Название: Mensch und Gott
Автор: Houston Stewart Chamberlain
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066499945
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In diesem Buche haben wir es nur mit der einen Vorstellung einer magischen Wirkung zu tun, die wir schon im Anfang des Kapitels bei der Besprechung des ursprünglichen Opfergedankens kennen lernten: durch den Genuß einer geheiligten Speise wird die Verwandtschaft zwischen den Teilnehmern und Gott hergestellt und hierdurch zugleich Gott verpflichtet, den betreffenden Menschen beizustehen in ihren Nöten. Im weiteren Verlauf der Entwickelung scheint dieser ursprüngliche Gedanke in den Hintergrund gedrängt worden zu sein zugunsten rationalistischerer Vorstellungen von Gabe-, Dank-, Buß-, Reueopfern und dergleichen mehr. Im Homer z.B. findet sich meines Wissens keine Spur eines Hinweises auf die magische Bedeutung des Opfers.
Da trat eine gewaltige Gegenwirkung ein, die wir berechtigt sind als aus den religiösen Bedürfnissen des Menschenherzens entsprungen zu betrachten; auf allen Seiten brach die Bewegung zugleich hervor und erfaßte die gesamte hellenische und mehr oder weniger hellenisierte Welt: alles wollte zu Gott hin, wollte mit ihm verschmelzen – wobei zu beachten ist, daß für die Griechen Unsterblichsein so viel bedeutet wie Gottsein, und ein Mensch, dessen Seele Unsterblichkeit gewonnen hat, insofern Gott gleich zu achten ist. »Die Vereinigung des Menschen mit der Gottheit ist das einzige und höchste Ziel aller Mysterien«, bezeugt Albrecht Dieterich ( Eine Mithrasliturgie, S. 209), und Ramsay schreibt: »Die Verheißung an die Einzuweihenden lautete: ›Seliger und Gesegneter, Du sollst Gott werden anstatt Sterblicher zu sein.‹ Einswerden mit der Gottheit wurde das Ziel des Menschenlebens, ein Ziel, das – wie viele Grabsteine zeigen – beim seligen Hinscheiden erreicht gedacht wurde, wenn nicht gar schon bei Lebzeiten als Erfolg der feierlichen Einweihung« (Ramsay: The Teaching of Paul, S. 293). Ebenso wurde der Gedanke Gemeingut, daß Gott bei Gelegenheit Mensch werde. Wie Jane Harrison ausführt, diese zwei Auffassungen rufen einander als Ergänzung hervor, nur daß der eine Kult das Gottwerden des Menschen mehr betont, der andere das Menschwerden des Gottes ( Prolegomena to the Study of Greek Religion, S. 475). »Ein Gott, der stirbt und aufersteht, der niedergefahren ist zum Totenreich und wieder aufgefahren gen Himmel .... steht in fast allen mystischen Kulten des späten Altertums ... im Mittelpunkt des Glaubens«, belehrt uns Dieterich in seiner Mithrasliturgie (S. 173). Der Begriff eines Gottmenschen ( Theios Anthropos) wurde so geläufig, daß man vielerorten ihn zu erblicken glaubte und wundertätigen Heiligen, wie dem Apollonios von Tyana und dem Alexander von Abonoteichos, göttliche Verehrung bezeugte (Reitzenstein: Die hellenistischen Religionen, S. 12). Selbst der stoische Philosoph Epiktet – von dem man eine solche Wendung nicht erwarten würde – schreibt: »Ein jeder von uns darf sich als Sohn Gottes bezeichnen« (vergl. Hatch: Influence of Greek Ideas, S. 155), und der Kirchenvater Athanasius wagt noch die Worte: »Jesus Christus wurde Mensch, damit wir Menschen Götter würden« (angeführt b. Caird: Evolution of Theology, 2, 366), – Worte, die tausend Jahre später bei Eckehart das Echo finden: »Gott liebt den Menschen nicht als Kreatur, sondern als Gott.«
Aus diesen wenigen Hinweisen möge der Leser entnehmen, wie allgemein verbreitet die Sehnsucht nach Vergottung des Menschen damals war.
