten Vögel, große mit farbigen Schwanzfedern herum; dazu kamen die allerschönsten Bäume, Sträucher und Blumenbeete, hübsch zu allen möglichen Figuren zurechtgeschnitten, die Wände im Inneren mit Bildern von Mensch und Natur bemalt; dazu andere Bildnisse aus Stein, wie echt, ein Großteil des Daches fehlte, da war ein Loch, durch das so viel Sonnenlicht hereinstrahlte, dass alles im Inneren funkelte, während der Himmel sich überall im Wasser spiegelte. Ein buntes Farbenspiel wie im wundersamsten Traum – Mosaike an den Wänden und am Boden, farbenfrohe Stoffe – und auch die Stühle ganz weich, die Betten mit unzähligen weichen Stützen.

      Ich war hin und weg, konnte keinen Schritt mehr gehen, man musste mich mit Gewalt von dort wegzerren. Ich erlangte meine Fassung wieder, gewöhnte mich an alles, wenn niemand es sah, weinte ich noch, ganz leise, um nicht aufzufallen, ich hatte doch ein paradiesisches Leben. Meine Arbeit bestand darin, der Dame des Hauses die Kleider bereitzulegen und ihr beim Anziehen zu helfen. Das war es auch schon. Meine Herrin besaß von allem im Überfluss, ganze Zimmer waren vollgestellt und -gehängt, der Schmuck fast ausnahmslos aus Gold, in separaten Kästchen verstaut. Sie pflegte sich schön zu machen und für den ganzen restlichen Tag zu verschwinden, vergnügte sich mit Frauen und Männern, war frei, so sehr es СКАЧАТЬ