Название: Anatomie des Handy-Menschen
Автор: Matthias Morgenroth
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429064891
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Zersplintert: Wo sind wir, wenn wir ins Smartphone schauen?
Noch eine zweite Verunsicherung macht uns zu schaffen, und wir werden ihr immer wieder begegnen. Auch dafür habe ich ein Wort gefunden, das es nicht gibt, das wir aber gut brauchen können. Wir verdanken es Klaus Fritz, dem deutschen Übersetzer von Harry Potter. Er übersetzt das englische to be splinched mit zersplintert sein oder zersplintert werden. Es bezeichnet missglückte Teleportationen, wenn also Bein, Hand oder Fuß sich an einem Ort, der Rest des Menschen an einem anderen Ort befinden. Ich beschreibe damit die Verwechslung von Ort und Anwesenheit. Wo sind wir, wenn wir in der U-Bahn sind und zugleich in den digitalen Welten hinter dem Touchscreen? Wo ist deine Partnerin, wo ist dein Partner, wenn sie oder er jemand anderem schreibt, während du ein Gespräch führen willst? Diese grundsätzliche Frage wird uns immer wieder beschäftigen.
TINA: Alternativlos ausgeliefert?
Die dritte Verwechslung, die uns durch diese anatomischen Betrachtungen begleiten wird, ist ein eigenartiger Defätismus. Ein Sich-Ergeben. Eine Art Lähmung. Seit längerem wird diese Denkstruktur als TINA bezeichnet. TINA ist die berühmt gewordene Abkürzung für There Is No Alternative. Ein Satz, der im Politischen von Margaret Thatcher geprägt wurde und sich in den vergangenen Jahren auch gesamtgesellschaftlich zu einer beliebten Argumentationsstrategie entwickelt hat, 2010 wurde „alternativlos“ zum Unwort des Jahres gewählt. Der US-amerikanische Philosoph Francis Fukuyama hat dieser Lebenseinstellung ein philosophisches Denkmal gesetzt, indem er das „Ende der Geschichte“ ausrief und im Wesentlichen keine Alternativen zum Kapitalismus mehr erwartete. Susan George oder Carl Amery haben dem entgegengehalten: Es gibt tausende Alternativen.23 Dieses TINA-Syndrom durchzieht auch unser persönliches Empfinden, wenn es um die digitale Welt geht. Die stellt sich uns ja – unter anderem in ihrer Undurchschaubarkeit – auf den ersten Blick als alternativlos da. Klassisches Beispiel: Das Internet ist kostenfrei, dafür werden unsere Daten abgesaugt und verkauft – es zeigt sich uns keine Alternative und so schlucken wir es. Wir können es nicht ändern. Oder: Wir stimmen allen AGBs aller Apps zu, in der Regel, ohne sie zu lesen. Wir können sie nicht ändern, wollen aber unbedingt mitspielen. Wer bei Google gefunden werden will, muss sich den Google-Regeln unterwerfen – sonst kommt man nicht vor. Solches TINA-Denken hat auch so manche Denker der Digitalisierung und Propheten der Künstlichen Intelligenz so sehr im Griff, dass es genügend gibt, die behaupten, der point of no return sei schon längst überschritten, und die Schreckvisionen der sich selbstständig machenden Megaintelligenzen und der Weg der Weltherrschaft von KIs seien nicht mehr abzuwenden. Doch: Alles könnte anders sein, schreibt der Zukunftsforscher Harald Welzer.24 Das Gegenmittel gegen das TINA-Denken kann nur Infragestellung der Selbstverständlichkeiten sein, nach dem Motto: Alles kann, nichts muss.
Damit ist das Instrumentarium umrissen. Jetzt geht’s ans Eingemachte. Wir können mit dem Scan des Handy-Menschen beginnen.
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