Lebendige Seelsorge 1/2021. Verlag Echter
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Название: Lebendige Seelsorge 1/2021

Автор: Verlag Echter

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Lebendige Seelsorge

isbn: 9783429065072

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СКАЧАТЬ daher verurteilt: „Jede Form einer Diskriminierung in den gesellschaftlichen und kulturellen Grundrechten der Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion, muss überwunden und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht“ (GS 29).

      Rassismus wird seither in zahlreichen Stellungnahmen der Kirche immer wieder verurteilt. [Einen Überblick bietet die Arbeitshilfe Nr. 67 der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax: Die Kirche und der Rassismus.] Johannes Paul II. hält z. B. eindeutig fest: „Alle rassistischen Theorien widersprechen dem christlichen Glauben und der Liebe.“ (Justitia et Pax, Nr. 33). Betont wird die Berufung der Kirche, „inmitten der Welt das erlöste und in sich selbst versöhnte Volk zu sein, dies vor aller Welt zu bezeugen und die Einheit der Menschen jenseits aller ethnischen, kulturellen, nationalen, sozialen oder anderen Spaltungen, die durch das Kreuz Christi beseitigt wurden, zu verwirklichen“ (Justitia et Pax, Nr. 20). Papst Franziskus betont in Fratelli tutti: „Die ständig steigende Zahl der Verbindungen und Kontakte, die unseren Planeten überziehen, macht das Bewusstsein der Einheit und des Teilens eines gemeinsamen Geschicks unter den Nationen greifbarer. So sehen wir, dass in die Geschichtsabläufe trotz der Verschiedenheit der Ethnien, der Gesellschaften und der Kulturen die Berufung hineingelegt ist, eine Gemeinschaft zu bilden, die aus Geschwistern zusammengesetzt ist, die einander annehmen und füreinander sorgen“ (Fratelli tutti 96).

       UND DIE PASTORAL?

      Angesichts dieses Befundes müssten KatholikInnen gegen Rassismus gefeit sein. Doch die Europäische Wertestudie 2010 belegte, dass die Ablehnung von MigrantInnnen und MuslimInnen und der Wunsch nach homogenen Gesellschaften unter allen ChristInnen in Europa weit verbreitet sind (vgl. Arts/Halman, 89). Christliche Identität wird überdies vermehrt zur Abgrenzung von ethnisch, kulturell und religiös Anderen genutzt (vgl. PEW Research Center). Auch migrantische KatholikInnen berichten von Diskriminierungserfahrungen und sind in den Strukturen ihrer Ortskirchen nicht angemessen repräsentiert (vgl. Keßler). Rassismus ist in der deutschsprachigen Theologie kaum Thema. Aufforderungen von Papst Franziskus zur Aufnahme und Integration von MigrantInnen werden heftig kritisiert, nicht zuletzt aufgrund seiner positiven Sicht auf Migration.

      Auch für ihn ist in der Linie von Erga migrantes caritas Christi Migration ein „Zeichen der Zeit“: „eine Herausforderung, die es beim Aufbau einer erneuerten Menschheit und in der Verkündigung des Evangeliums des Friedens zu entdecken und zu schätzen gilt“ (EM 14). EM postuliert überdies: „Der Übergang von monokulturellen zu multikulturellen Gesellschaften kann sich so als Zeichen der lebendigen Gegenwart Gottes in der Geschichte und in der Gemeinschaft der Menschen erweisen, da er eine günstige Gelegenheit bietet, den Plan Gottes einer universalen Gemeinschaft zu verwirklichen“ (EM 9).

      Rassismus ist im Kontext von Migration demnach die Ablehnung eines „Zeichen[s] der Zeit“, d. h. die Weigerung, Migration nicht als Zuspruch und Anspruch Gottes anzuerkennen und daraus entsprechende ethische und politische Konsequenzen zu ziehen.

      Nun kann man eine solche Sicht auf Migration nicht verordnen. Hannah Arendt hatte Recht, wenn sie meinte, es sei „in einer globalisierten Welt unmöglich, mit dem idealistischen Vokabular von Menschenwürde und Gleichheit die Bereitschaft für die nötigen praktischen und politischen Konsequenzen zu erzeugen“ (Arendt, 501). Zu tief sind rassistische Wahrnehmungsmuster im kollektiven Erbe verankert. Zu schmerzhaft ist die Selbstkonfrontation, ProfiteurIn einer rassistischen Ordnung zu sein (vgl. Diangelo). Krisen und Konflikte sind daher – wie bei jedem „Zeichen der Zeit“ – unvermeidliche Begleiterscheinungen im Kontext von Migration und dem damit einhergehenden Zusammenwachsen der Menschheit. Tatsächlich spalten sich angesichts von Migration auch die Kirchen: Jenem Teil der Gläubigen, die sich um die Aufnahme und Integration von MigrantInnen und Geflüchteten bemühen, steht ein Teil gegenüber, der dies rigide ablehnt.

