Todwald. Günter Huth
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Todwald - Günter Huth страница 6

Название: Todwald

Автор: Günter Huth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783429062101

isbn:

СКАЧАТЬ hatte, zog sie mit Schwung die blonde Perücke vom Kopf und ließ sie in einer Plastiktüte verschwinden. Mit zwei Handgriffen entfernte sie die beiden Wangenpolster aus dem Mund, die ihrem Gesicht eine etwas andere Form gegeben hatten. Die blauen Kontaktlinsen würde sie zuhause herausnehmen. Danach startete sie den Motor und verließ das Parkhaus. Ein paar Minuten später war sie auf der Autobahn und fuhr in Richtung Main-Spessart. Gut gelaunt summte sie ein Lied aus dem Autoradio mit.

      image 4 image

      Mark T. war seit drei Jahren Frührentner und ein passionierter Angler, der am Wochenende regelmäßig am Main seinem Hobby nachging. Sein Stammplatz lag gute zweihundert Meter oberhalb der Schleuse Himmelstadt am linksmainischen Ufer. Hier führte eine kleine Sandbank sanft in den Fluss, wodurch er nahe am Wasser sitzen konnte. Der Platz war von dichtem Gesträuch umgeben, das sich links und rechts am Ufer entlangzog. Auch heute, am Samstag, war Mark schon kurz nach Sonnenaufgang von Würzburg weggefahren, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Mark freute sich, weit und breit war kein anderer Petrijünger zu sehen. Mit Schwung warf er seine beiden Angelruten aus. Mark T. liebte es, am Wasser zu frühstücken. Nachdem seine Ruten ausgelegt waren, griff er zum Rucksack, holte eine Thermoskanne und ein in Alufolie eingepacktes belegtes Brot heraus und goss sich Kaffee in eine Tasse. Aromatisch duftender Dampf stieg in die Morgenkühle des beginnenden Sommertages auf. Vorsichtig nippte er an dem heißen Getränk, dann löste er die Folie vom Brot. Während er genüsslich kaute, wanderte sein Blick über die Böschung des diesseitigen Ufers. Ein Stück flussaufwärts entdeckte er einen Graureiher, der im seichten Gewässer am Rande des Mains stand und wie eine zu Stein erstarrte Statue auf Beute lauerte. Wahrscheinlich ist er erfolgreicher als ich, dachte Mark. Aber das war auch in Ordnung, schließlich musste der Vogel von seinem Fang leben.

      Ungefähr dreißig Meter von ihm entfernt wucherte der Uferbewuchs bis direkt an den Fluss und Zweige hingen über dem Wasser. Vielleicht eine Stelle, wo er seinen Köder auch einmal platzieren konnte. In diesem Augenblick kräuselte sich das Wasser und der Kopf einer schwimmenden Wasserratte war erkennbar. Mark verzog das Gesicht. Er hasste diese Viecher. Sie wurden von dem Unrat angezogen, den manche »Naturliebhaber« bei ihren nächtlichen Sauforgien am Main zurückließen. Mark stellte die Tasse ab, erhob sich von seinem Klappstuhl und trat näher ans Wasser, um den Bereich, in dem er die Ratte gesehen hatte, besser einsehen zu können.

      »Hab ich es mir doch gedacht«, murmelte er verärgert. Durch die Zweige des Uferbewuchses schimmerte es blau. Wahrscheinlich ein Plastiksack. Mit einem kurzen Blick überzeugte er sich davon, dass bei den Angelruten alles ruhig war, dann drang er in das Gesträuch ein, hinter dem der blaue Müllsack lag. Wenig später wurde seine Vermutung bestätigt. Im Uferbewuchs steckte ein großer Müllsack fest, der leicht vom Wasser umspült wurde. Wie vermutet, waren die Ratten bereits aktiv gewesen und hatten Löcher in die Folie gefressen. Eine schwache Brise wehte auf den Angler zu und er verzog angeekelt das Gesicht. Es stank massiv nach Fäulnis und Verwesung. Wie es aussah, hatte hier jemand einen Tierkadaver entsorgt. Von Neugierde geplagt, griff Mark sich einen längeren trockenen Ast vom Boden und stocherte in einem der Löcher herum, dabei riss die Folie weiter auf. Plötzlich erstarrte der Mann und die Augen quollen ihm vor Schreck fast aus den Höhlen.