Dieser große Zweck der Vergottung bildete – wie wir sahen – das Ziel aller Mystik, sowohl der materialistischen wie der idealistischen; doch forderten beide Richtungen eine größere Hingabe, als den meisten Menschen genehm ist: von den Teilnehmern an den bacchantischen Festen wird es nur einer Minderzahl gelungen sein, über den Körperrausch hinaus bis in die begehrte Seelenekstase des Gotteserlebnisses zu gelangen; noch wenigere werden es auf dem Wege der reinen Versenkung ins Innere vermocht haben. Da trat denn die Magie ein, die es jedem leicht macht: die uralte Vorstellung von der Wirkung einer besonderen Speisung lebte wieder auf und fand schnell eine derartige Verbreitung, daß bald dieser eine Zug allen verschiedenen Religionen gemeinsam war: das heilige Mahl, das »Essen des Gottes«. »Daß der Mensch sich mit einem Gotte vereinigen kann dadurch, daß er ihn oder Stücke von ihm ißt, bewährt sich immer wieder als uralter, aus der Tiefe ursprünglichster religiöser Anschauung empordrängender Glaube. Wie der Wilde glaubt, die Kräfte des wilden Tieres zu erlangen, die Klugheit und Zaubermacht des weißen Mannes sich zu eigen zu machen, wenn er von ihm ißt, so gewinnt er göttliche Kraft und Macht, wenn er Göttliches ißt« (Dieterich: Mithrasliturgie, S. 100). Die Gewinnung dieser göttlichen Speisung läßt sich leicht vorstellen: im ersten Teil dieses Kapitels hörten wir, daß es genüge, ein zum Opfer geeignetes Wesen auszuwählen, das dann durch weitere Weihen jeden Grad von Heiligkeit erreichen könne (S. 45); auf diesem Wege mußte es gelingen, das Opfer dem göttlichen Wesen völlig anzugleichen.
Hier ist der Ort, die Aufmerksamkeit auf einen seltsamen Umstand zu lenken. Bekanntlich hat Goethe wiederholt erklärt, sein Gehirn besitze kein Organ für die Aufnahme des Gedankens der Umwandlung (Transsubstantiation); was diesem mächtigsten Verstande unüberwindliche Schwierigkeit bereitete, das hat die überwiegende Mehrzahl der Menschen zu allen Zeiten ohne alle Gedankenqual angenommen, – die geistige Alchymie leuchtete und leuchtet noch heute Vernünftigen und Unvernünftigen ohne weiteres ein. Wir haben in diesem Gedanken eines der ältesten Besitztümer der Menschheit zu erkennen, dessen Alter ihm Ehrwürdigkeit verleiht.
Die Form des Opfers wechselte je nach dem Kult. Bei dem einen z.B. mußte das Blut des Opfertieres über den Einzuweihenden herabfließen; doch blieb derartiger barbarischer Brauch verhältnismäßig vereinzelt, und immer mehr bürgerte sich der Ersatz des Schlachtopfers durch das unblutige Opfer ein; sobald der Gedanke der Umwandlung von neuem geläufig geworden war, stand diesem Verfahren nichts mehr im Wege: Brot und Wein pflegten des Gottes Fleisch und Blut darzustellen. Feierliche Mahle mit sakramentaler Bedeutung (Liebesmahle) waren ein uralter Brauch der arischen Völker und finden sich z.B. in dem vor-etruskischen Latium (Fowler: Roman Ideas of Deity, S. 37); auch reicht die Annahme einer geheimnisvollen Verwandtschaft zwischen Wein und Blut sehr weit zurück (Kircher: Die sakrale Bedeutung des Weines im Altertum). Als interessante Kuriosität sei erwähnt, daß die Hostie schon im alten Mexiko bekannt war. Kurz, alle Elemente standen schon längst bereit; es brauchte nur der letzte Gedankenfunke hinzuzukommen, und die Vermittelung der göttlichen Speisung, des Gotteswerdens und hiermit der Unsterblichkeit war allerorten leicht zu bewirken. Bald gab es in allen Mysterienkulten »ohne Ausnahme« – sagt Ramsay in seinem Religion of Greece – das Brechen und Verteilen des Brotes und das Trinken aus dem gemeinsamen Becher. Erblicken wir also auf bildlichen Darstellungen des Mithras-Gottesdienstes die Gläubigen feierlich um einen Tisch versammelt, auf dem Brot und Weinkelch stehen, und sehen wir zuweilen Mithras und Helios zu ihnen gesellt, so wissen wir genau, was dies zu bedeuten hat.
Hier können wir nun nicht umhin, auf das Christentum und dessen Sakrament des Abendmahls hinzuweisen; denn gerade an diesem Punkte steht die Religionslehre der christlichen Kirche in innigstem Zusammenhang mit vorangegangenen und umgebenden religiösen Vorstellungen und Gebräuchen. Man versteht, was Heitmüller meint, wenn er schreibt: »Diese uralte konkret-sinnliche Vorstellung (der Verspeisung der Gottheit) kommt im urchristlichen СКАЧАТЬ