Название: Der Letzte macht das Licht aus?
Автор: Wunibald Müller
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783429063542
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Wenn man das hört und beobachtet, wie vieles immer schneller verschwindet, wundert es einen nicht, wenn bei manchen so langsam das Gefühl aufkommt, dass in der Kirche das Licht ausgeht. Mich erinnert das an einen Song von Reinhard Mey, in dem er die Schließung von „Schraders Filmpalast“ beschreibt; da heißt es: „Die Türen sind verschlossen, der Schaukasten ist leer. Die Leuchtschrift ist zerschlagen. […] Die Hauswand bunt besprüht, da steht verwaschen und verblasst: Der Letzte macht das Licht aus in Schraders Filmpalast.“
Wenn man augenblicklich mitbekommt, wie viele Ordensgemeinschaften ein Haus nach dem anderen schließen, eine Gemeinschaft nach der anderen aufgelöst wird, wie viele Kirchengemeinden ihre Selbstständigkeit verlieren, wie viele Kirchen geschlossen werden, dann ist das brutale Wirklichkeit.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Kirche sich schon dem ganzen Ausmaß der Krise wirklich gestellt hat, ja wirklich bereit ist, sich ihr zu stellen, oder es doch lieber vorzieht, darüber hinwegzuschauen. Wie auch immer: Die Wirklichkeit wird sie irgendwann einholen. Manche unter denen, die in besonderer Weise in der Kirche Verantwortung haben, wissen das längst, sprechen auch offen darüber. Andere wieder wollen es nicht wahrhaben, verdrängen es, machen einfach so weiter.
2. Kapitel
Dazu stehen: Wir befinden uns in einer Krise
Die Krise annehmen
Wagen wir den Blick auf unsere kirchliche Wirklichkeit, dürfen wir uns nichts vormachen und müssen dazu stehen, dass wir uns in einer Krise befinden. Für eine Krise aber ist es typisch, dass wir verunsichert sind. Krisen können uns an den Rand unserer Möglichkeiten bringen. Sie können uns in Depression und Resignation treiben, aus der wir nicht mehr herauskommen. Das ist eine Seite von Krisen, die man nicht schönreden sollte. Krisen können sich aber auch als eine Chance erweisen. Wir merken, dass sich etwas zugespitzt hat, es so nicht weitergehen kann.
Das aber trifft auch auf die Situation zu, in der sich die katholische Kirche augenblicklich befindet. Hier hat sich mit der Zeit so manches zugespitzt, das schon länger nicht mehr gestimmt hat und wo es jetzt höchste Zeit ist, endlich Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Kirche befindet sich in einer handfesten Krise. Wie gehen wir in der Kirche damit um? Machen wir einfach so weiter wie bisher, quälen wir uns durch die Krise? Verfallen wir in Aktionismus angesichts der Krise? Resignieren wir? Oder betrachten wir die Situation als eine Chance, die wir nutzen wollen, auch, um endlich Neues, wirklich Neues, zu probieren? Wir können einfach weitermachen wie bisher, den Kopf in den Sand stecken. Wir können einfach aufgeben, resignieren oder aber uns herausfordern lassen durch die Situation.
Will die Kirche die Chance, die sich aus ihrer Krise ergibt, für sich nutzen, muss sie zunächst dazu stehen, dass sie sich in einer Krise befindet. „Was nicht angenommen ist, kann nicht geheilt werden“, wusste schon Irenäus von Lyon.
So beginnt der Heilungsprozess zunächst einmal damit, sich zuzugestehen, dass wir uns in einer Krise befinden. Wir an einem Punkt angekommen sind, an dem es nicht weitergeht. Verena Kast beschreibt das sehr treffend in dem Bild von einem dunklen Schlauch, in dem wir uns befinden und nirgends einen Ausweg sehen. Das ist eine Situation, die wir verständlicherweise oft nur sehr schwer aushalten können und der wir möglichst schnell entrinnen möchten. Doch es bleibt uns nichts anderes übrig, als sie auszuhalten.
Denn wenn wir uns in einer Krise befinden und so tun, als sei das nicht der Fall, schleppen wir uns durch die Krise, versuchen uns durch Appelle, Durchhalteparolen, Aufputschmittel jeglicher Art aktiv zu halten. Dementsprechend ist auch unsere Ausstrahlung. Wir kommen lustlos, jammernd, resigniert daher. Wir machen „unser Ding“, ziehen es durch. Von Freude, gar Begeisterung ist da nichts zu spüren.
