Die große Fälschung. P. M.
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Название: Die große Fälschung

Автор: P. M.

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die große Fälschung

isbn: 9783947380459

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СКАЧАТЬ dort aus hätte man direkt zur Industrialisierung gelangen können. Da kommen unbedarfte italische Bauern und bringen alles durcheinander. Also versuchten wir es mit einem Römischen Reich: Aus Bauern machten wir Kaiser, und schließlich hatten wir Antonius bei Kleopatra. Ein völlig irrwitziges Resultat. Immerhin hatten wir die Situation wieder unter Kontrolle. Doch dann kommen diese germanischen Hosenträger daher, und es dauert einige Jahrhunderte länger. Ergebnis: ein germanischer Kaiser. Tausend Jahre verplempert! Der hockt jetzt in seinem Studierzimmer und träumt von einer ottonischen Renaissance in den vier Reichsteilen Gallia, Germania, Sklavenia und Roma. Und nun sieht es ganz so aus, als ob wir einen arabischen oder berberischen Kaiser oder Administrator bekommen und wieder einmal die Religion auswechseln müssen. Unnötige Komplikationen! Dafür werden Tausende sterben – und Leute wie du sind daran schuld. Romantiker, Weltverbesserer, Träumer. Wir könnten längst am Ende sein. Doch ihr wollt Geschichte und sollt sie bekommen!«

      Ich hatte ihm stumm zugehört.

      »Du wirst nie erwachsen werden«, meinte Gerbert. »Aber ich werde dich zwingen, dich wie ein Erwachsener zu verhalten. Du wirst mir eines Tages dafür dankbar sein.«

      Fast hätte ich begonnen, ernsthaft zu argumentieren, doch er hob drohend seinen Zeigefinger und sagte:

       »Du wirst deine Aufgabe erfüllen. Friedrich wird dich im Auge behalten. Und ich habe noch ein paar weitere Agenten im Einsatz, die auf dich aufpassen werden. Wenn du deine Familie gesund wiedersehen willst, dann mach keine Dummheiten. Deine Meinung und deine Vergangenheit interessieren mich nicht. Geschichte wird nicht mit Ideen, sondern mit Taten gemacht. Du bist der ideale Verräter.«

      Meine Nackenhaare sträubten sich. Dann gab er mir die genauen Instruktionen.

      Auch mit Hildebold, der jetzt nach Konstantinopel unterwegs ist, hatte ich ein kurzes, privates Gespräch in einer dunklen Ecke des Burgkorridors.

      »Ich glaube nicht, dass wir uns je wiedersehen werden«, sagte der Ex-Kanzler ungewöhnlich vertraulich. »Ich habe schon viele Krisen erlebt, aber dies ist nicht eine der üblichen Konjunkturschwankungen, wie Gerbert das gerne sähe. Das ganze Projekt ist im Eimer. Ich werde daher versuchen auszusteigen. Ich bin einfach nicht für das Mittelalter geschaffen. Ich brauche einen gewissen minimalen Luxus: eine Dusche, Video, meinen Citroen, HiFi, einen anständigen Bourbon, du weißt schon, was ich meine. Dieses Mittelalter ist zu schäbig für mich. Nicht einmal Unterhosen gibt es. Für ein paar Wochen Abenteuerferien ist es auszuhalten, aber nicht fürs ganze Leben.«

      Ich muss zugeben, dass ich dieses Mittelalter nach anfänglichen Problemen liebgewonnen habe. Die Dinge sind übersichtlich, die Menschen zutraulich, es gibt viel intakte Natur rundherum. Oder noch besser: Es gibt noch gar keine Natur als gesondertes Objekt, einfach nur Welt und ihre ‚natura’, das heißt Beschaffenheit. Die Welt ist zwar innerlich schon falsch programmiert, aber äußerlich noch weitgehend in Ordnung. Wenn man den ganzen religiösen Humbug nicht mitmachen muss, den die Historiker uns andichten, dann lässt sich jetzt durchaus leben. Für die meisten besser als am anderen Ende des Jahrtausends. Von wegen Jammertal! Klar, es fehlen ein guter Espresso, Zigaretten, ein paar Filme, Platten und so weiter, doch das sind Nebensächlichkeiten. Casablanca kann warten. Und sicher wird alles noch besser, wenn wir den tausendjährigen Alptraum, der uns bevorsteht, loswerden können.

      Hildebold berichtete mir, dass in den intakten Weltteilen Evakuationen noch möglich seien. Er war fair zu mir und bot mir an, für mich und meine Familie in Byzanz einige der letzten Plätze zu reservieren. Er konnte nicht begreifen, dass ich ablehnte. Er seufzte und wünschte mir viel Glück.

