Название: Das Leben ist ein tiefer Fluss
Автор: Rose Zaddach
Издательство: Автор
Жанр: Современная зарубежная литература
isbn: 9783960087519
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KA lachte!
Scherben bringen Glück!
Er nahm ein großes, altmodisches Taschentuch aus seiner Westentasche – extra für solche Gelegenheiten, wie er sagte – und wischte die Sektbrühe von Paulas Kleid - oder Rock oder Hose, oder was auch immer sie damals trug.
Um sie herum sammelte man die Scherben ein und im Nu wäre das Malheur vergessen gewesen, wenn sie nicht kurz darauf zum zweiten Mal das Sektglas hätte fallen lassen.
Diesmal ergoss sich der süße und prickelnde Inhalt in den Ausschnitt von KAs Sekretärin, die herbeigeeilt war (möglicherweise um KA vor fremden Frauen zu retten) und dabei in der Enge der Umstehenden über den Schuh eines Mann stolperte, der in einer Gesprächsrunde direkt vor Paula stand.
Obwohl Paula daran unschuldig war, weil sie angerempelt wurde, nahmen sie die anwesenden Gäste nun als störend und unbeholfen wahr.
Nur KA ließ sich nicht beeindrucken.
Er blieb souverän.
Er kannte die Ursache.
Er verlor seinen Humor nicht.
Er wies im allgemeinen Getümmel laut darauf hin, dass es sich heute um eine DADA-Ausstellung handeln und die Einlage als Impuls ausgezeichnet zum Thema passen würde. Ja, dass sie die Einstimmung in diese Kunstform erst so recht anschaulich machte, worauf ein entspanntes Gelächter entstand, und die Umstehenden Paula zu dieser guten Idee beglückwünschten. Es ging dann so weit, dass Max Rendy sein Sektglas nahm, das vor ihm auf einer Staffelei platzierte Gemälde mit dem prickelnden Inhalt sozusagen taufte und gut gelaunt die Aktion als geplante Performance bezeichnete.
Damit aber endete vorerst wieder der Kontakt zwischen Paula und KA.
Erst Wochen später, im Winter, kam es zu der wirklichen und entscheidenden Annäherung. KA war bei einem Vortrag in der Stadtbibliothek anwesend. Auch Paula war dort. Sie interessierte sich für das Thema, einen Reisebericht über das Leben in den kanadischen Wäldern. Zu spät gekommen, hatte sie nahe der Eingangstür Platz genommen. Sie wollte auch sehr bald nach Hause.
Sie verabschiedete sich von einigen Bekannten, die sie immer irgendwo traf und legte draußen, kurz hinter der Eingangstür einen uneleganten Salto hin: sie war der Länge nach ausgerutscht.
Es war spiegelglatt. Eisglätte. Blitz Eis. Glück.
Das war die Gelegenheit für KA, der sie in sein Auto beförderte und sie direkt bis zu ihrer Haustür fuhr. Von diesem Zeitpunkt an hatte auch Paula wieder einen Begleiter.
KASCHMIR UND SEIDE
Vorige Woche waren Paula und KA schon zum dritten Mal im Tramuntana-Gebirge und besuchten dort auch zum dritten Mal den Ort Valldemossa, der mit seinem Kartäuserkloster weit über das Tal in Richtung Palma blickt, und vor dem sich die mediterranen Gärten mit Zitronen-, Orangen- und Olivenhainen bis weit in die Ebene ziehen. Sie besichtigten dort noch einmal eben dieses Kloster.
Die Kartause, eine Einsiedelei.
Die Kartäuser, ein Schweigeorden.
Nur einmal in der Woche trafen sich die Mönche in ihren weißen Gewändern für eine halbe Stunde zum Gespräch in der Bibliothek. Sonst Stille, Gebet und Kontemplation, soweit nicht die Gärten, welche vor den Mönchszellen liegen, bearbeitet und gepflegt werden mussten, um den Lebensbedarf sicherzustellen.
Auch KA und Paula schweigen oft. Sie ähneln den Kartäusermönchen. Manchmal hängen sie ihren Gedanken und Träumen nach, jeder für sich allein.
Manchmal schweigen sie bewusst, denken über dieselben Geschehnisse nach und warten nur auf den richtigen Moment, die Worte zu finden.