Innehalten und sich eine Brachzeit gönnen
Oder wir suchen nach Fluchtwegen. Statt die schwierige Situation, auch die Unschlüssigkeit, die damit einhergeht, auszuhalten, ziehen wir es vor, in einen Aktionismus zu verfallen. Wir gönnen uns nicht die Zeit des Innehaltens und die Brachzeit, die wir brauchen, um wieder fruchtbar zu werden. Wir wollen uns nicht der ganzen Palette von Gefühlen aussetzen, die sich einstellen, wenn uns bewusst wird, von was wir uns verabschieden müssen, welche Verluste wir zu beklagen haben, was uns zugemutet wird. Diese Gefühle reichen von Fassungslosigkeit, Ärger und Wut bis hin zu Angst, Verzweiflung und Trauer.
Wenn wir uns in einer Krise befinden und an den toten Punkt gekommen sind, sollten wir das daher zunächst einmal als Einladung betrachten, für eine Weile innezuhalten. Wir gönnen uns eine Brachzeit, die oft die Voraussetzung dafür ist, dass wir wieder fruchtbar werden, dass der Boden für neue Ideen, die Energie für neue Unternehmungen sich regenerieren und bilden kann. Wir ruhen uns in dieser Zeit aus, schenken den Dingen, denen wir in der vergangenen Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben, unser Interesse. Wir nehmen uns vor, tiefer zu graben, um neue Quellen zu erschließen. Sind offen dafür, uns überraschen zu lassen.
Auch ist das eine Zeit, in der wir Trauerarbeit leisten müssen. Es tut weh, sich von Vertrautem verabschieden zu müssen, so überfällig es vielleicht auch ist. Es tut weh, miterleben zu müssen, wie die Kirche immer mehr an Bedeutung verliert. Es stimmt einen traurig, keine Jugendlichen mehr in den Gottesdiensten anzutreffen, es ist frustrierend, feststellen zu müssen, dass trotz großer Anstrengungen und guter Ideen die Menschen, die man gerne ansprechen wollte, offensichtlich nicht erreicht werden. Darüber sollte man nicht einfach hinweggehen. Auch hat es nichts mit Wehleidigkeit zu tun, das zu bedauern und zu beklagen. Man sollte nur nicht darin hängenbleiben, aber genau deswegen ist es wichtig, die Trauer, das Bedauern, den Frust zunächst zuzulassen.
Dann betrachten wir die Krise als eine Chance, sehen in ihr vielleicht sogar einen Fingerzeig Gottes, dass sich etwas ändern muss. Aus der Krise kann uns dann ein Segen erwachsen. Gehen wir dagegen über die Krise einfach hinweg, machen wir uns etwas vor. Vor allem aber nutzen wir nicht die Chance, die in ihr liegt. Wir investieren Kräfte in Aktionen, die am Ende verpuffen, weil wir nur die Dekoration verändern, uns dabei manchmal recht viel einfallen lassen, doch am Schluss feststellen müssen: Was darunter ist, ist geblieben und wird es so lange bleiben, bis wir den Mut aufbringen, den Schnitt zu machen, die mitunter auch radikalen Konsequenzen zu ziehen, die wir ziehen müssen, so weh es tun mag, soll wirklich Neues entstehen können. Wir beherzigen, was Martin Luther sagt: „Ist’s Gottes Werk, bleibt es besteh’n, ist’s Menschen Werk, wird es vergeh’n“.
Geht es uns um Gott oder um unsere Aufführung?
Stellen wir uns der Krise, kann uns das auch dazu führen, wenn wir bereit sind, uns ihr radikal zu stellen, dass sie uns zwingt, an die Wurzel zu gehen, was ja in dem Wort radikal, das von dem lateinischen Wort für Wurzel radix abgeleitet wird, anklingt. Wir müssen uns mit dem auseinandersetzen, worum es wirklich und eigentlich in der Kirche geht, und uns dabei auf eine schmerzhafte Wurzelbehandlung einlassen.
In seinem Bestseller „Ich bin dann mal weg“ stellt Hape Kerkeling einen Vergleich zwischen Kirche und Kinosaal her. Er schreibt: „Gott ist der Film, und die Kirche ist das Kino, in dem der Film läuft.“ Wer behaupte, ein Film sei schlecht, beklagt laut Kerkeling oft nur die miese Qualität der Vorführung. „Die Leinwand hängt leider schief, ist verknittert, vergilbt und hat Löcher. Die Lautsprecher knistern, manchmal fallen sie ganz aus.“
„Gott ist der Film und die Kirche ist das Kino.“ Geht es uns um Gott, kann die zum Teil triste Situation, die wir in der Kirche und in der Seelsorge vorfinden, dazu führen, dass wir zunächst traurig, manchmal auch verzweifelt sind, zwischendurch tatsächlich auch mal am liebsten die Flinte ins Korn werfen würden. Doch der Film läuft weiter. Mit und ohne uns. Gott lässt sich nicht ausknipsen. Oder? СКАЧАТЬ