Название: Unabwendbare Zufälligkeiten
Автор: Inge Borg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961360710
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Einleitung
Was soll ich da noch hinzufügen oder gar besser machen?, überlegte Susanne Schnells und schwenkte in Gedanken verloren den Pinsel im Wasserglas hin und her. Für dieses ganz spezielle Gemälde stand der Platz im Wohnzimmer bereits fest. Sie erschuf es nur für Michael und sich selbst, es würde nicht verkäuflich sein.
Ich sollte schon einmal einen schönen Rahmen kaufen, dachte sie wiederholt und bedauerte immer noch, dass Mark es nie würde sehen können, dazu war es zu spät. Obwohl er sie genau zu diesem Motiv animierte, vor etlichen Jahren. Sie schmunzelte, vielleicht schaut er ja von irgendwo her zu …
Seit Wochen nahm sie sich vor, neue Leinwand zu kaufen und Rahmen, zumindest schon mal den für dieses Gemälde. Nach vielen Jahren wollte sie ihr Hobby wieder zu Geld machen, das war ihr festes Ziel! Sie verließ ihr Zimmer, lief die Treppe hinab und da stand auch ihr Entschluss fest: Heute, genau jetzt, warum es immer noch weiter hinaus zögern? Ich fahre in die Stadt.
1
Susanne Schnells eilte zum Parkplatz. Den Autoschlüssel schon in der Hand, blieb sie für einige Sekunden an ihrem Wagen stehen, kopfschüttelnd öffnete sie dann die Tür und stieg ein. Der soeben unfreiwillig gehörte oder schon mehr miterlebte Klatsch und Tratsch zog noch einmal in ihrem Innern vorbei.
Sie waren nach ihr in das kleine Steh-Café gekommen, zwei Frauen wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Eine vollschlank, eher klein zu bezeichnen und ihre Stimme leise, unauffällig. Die andere hoch gewachsen schon beinahe dürr, dafür aber laut redend, ja sehr laut sogar und immer mit flinken Augen umherschauend, vermutlich um festzustellen, ob nur ja auch alle Anwesenden mithörten.
Susanne hasste derartiges Getratsche, sie versuchte nicht hin zu hören, aber bei diesem überlauten Wortwechsel war es nur bei einem Versuch geblieben. Das Gerede war derartig aufdringlich und direkt an ihre Ohren gedrungen, dass sie bestürzt aufgesehen und dann erst diese beiden Frauen wirklich wahrgenommen hatte. Anscheinend ging es denen um eine weitere, eine dritte Person, ebenfalls eine Frau. Diese erdreistete sich offensichtlich mit über fünfzig Jahren einen Mann zu heiraten, der nach Meinung der Lauten um etliche Jahre jünger sein dürfte als diese und der es bestimmt auch nur auf ‚versorgt sein‘ anlegte. ‚Der ist doch ein Filou, wie er im Buche steht! Und sie tut sich auch noch dicke mit dem Kerl, ich verstehe sie nicht, zeigt ihn stolz überall rum!‘ Irgendetwas wollte wohl die kleinere Dame zu der bisher recht einseitigen Unterhaltung beitragen, doch sie war entschieden zu leise. Ihre Freundin, oder wie immer sie ihr Gegenüber sah, überhörte und übertönte sie lautstark: ‚Das hätte ich nicht von ihr gedacht, dass sie es so nötig hat!‘ So abfällig ausgedrückt ging das auch noch weiter, dieses schäbige Herziehen über jene bestimmte Abwesende.
