Название: Schuld ohne Reue
Автор: Günther Drutschmann
Издательство: Автор
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783954889181
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Die Armut und das karge Leben prägten mich. Ich wurde sehr genügsam, bin mit allem zufrieden, will keinen Aufwand und Luxus.«
Hier nickte Galen zustimmend und bat Albert, fortzufahren.
»Im letzten Lehrjahr, so um 1905 herum, trat ich dem Kolpinggesellenverein bei. Mein Ziel war es, am Ende der Lehrzeit auf Wanderschaft zu gehen. Ich wollte auf keinen Fall in Schlesien bleiben, hier gab es nichts zu verdienen. Ich wollte im Deutschen Reich herumwandern, viel sehen und viel lernen. Wenn auch der Meister ein Lump gewesen war, als Schreiner war er erstklassig und ich lernte viel bei ihm.
Durch meine Mitgliedschaft im Kolping würde ich in jeder größeren Stadt eine Unterkunft finden. Zudem förderte der Kolping die Bildung der Handwerksgesellen. Er sollte mir die Familie ersetzen, nicht umsonst nannte man ihn Kolpingfamilie.
Vom Militärdienst wurde ich befreit, da schon fast alle meine Geschwister gestorben waren. Ich hatte nichts dagegen, denn der Komiß ist nicht meine Sache. Als meine Lehrzeit 1906 um war, packte ich meine Habseligkeiten, verabschiedete ich mich von meiner Mutter und ging auf Wanderschaft.
So wanderte ich durch unser schönes Vaterland, sah viele Städte des Deutschen Reiches. Ich wohnte stets im Kolpingheim und verrichtete alle Schreiner- und Zimmermannarbeiten, die mir angeboten wurden. Ich lernte dabei sehr viel.«
Hier nickte Galen wieder zustimmend, er hatte gerade eine Kostprobe von Alberts guter Schreinerarbeit erhalten.
»Nun Albert und was hat dir das alles bisher gebracht?«
Dieser schmunzelte und meinte. »Zu meiner Familie habe ich so gut wie keinen Kontakt mehr. Mutter schrieb ich einige Male und in ganz großen Abständen meiner Schwester Emilie. Ich stehe alleine auf der Welt und nur auf mich selbst gestellt. In den Jahren der Wanderschaft lernte ich, auf mich selbst gestellt durchzukommen und sich durchzuschlagen. Ich wurde hart und unbeugsam, man sagt den Schlesiern nicht umsonst dicke Schädel nach. Meiner wurde besonders dick. Ich lasse mir nichts mehr gefallen und wenn ich angegriffen werde, kann ich auch wirkungsvoll zurückschlagen. Ich bin ein armer Schreiner, aber keiner sollte versuchen, mit mir den Dummen zu machen. Da ist er bei mir an der falschen Adresse. Wenn ich eine Meinung fasse, bleibe ich dabei. Mein Schädel ist so hart, dass man neben mir eine Bombe entzünden könnte, ohne dass ich weiche.«
Galen nickte verständnisvoll. Er entstammte dem Münsterland und dort sind die Schädel bekanntlich auch recht hart und unbeugsam. Er wusste, dass dieser Albert mit der Einstellung gut durchs Leben kommen würde. Viel sagen würde er sich nicht lassen und eigentlich war Galen für Obrigkeit und Gehorsam. Bei Albert entschuldigte er dessen Einstellung, denn er gehorchte der Kirche und war ihr treuer Diener. Zum preußischen Staat hatte Galen wie alle Katholiken ein zwiespältiges Verhältnis, er mochte diesen protestantischen Staat und seine Vertreter nicht, nannte dieses ein Staatsgottestum, andererseits hielt er an den standesrechtlichen Obrigkeitsverhältnissen fest.