      Wir umarmten uns. Weg war er. Hat er daran gedacht, dass es seine Zukunft nicht geben kann, wenn eine andere Gegenwart siegt?

      Niemand hat versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen. Das Netz der weißen Federn, das der fahrende Sänger Reinhart aufgebaut hatte, damit ich Informationen an unsere Leute weitergeben konnte, gibt es wohl nicht mehr. Reinhart ist tot. Ich weiß nicht, wem ich noch trauen kann. Gerbert hat mich wirklich im Griff. Ich bin völlig isoliert. Er hat mich mit Friedrich, Kämmerern, Leibwächtern und Sekretären umzingelt. Dazu kam eine schwarze Feder, die ich in meiner linken Tasche gefunden habe. Auch die Corvi, die Raben, die Kriegs- und Arbeitspartei in Venedig, die Reinhart umgebracht und mein Kontaktnetz zerrissen haben, sind also mit von der Partie. Einer der Kaufleute, ein Kammerdiener, einer der Sekretäre könnte ihr Mann sein. Ich will gar nicht wissen, wer es ist. Das Ganze wächst mir über den Kopf. Andererseits: Von mir allein kann es nicht abhängen, ob Gerberts Strategie scheitert oder nicht. Ich glaube nicht an Helden, sondern an die Dynamik der gesamten Entwicklung. Wenn sie zu schwach ist, kann ich auch nicht viel ausrichten. Wenn sie stark genug ist, hat Gerbert keine Chance. Er weiß das natürlich. Er ist der ewige Krisenmanager, der Turnaround-Spezialist für verzweifelte Firmen. Ich werde so viel Schaden anrichten, wie ich kann. Irgendwie werde ich mich durchschlagen und möglichst viel Informationen an meine Leute durchgeben. Details über die Stärke der Invasionstruppen, über ihre Landeorte können wichtig sein. Darum spiele ich weiter mit. Irgendwie werde ich es schaffen. Irgendwie werde ich den Überwachungskokon durchbrechen. Vielleicht gibt es eine Chance in Susah oder in Kairuan oder spätestens auf der Rückfahrt nach Venedig.

      Und dann war da das merkwürdige Gespräch mit Friedrich. Bei der Zwischenlandung in Pantelleria fragte er in einer Taverne bei gebratenen Crevetten:

       »Gibt es überhaupt noch Evakuationen? Weißt du etwas?«

      Wieder diese Evakuationen! Ratten, die das Schiff verlassen wollen. Und ich soll ihnen dabei behilflich sein.

       »Weißt du, Rodulf, ich halte nur durch, weil mir Gerbert eine Evakuation zugesichert hat. Ich habe eine Verlobte – vielleicht ist sie schon drüben.«

      »Ich weiß nichts über Evakuationen«, log ich.

      »Du hast mit Hildebold gesprochen«, beharrte er. »Ich bin sicher, dass er im Bild ist. Gerbert ist ein Hardliner, er kann nicht anders, aber Hildebold …«

       »Ich weiß von nichts.«

       »Ich habe gehört, dass es keine Evakuationen mehr gibt. Am anderen Ende zerfällt alles schneller als hier. So ein Scheißjob. Stell dir vor: Gestrandet im Jahr Tausend.«

       »Ich weiß von nichts. Ich würde es dir sagen.«

      Er nickte, schenkte sich Wein nach.

      »Gut«, stieß er hervor, »wie du willst. Bis jetzt tat ich nur meinen Job. Nun hast du einen Feind. Wenn ich nicht rauskomme, kommst du auch nicht raus.«

      Seit diesem Gespräch hat er nichts mehr gesagt, ist er nur noch ein unheimlicher Schatten. Hätte ich ihn ins Vertrauen ziehen sollen? War es nur ein Trick, ein Test? Hat er meine Nähe gesucht? Ich gehe auf Nummer sicher. Er ist mein Bewacher – ich bin der Bewachte. Das sind die Fakten. Aber vielleicht ist er wie ich Täter und Opfer zugleich. Vielleicht ist dies das üble Spiel, das so viele Jahrtausende schon dauert: Keiner traut keinem, und wenn Vertrauen angeboten wird, wird es abgelehnt. Schließlich weiß schon keiner mehr, wie sich Vertrauen überhaupt anfühlt.

      »Du musst mich besuchen«, sagt Abu Badruk sanft. »Es wird dir sicher gefallen bei mir unter den Mandelbäumen. Du kannst auch die Ruinen Karthagos besichtigen, den Ofen des Moloch, die Knöchlein der geopferten Kinder, die antiken Häfen, falls dich Archäologie interessiert.«

       »Mich interessiert alles.«

       »Ich mache dir meinen Artischockenauflauf mit Sardellen – ein Gedicht.« СКАЧАТЬ