Für Susanne war das bisher Gehörte mehr als genug. Die Gemütlichkeit in diesem Café war für sie dahin, sie zahlte und verließ das Lokal. Welch ein Glück, ich bin zufrieden wie es ist, brauche mir keinen Filou oder Kerl zu angeln – ganz bestimmt nicht, ganz sicher nicht, und sie fuhr los. Sie war sowieso inzwischen spät dran. Irgendwie musste sie sich total verzettelt, auch ein bisschen das Zeitgefühl verloren haben. Dabei wollte sie doch nur … Es kam ihr vorhin ganz spontan in den Sinn, genau heute, diesen Morgen für einen kleinen Bummel in der Stadt zu nutzen, ein wenig der ländlichen Stille entfliehen oder vielmehr, um in Horsts-Fundgrube einen Blick zu werfen. Horst Patt bekam sie jedoch nicht zu Gesicht. Zu dumm, ich hätte nach ihm fragen sollen, fiel ihr verspätet ein. Immerhin war ihr jetziges privates Gemälde so gut wie vollendet und danach – ob Horst Patt noch an weiteren Bildern von mir interessiert ist?, fragte sie sich. Aber jetzt galt es schnellstens nach Hause zu fahren, den dämlichen Tratsch aus dem Kopf zu bekommen – mein Gott wie blöd –, lieber das Mittagessen auf den Tisch bringen für ihren Sohn und sich selbst. Oft war es nicht mehr vorgekommen in den letzten Jahren, dass sie in die Stadt fuhr, nur so zur Ablenkung schon gar nicht. Doch heute war ihr danach gewesen. Eigentlich gab es keinen Grund die Stadt aufzusuchen, denn sämtliche Einkäufe und Besorgungen konnten im nahen Ort getätigt werden. Es gab nichts, was es dort nicht gegeben hätte – außer, den Bahnhof natürlich und Horsts-Fundgrube, wohin sie einst jahrelang ihre Bilder zum Verkauf brachte. Und genau darum war es ihr auch hauptsächlich gegangen, als sie die blitzartige Idee fassend auf und davon in die Stadt aufbrach. Die Fahrt war umsonst, dachte sie und erkannte: Ich hätte vorher anrufen sollen. Und die Rahmen? Nein! Irgendwie gefiel ihr keiner so wirklich und unschlüssig ließ sie die Finger davon. Na, ja, dass sie dann noch in dem kleinen Café einkehrte, dumm gelaufen.
Immer noch gedanklich etwas abgelenkt, deckte sie den Tisch. In der Pfanne brutzelte das Fleisch und jeden Moment konnte … Da fiel mit einem lauten Krachen die Haustüre ins Schloss. Michael – ach du liebe Zeit, was war ihm denn jetzt schon wieder in die Quere gekommen?
Im nächsten Moment flog die Küchentür auf, der Schulranzen wurde unsanft abgestellt und Michael flappte sich stumm auf die Bank hinter den Tisch. Es war deutlich sichtbar, irgendetwas musste ihn restlos verstimmt haben. Beide Ellenbogen auf den Tisch und den Kopf zwischen die Hände gestützt ging sein finsterer Blick unter den Augenbrauen durch zu seiner Mutter.
Sie sah ihn prüfend an, das kannte sie ja, dieses plötzliche Aufbrausen, welches zum Glück genauso schnell auch wieder abflaute. Warum nur ließ er sich immer derartig aus der Fassung bringen? „Also, Micha – was ist? Sag schon!“
„Mama, da saß gerade einer am Steg und angelte.“
„Und, du hast ihn gefragt, ob er nicht lesen kann, oder?“
„Ja Mama, hab ich, genau das habe ich zu ihm gesagt, ganz genau so, aber er hat ganz verdutzt rumgeguckt und zurück gefragt, von was ich eigentlich sprechen würde.“ Und dann schlug Michael mit der Faust auf den Tisch. „Mama, unser Schild ist weg! Weg! Es liegt auch nicht im Gras oder Schilf, falls du das meinst, es ist weg, verschwun-den!“
Susanne überlegte, das letzte Mal waren sie im Herbst, etwa Ende November am Fluss gewesen, jetzt war April bald vorbei und sie fragte: „Micha, denk mal nach, im Herbst war doch noch alles in Ordnung, das Schild stand und es war auch nicht wackelig. Und neulich, als du am Steg unser Uferstück bereinigt hast, stand es denn da noch? Und die anderen Hinweise am Parkplatz, waren die auch noch da?“
„Ja klar! Alles war wie immer. Nee Mama, das ist nicht umgefallen, überleg mal, dann müsste es doch irgendwo liegen. Nein, nein das hat jemand verschwinden lassen, mit Absicht!“
„Wozu denn? Welchen Zweck soll das denn haben? Oder, es soll nur ein Streich sein, von Jugendlichen oder so.“
„Mensch Mama – meinst du, die kommen aus dem Ort, laufen fast einen Kilometer, nur für ein Verbotsschild verschwinden zu lassen? So’n Quatsch! Und dann geht auch noch jemand hin und angelt? Rein zufällig oder wie? Das ist doch gewollt!“
Schon komisch, ja. Michaels logischer Gedankengang war nicht vor der Hand zu weisen. Angeln konnte man schließlich am ganzen Fluss entlang, wenn auch nicht so bequem wie vom Steg. Möglicherweise steckte System dahinter. „Sag mal Michael, kanntest du denn den Mann? Ich meine den Angler, und wie hat er reagiert?“
„Genau so sauer wie ich! Er hat seinen Eimer mit den drei gefangenen Fischen in den Fluss gekippt, seine Angel zusammen geräumt, sorry gemurmelt und ist durch den Pfad zurück zum СКАЧАТЬ