Manchmal ist das Schweigen an der Seite von KA für Paula das höchste Gefühl. Ja, es ist ein hoheitsvolles Gefühl, zu schweigen und still zu sein, wo man sonst nur Belangloses spricht. Man ist eingehüllt in das Wesentliche.
Man kann vordringen zu Dingen, die man sonst nicht wahrnimmt. Manchmal. Ja, manchmal ist das Schweigen ein großer Segen. Manchmal aber auch ein Fluch, wenn die Dialoge sich verirrt haben und Missverständnisse aufgetreten sind. Dann kann das Schweigen eisig sein.
Jetzt gab es keine Missverständnisse. Jetzt schlenderten sie bei Sonnenschein und unter Palmen und Orangenduft durch die Gärten von Valldemossa.
Paula schob ihre Hand in KAs Hand. Sie ließen sich vom Touristenstrom durch enge Pflasterstraßen treiben, wie man mühelos in einem Fluss zu einem Ziele treibt.
KA blieb manchmal stehen und fotografierte einen Brunnen, ein altes, mallorquinisches Haus, geschmückt mit Blumenpracht und handbemalten Wandfliesen, einen Waschtrog, wie man ihn in den Dörfern noch benutzte, und dann standen sie vor einer Boutique, die recht schöne, einheimische Handarbeiten bot: Tongefäße, Bilderrahmen und Schalen aus Olivenholz, glitzernde Quasten und Handtäschchen aus bunten Glasperlen, bestickte Tücher sowie einen breiten Schal, ein Einzelstück, den man als Stola verwenden konnte. Eine spanische Handarbeit.
Sie kauften den Schal als Mitbringsel für Paulas Tochter Susanna. Er war von warmem Braun, übersät mit kleinen, bunten Blüten, die mit einer zartgrünen Blätterranke verbunden waren. Das würde zu Susanna passen, ihrem braunen Haar, ihren grünen Mandelaugen. Sie könnte sich den Blütenschal um die Schultern legen, um sich an kühlen Sommerabenden im Garten sitzend zu wärmen, oder ihn als Schmuckstück tragen, wenn sie ausginge und so weiter und so fort, dachte Paula laut vor sich hin. Zufrieden stiegen sie in ihren Land Rover, einen Leihwagen, den sie gar nicht bestellt hatten und der ihnen großzügig zur Verfügung gestellt worden war, weil das gebuchte Objekt kurz vor Übergabe den Geist aufgegeben hatte.
Sie fuhren nun bequem zu ihrem Ferienort zurück.
Es war später Nachmittag. Während die Bucht von Andratx immer näher rückte und das blaue Meer ihnen wieder entgegenleuchtete, sagte KA: Wir wollen auch einen Schal für Veronica besorgen.
Veronica, KAs Tochter, ist viel auf Reisen. Alle freuen sich das ganze Jahr über auf das Wiedersehen an Weihnachten. – Natürlich werden sie einen ebenso schönen Schal für Veronica kaufen. Morgen werden sie wieder losfahren und einen suchen.
Sie wollten ein Tuch für Veronica besorgen, und zwar auch in spanischer oder mallorquinischer Handarbeit und keines „Made in China“ oder „Made in Indian“. Es soll ähnlich sein wie das von Susanna. „Ja“, sagte Paula, „Veronica soll auch einen solch schönen Schal haben. Wir werden ihn finden.“ Doch das war nicht so leicht.
Sie suchten mehrere Tage lang. Der Urlaub ging dem Ende zu. Überall hingen Tücher und Schals in allen Farben und Nuancen, jedoch keines der bunten Stofftücher war ein Stück einheimischer Handarbeit, nicht vom spanischen Festland und nicht von der Insel, auf der sie ihre Ferien verbrachten. Auch fern der Touristenströme schienen sie kein Glück zu haben.
Dann aber endlich – in den letzten Urlaubstagen, als sie wieder durch das Tramuntana-Gebirge fuhren, über Serpentinen und durch Felsschluchten, an herrlichen Ausblicken über das strahlende Mittelmeer vorüber und schließlich in eine abgelegene Bergwelt vordrangen, kamen sie in einen majestätischen Ort mit einer hohen Kirche und einer steilen Treppe, die hinauf führte zu einem Brunnen.
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