      »Oh mein Gott!«, stöhnte er, ließ den Ast fallen, drehte sich um, stützte sich an einem schief gewachsenen Weidenstamm ab und erbrach würgend sein Frühstück in den Ufersand. Keuchend kam er wieder zu Atem. Das Bild eines von Ratten angefressenen männlichen Geschlechtsteils, das er durch das Loch im Plastiksack erkannt hatte, war ihm ins Gehirn eingebrannt. Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und wankte zu seinem Angelplatz. Er kramte nach seinem Handy und tippte mit zitternden Fingern die Notrufnummer ein. Es dauerte einige Zeit, bis er dem Koordinator in der Einsatzzentrale den Grund seines Anrufs erklärt hatte. Der Mann bat ihn, bis zum Eintreffen der Polizei vor Ort zu bleiben. Vollkommen geschockt ließ sich Mark T. auf seinen Hocker sinken. Ihm war immer noch speiübel. Langsam trank er einen Schluck des mittlerweile erkalteten Kaffees. Jetzt erst stellte er fest, dass der Schwimmer an der einen Angel völlig untergetaucht und die Angelschnur straff gespannt war. Offenbar hatte ein Fisch angebissen. Wie in Trance beugte er sich nach vorne und holte die Angel ein. Zappelnd kämpfte ein großer Karpfen gegen den Widerhaken, der sich durch seine Oberlippe gebohrt hatte. Mit routinierten Bewegungen löste der Angler den Fisch vom Haken und entließ ihn wieder in den Fluss. Seine Lust auf Beute war ihm gründlich vergangen. Eilig verschwand der Fisch in der Tiefe seines Elements. Mark T. sah ihm nach. Hier an dieser Stelle würde er sicher nie mehr seine Rute auswerfen.

      Vierzig Minuten später sah der vormals so ruhige Angelplatz von Mark T. ganz anders aus. Überall standen Einsatzfahrzeuge und der Fundplatz war von der Feuerwehr vorsichtig von Gesträuch befreit worden, damit die Kriminalpolizei sowie die Spurensicherer an den angeschwemmten Plastiksack herantreten konnten, ohne eventuelle Spuren zu zerstören.

      Erster Kriminalhauptkommissar Eberhard Brunner, Leiter des Kommissariats 1 der Mordkommission Würzburg, stand mit blauen Überziehern an den Schuhen und Gummihandschuhen an der Fundstelle. Die Feuerwehrleute hatten, nachdem die Spurensicherer die Auffindesituation mehrfach fotografiert und die Umgebung nach Spuren abgesucht hatten, den Plastiksack vorsichtig aus dem Unterholz befreit und auf eine große Plastikfolie gezogen. Der Gestank, der dem Sack entwich, war unbeschreiblich. Etwas Entlastung brachte die Eukalyptussalbe, die sich die Ermittler unter die Nase geschmiert hatten.

      Dr. Samuel Karaokleos, der Rechtsmediziner, schien allerdings gegen diese Ausdünstung des Todes völlig gefeit zu sein. Ebenfalls mit Schuhüberziehern und Gummihandschuhen ausgerüstet, stand er nachdenklich neben dem Sack und wartete, bis der Polizeifotograf mit einem Nicken sein Einverständnis zur Weiterarbeit gab.

      Zu Brunner gewandt meinte Dr. Karaokleos: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich in diesem Plastiksack eine vollständige Leiche befindet. Dafür ist er zu klein.« Er beugte sich mit einem Skalpell in der Hand über den Sack. »Na, dann wollen wir mal sehen, was wir hier Schönes haben.«

      Brunner verzog das Gesicht. Der Mann hatte wirklich ein Gemüt wie ein Fleischerhund. Mit einem einzigen fließenden Schnitt schlitzte der Rechtsmediziner den Plastiksack in seiner ganzen Länge auf und klappte die Folie zur Seite. Der Gestank war einfach unbeschreiblich.

      »Dachte ich es mir doch«, stellte Dr. Karaokleos zufrieden fest, »ein klassischer Torso!«

      Tatsächlich fehlten dem zum Vorschein gekommenen Körper alle Extremitäten und der Kopf.

      »Eindeutig männlich, auch wenn die Ratten sich schon bedient haben.« Der Mediziner betastete die durch die Verwesung bereits schwärzlich verfärbte Haut der entstellten Leiche, die sich bei der Berührung leicht löste.

      »Eine typische Waschhaut, was dafür spricht, dass er schon einige Zeit im Wasser liegt. Auch der Leib ist entsprechend aufgedunsen. Die Gase haben ihn an die Wasseroberfläche getrieben.«

      Karaokleos hob den Torso im Gesäßbereich leicht an. »Sehen Sie hier.« Er deutete auf eine kleine Tätowierung auf der einen Gesäßhälfte, die wegen der farblichen Hautveränderungen allerdings nur schwer zu erkennen war. »Sieht wie zwei ineinander verschlungene Ringe aus. Das hilft Ihnen vielleicht bei der Identifizierung des Toten. Ich werde bei der Leichenöffnung auf jeden Fall detaillierte Fotos hiervon anfertigen lassen.«

      Brunner bedankte sich. »Können Sie etwas zum Todeszeitpunkt sagen?«

      Karaokleos erhob sich. »Das ist schwer zu sagen. Bei den relativ hohen Wassertemperaturen würde ich meinen, vier bis sechs Tage. Nach der Obduktion kann ich sicher Genaueres sagen.« Er zog seine Gummihandschuhe aus und warf sie auf die Plastikfolie. »Lassen Sie den Torso bitte in dem Plastiksack СКАЧАТЬ