      Um Rassismus zu bekämpfen, genügt es daher nicht, allein an den moralischen Einstellungen zu arbeiten. Zur Disposition stehen eine tribalistische Weltsicht und politischhegemoniale Ordnungsvorstellungen. Rassismusbekämpfung kann daher nur eingebettet in pastoral ganzheitliche, d. h. spirituelle, mentale, ethische, politische und theologische Lernprozesse erfolgen. Pastoraltheologische Konzepte dafür stehen erst am Anfang, einige Ideen seien kurz skizziert:

      Zunächst bedarf es einer entmoralisierenden Sensibilisierung für das Problem. Es gilt, das Phänomen in seiner geschichtlichen Genese und seinen sozialen und politischen Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft zu verstehen. Eine solche kognitive Einbettung kann entlasten, schmerzhaft bleibt es allemal. Auch eine spirituelle und theologische Begleitung kann helfen, die Unvereinbarkeit zwischen Rassismus und dem christlichen Glauben zu erkennen. Vor allem aber bedarf es positiver Erfahrungen des Zusammenlebens über ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg: Regionale Nachbarschaftsprojekte sowie interkultureller und interreligiöser Dialog sind dafür bewährte Wege. Auch moderierte Begegnungen mit Menschen, die Rassismus am eigenen Leib erfahren haben, können das Interesse am gesellschaftspolitischen Einsatz für gerechtere gesellschaftliche und kirchliche Ordnungen wecken.

      Nicht zuletzt braucht es alternative Narrative und Visionen, die die Sehnsucht nach und Freude auf eine inklusive Kirche, Gesellschaft und Welt wecken, in denen Diversität ‚normal‘ ist und Gerechtigkeit herrscht. Die biblische Tradition ist reich an solchen Erzählungen, Bildern und Verheißungen. Orte, an denen ein solch inklusives Zusammenleben die große Idee von der Einheit der Menschen bereits heute lokal und konkret erfahren und erahnen lässt, gibt es in Kirche und Gesellschaft längst. Holen wir sie ans Licht! Sie geben Hoffnung, dass eine Welt ohne Rassismus möglich ist.

      LITERATUR

      Arendt, Hannah, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft [Teil II: Imperialismus], München 31986 [1951].

      Arts, Will/Halman, Loek, Value Research and Transformation in Europe, in: Polak, Regina (Hg.), Zukunft. Werte. Europa. Die Europäische Wertestudie 1990–2010: Österreich im Vergleich, Wien 2011, 79–99.

      Diangelo, Robin, Wir müssen über Rassismus sprechen. Was es bedeutet, in unserer Gesellschaft weiß zu sein, Hamburg 2020.

      Geulen, Christian, Geschichte des Rassismus, München 2007.

      Heitmeyer, Wilhelm u. a. (Hg.), Deutsche Zustände [10 Bände], Berlin 2002–2011.

      Keßler, Tobias (Hg.), Lebenslänglich! Das Ringen von Migrierten und Geflüchteten um gleichberechtigte Partizipation in Gesellschaft und Kirche, i. E.

      OSCE, OSCE Human Dimension Commitments and State Responses to the Covid-19 Pandemic; pdf-upload unter: https://www.osce.org/files/f/documents/e/c/457567_0.pdf.

      Päpstliche Kommission Justitia et Pax, Die Kirche und der Rassismus [Arbeitshilfe Nr. 67], Bonn 1998.

      PEW Research Center, Being Christian in Western Europe; abrufbar unter: https://www.pewforum.org/2018/05/29/being-christian-inwestern-europe.

      Rosenberger, Sieglinde/Seeber, Gilg, Kritische Einstellungen: BürgerInnen zu Demokratie, Politik, Migration, in: Polak, Regina (Hg.), Zukunft. Werte. Europa. Die Europäische Wertestudie 1990–2010: Österreich im Vergleich, Wien 2011, 165–190.

      Zerger, Johannes, Was ist Rassismus?, Göttingen 1997.

      [Links alle zuletzt eingesehen am 25.01.2021]

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