Albert fuhr fort. »Heute las ich in der Zeitung die Begnadigung dieses Hauptmanns von Köpenick und musste herzhaft lachen, obwohl das nicht zum Lachen ist. 1906 stellte dieser das Militär bloß und ist jetzt vom Kaiser begnadigt worden. Ja, ja, unser Kaiser und sein Militär. Dieser Schuster legte den ganzen Wahnsinn dieses Systems blank, eine Warnung, die sehr bald Realität werden kann. Was da geschah sind die Vorboten des Unheils, das auf uns zukommt. Manch einer, der jetzt noch darüber lacht wird sich später wundern, dass er noch lebt. Ich bin nur ein einfacher Handwerksgeselle, stehe gesellschaftlich ziemlich weit unten, direkt neben der Arbeiterschaft. Ich verabscheute deren sozialdemokratische Ambitionen, teilte aber ihre Meinung hinsichtlich der bürgerlichen Gesellschaft. Diese fetten Bürgerlichen gehen mir gewaltig auf die Nerven, ihr Reichtum ist Betrug am einfachen Volk. Jesus sagte nicht umsonst, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als ein Reicher ins Himmelreich gelangte.«
»Du bist ja ein Anarchist Albert, ich sagte es bereits«, schmunzelte Galen. »Was ist, wenn es einen Krieg gibt und das Vaterland in Gefahr ist. Was wirst du dann tun?«
»Als Kanonenfutter zu den Waffen eilen wie alle anderen auch. Ich bin anders als die Sozis kein vaterlandsloser Geselle. Und ich liebe meine Heimat auch und werde sie verteidigen, auch wenn ich den Sinn des Krieges nicht einsehe. Vielleicht bin ich ein Pazifist.«
Galen teilte in diesem Punkt nicht dessen Meinung. Als Sohn eines preußischen Offiziers konnte er das auch nicht. Er liebte wie sein Kaiser das Militär und war stolz darauf. Er würde die Kanonen segnen, die den Soldaten den Tod brachten. Als Kirchenmann hatte er wie fast alle Geistlichen, ob katholisch oder evangelisch, keinerlei Skrupel dazu.
Aber er wollte in das Gespräch keine Schärfe hineinbringen und meinte daher begütigend.
»Da fällt mir noch ein Albert. Morgen Abend haben wir hier einen sehr interessanten Vortrag über Kernenergie. Den solltest du dir unbedingt anhören.«
3.
Nach der Begegnung mit Michael kehrte Jaakov Silberstein in seine Wohnung zurück. Er setzte sich in seinem Speisezimmer an den Tisch und schlug die Zeitung auf. Rachel, seine Frau kam zu ihm und gab ihm einen Begrüßungskuss. Sie waren nun ein Jahr verheiratet und immer noch sehr ineinander verliebt.
»Das Essen dauert noch einen Moment, mein Schatz«, sagte sie und verschwand in die Küche. Jaakov sah seiner schönen Frau nach. Seit der Geburt des ersten Kindes war sie noch schöner geworden, er liebte sie sehr. Sie hatte pechschwarzes langes Haar, ein schmales Gesicht mit eindringlichen Augen und eine aufreizende Figur. Sie war nach der neusten Berliner Mode gekleidet, schick und elegant, aber nicht aufdringlich.
Jaakov war ein gutaussehender mittelgroßer Mann, sehr schlank, allerdings duldete er keinen Bart in seinem sympathischen intelligenten Gesicht und das war eine Ausnahme in dieser Zeit. Er trug einen einfachen bürgerlichen Anzug und jeder erkannte sofort den Advokaten in ihm. Er war achtundzwanzig, seine Rachel vierundzwanzig.
Er schlug die Zeitung auf und sein Blick fiel auf den Artikel über den Hauptmann von Köpenick. Eine merkwürdige Geschichte, dachte er, typisch für unser Land. Papa verehrt den Kaiser und ist stolz auf dieses Deutschland. Er nahm am Krieg 70/71 als Feldwebel teil und erhielt das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse (EKII) für besondere Tapferkeit. Er ist stolz darauf und trägt es immer am Sedanstag[3].
Jaakov zündete sich eine Zigarette an und ging im Zimmer auf und ab. Haben wir Juden überhaupt ein Vaterland, sinnierte er, natürlich, das hier ist unseres. Ich bin Oberleutnant der Reserve und wenn dereinst ein Krieg ausbricht, werde ich für dieses Vaterland kämpfen. Eigentlich sind wir Silbersteins keine Juden mehr, wir halten nur notdürftig die Gebote und nur unser unsympathischer Name erinnert an unsere Zugehörigkeit. Ich habe mein Abitur an dem renommierten Friedrich-Wilhelm-Gymnasium gemacht. Er drückte die Zigarette aus, Rachel und das Hausmädchen kamen mit dem Essen. Im Gegensatz zu Michael nannten Silbersteins eine fünf-Zimmer Wohnung ihr Eigen, mit Hauspersonal und allem großbürgerlichen Drumherum. Eigentlich sah er etwas herabblickend auf ihre neuen Nachbarn, kleinbürgerliche Leute, aber sie hatten so etwas. Michael flößte ihm Respekt ein und Anna gefiel ihm ebenfalls, sie strahlten Autorität aus.
»Ich begegnete im Treppenhaus Herrn Trotz auf dem Weg zum Dienst«, sagte er zu Rachel
»Nette СКАЧАТЬ