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Название: transformers

Автор: Группа авторов

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783957493873

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      transformers

       digitalität inklusion nachhaltigkeit

      Herausgegeben von

      Juliane Zellner, Marcus Lobbes und Jonas Zipf

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      bruno latour

      prolog

      Solange die Erde noch stabil schien, konnte man von Raum sprechen und sich darin und auf einem Stück Territorium, das wir angeblich besetzt hatten, platzieren. Was aber soll man tun, wenn das Territorium selbst an der Geschichte teilzunehmen beginnt, Schlag auf Schlag zurückgibt, kurzum: sich mit uns beschäftigt? Die Bedeutung des Ausdrucks »Ich gehöre (zu) einem Territorium« hat sich gewandelt: Er bezeichnet jetzt die Instanz, die den Eigentümer in Besitz hat!

      Das TERRESTRISCHE stellt nicht länger allein den Rahmen menschlichen Handelns dar, es ist vielmehr Teil davon. Der Raum ist nicht mehr der mit ihrem Raster aus Längen- und Breitengraden erfasste der Kartografie, sondern ist zu einer bewegten Geschichte geworden, in der wir selbst nur Beteiligte unter anderen sind, die auf Reaktionen anderer reagieren. Augenscheinlich landen wir mitten in der Geogeschichte.

      Sich in Richtung des GLOBALEN aufmachen hieß, auf einen unendlichen Horizont zu immer weiter fortschreiten, eine endlose Grenze vor sich hertreiben; wandte man sich dagegen der anderen Seite zu, hin zum LOKALEN, dann in der Hoffnung, die Sicherheit einer stabilen Grenze und die Geborgenheit einer festen Identität wiederzufinden.

      Dass es uns heute so schwerfällt zu erkennen, welcher Epoche wir angehören, rührt daher, dass dieser dritte Attraktor allen bekannt und zugleich vollkommen fremd ist.

      Das TERRESTRISCHE ist zweifellos eine NEUE WELT, ähnelt aber keineswegs der einst von den Modernen »entdeckten«, dann aber entvölkerten. Das ist keine neue Terra incognita für Forscher mit Kolonialhelm. Keinesfalls handelt es sich um eine res nullius, bereit zur Appropriation.

      Im Gegenteil, die Modernen migrieren auf eine Erde zu, ein Terroir, einen Boden, einen Landstrich, ein Gelände, egal, wie man es nennen will, das bereits besetzt, seit je bevölkert ist. Und das, seit Kurzem, von einer Vielzahl derer wiederbevölkert wird, die lange vor den anderen gespürt haben, wie notwendig es war, sich schleunigst dem Gebot der Modernisierung zu entziehen.

      In dieser Welt befindet sich der moderne Geist gleichsam im Exil. Er wird lernen müssen, mit jenen zusammenzuleben, die er bisher als Altvordere, Traditionalisten, Reaktionäre oder schlicht als Lokalpatrioten betitelte. Doch so alt dieser Raum auch sein mag, er ist für alle neu, da es, verfolgt man die Diskussionen der Klimaspezialisten, für die gegenwärtige Situation schlicht keinen Präzedenzfall gibt. Da haben wir die wicked universality, den universellen Mangel an Erde.

      Was wir Zivilisation, Kultur nennen, sagen wir die im Laufe der letzten zehn Jahrtausende angenommenen Gewohnheiten, hat sich, so erklären die Geologen, innerhalb eines erstaunlich stabilen geografischen Raums und Zeitabschnitts vollzogen. Das – von ihnen so bezeichnete – Holozän wies alle Merkmale eines »Rahmens« auf, innerhalb dessen man mühelos das Handeln der Menschen unterscheiden konnte – so wie man im Theater Räumlichkeit und Kulissen vergessen und sich auf die Handlung konzentrieren kann.

      Das trifft auf das Anthropozän nicht mehr zu, diesen umstrittenen Terminus, mit dem einige Experten gerne den gegenwärtigen Zeitabschnitt bezeichnen würden. Hier geht es nicht mehr um kleine klimatische Schwankungen, sondern um eine das gesamte Erdsystem tangierende Erschütterung.

      Natürlich haben die Menschen schon immer ihre Umwelt verändert, aber dieser Begriff bezeichnete nur ihr Umfeld, das, was sie im präzisen Sinne umgab. Sie selbst bildeten weiterhin die Hauptfiguren, veränderten lediglich am Rande das Dekor ihrer Dramen.

      Heute sind alle: Dekor, Kulissen, Hinterbühne, das gesamte Gebäude, auf die Bühnenbretter gestiegen und machen den Schauspielern die Hauptrolle streitig. Das schlägt sich in den Textbüchern nieder, legt andere Ausgänge der Intrigen nahe. Die Menschen sind nicht mehr die einzigen Akteure, sehen sich zugleich aber mit einer Rolle betraut, die viel zu groß für sie ist.

      Dass man sich nicht mehr dieselben Geschichten erzählen kann, steht jedenfalls fest. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt.

      Also zurück? Nochmals die alten Rezepte lernen? Mit einem veränderten Blick die tausendjährigen Weisheiten anschauen? Von den wenigen Kulturen lernen, die noch nicht modernisiert wurden? Ja, sicher, aber ohne sich dabei in Illusionen zu wiegen: Auch für sie gibt es keinen Präzedenzfall.

      Keine menschliche Gesellschaft, wie weise, subtil, achtsam, vorsichtig wir sie uns auch vorstellen, musste sich bisher mit den Reaktionen des Systems Erde auf das Handeln von acht bis neun Milliarden Menschen befassen. Die in zehntausend Jahren akkumulierte Weisheit, selbst wenn wir wieder zu ihr vordringen sollten, hat nie mehr als ein paar hundert oder tausend, bestenfalls ein paar Millionen Menschen auf einer eher stabil bleibenden Bühne Nutzen gebracht.

      Die Leere der gegenwärtigen Politik bleibt ein Rätsel, wenn man sich nicht klarmacht, wie beispiellos die jetzige Situation ist. Das kann einen wahrlich in Schockstarre versetzen.

      Zumindest können wir jetzt die Reaktion derer besser nachvollziehen, die sich zur Flucht entschlossen. Warum sollte man sich freiwillig diesem Attraktor zuwenden, wenn man gerade dem Horizont der universellen Modernisierung entgegensegelte?

      Sich aus freien Stücken einer solchen Situation zu stellen, gemahnt an den Helden aus Edgar Allan Poes Novelle Sturz in den Mahlstrom. Was den einzigen Überlebenden, den alten Seemann von den Lofoten, von den Ertrunkenen unterscheidet, ist die kaltblütige Aufmerksamkeit, mit der er die Bewegung der Bruchstücke, die der Strudel um ihn herumwirbelt, beobachtet. Als das Schiff in den Schlund getrieben wird, klammert sich der Erzähler an ein leeres Fass und überlebt.

      Es gilt, so listenreich zu sein wie dieser alte Seemann: nicht daran glauben, dass man sich entziehen kann; nicht aufhören, mit wachen Sinnen zu beobachten, wohin die Trümmer treiben; so lässt sich möglicherweise blitzartig erfassen, warum einige Trümmerstücke in die Tiefe gezogen werden, andere Teile aufgrund ihrer Form dagegen als Rettungsringe dienen könnten. »Mein Königreich für eine Tonne!«

       Textauszug aus:

       Bruno Latour, Das terrestrische Manifest. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs. © La Découverte, 2017. © der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag, Berlin 2020.

      inhalt

       prolog

       BRUNO LATOUR

       design und desaster

       vorrede zur transformation des theaters. JONAS ZIPF im gespräch mit SILKE VAN DYK und FRIEDRICH VON BORRIES

       Nachhaltigkeit / Inklusion / Digitalität

       wann, wenn nicht СКАЧАТЬ