Zeckenalarm im Karpfenland. Werner Rosenzweig
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Название: Zeckenalarm im Karpfenland

Автор: Werner Rosenzweig

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежная классика

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isbn: 9783954888030

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СКАЧАТЬ Am schwersten wog für ihn jedoch, dass seine Frau die Scheidung einreichte. Es folgte ein kurzer, aber erbarmungslos geführter Rosenkrieg. Im Jahr 2010 stand er mittellos auf der Straße, ohne Aussicht darauf, jemals wieder in ein normales Leben zurückzukehren. Die Geldstrafe, welche ihm das Gericht auferlegt hatte, und die Konsequenzen der Scheidung fraßen alle seine Vermögenswerte auf. Wie oft dachte er seitdem daran, seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch je länger und intensiver er darüber nachdachte, desto schneller verließ ihn der Mut, diesen Schritt auch tatsächlich zu vollziehen. Er führte nunmehr ein Leben, welches nur noch im Suff zu ertragen war. In seiner trostlosen und ausweglosen Situation dachte er häufiger darüber nach, wer wohl seine leibliche Mutter sein könnte. Lebte sie noch? Wo lebte sie? Wie ging es ihr heute? Dachte sie noch manchmal an ihren Sohn, den sie im Säuglingsalter in fremde Hände gab? Wenn sie damals siebzehn war, musste sie heute fünfundfünfzig sein. Kein Alter! Vielleicht suchte sie nach ihm und hatte ihren Schritt von damals längst bereut? Sollte er sich vielleicht doch auf die Suche nach ihr begeben? Doch wo sollte er beginnen? Was, wenn er sie finden würde? Er, ein Obdachloser! Er verwarf den Gedanken immer wieder.

      „Ist hier noch ein Platz frei?“ Ein adrett gekleideter Mann, deutlich jünger als er, blickte durch seine modische schwarze Hornbrille freundlich auf ihn herab. „Wenn Sie meine Erscheinung nicht stört. Bitte schön!“ „Ein komisches Wetter heute“, kommentierte der Ankömmling, ohne auf die indirekte Frage einzugehen. Stattdessen bot er Kuno eine Marlboro an. Mit seinen schmutzigen Fingernägeln fingerte der Obdachlose in der Zigarettenschachtel herum. „Danke, sehr freundlich.“ Dann rauchten die beiden schweigsam ihre Glimmstängel. Nach einer halben Stunde und einer zweiten Zigarette begann Kuno Seitz, dem Fremden die Geschichte seines Lebens zu erzählen.

      Kunigunde Holzmann und Margarethe Bauer, die beiden fränkelnden Röttenbacher Urgesteine und langjährigen Busenfreundinnen saßen in Kunnis Küche und beratschlagten, wie sie ihre bevorstehenden achtzigsten Geburtstage ordentlich feiern sollten. „Do lass mer scho an grachn“, meinte die Retta im Brustton der Überzeugung, „su ald wird ka Sau.“ Dritte im Bunde war Theresa Fuchs, die rüstige Nachbarin aus der Lindenstraße, und zwei Jahre jünger als die beiden angehenden Jubilare. Genau wie Kunni und Retta war auch die Fuchsn Deres bereits langjährige Witwe. Doch im Unterschied zu den beiden Geburtstagskindern hatte sie noch direkte Familienbeziehungen ersten Grades im Dorf. Ihr Sohn Bruno und seine Frau Julia, ebenso eine gebürtige Röttenbacherin, wohnten drüben, im Neubaugebiet „Bucher Weg“. Julia war zwar schon einmal verheiratet gewesen, mit einem Amerikaner, und hatte in der Nähe von Dallas gelebt, doch drei Jahre nach ihrer Eheschließung und nur ein Jahr nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Michael schlug das Schicksal unbarmherzig zu: John Hausman, ihr erster Mann, verstarb überraschend an Krebs. Glücklicherweise war John Hausman kein armer Mann, sondern ein sehr erfolgreicher Immobilienmakler. Er hinterließ seiner Frau Sachwerte wie das gemeinsame Haus, zwei Autos, ein ansprechend wertvolles Aktienpaket sowie ein Barvermögen von knapp über drei Millionen US-Dollar. Als gemachte Partie kehrte Julia Hausman, geborene Sapper mit ihrem Söhnchen Michael 1983 wieder in ihre fränkische Heimat Röttenbach zurück. Sechs Jahre später, im September 1989, heiratete sie Bruno Fuchs, Theresas Sohn. Die Ehe blieb kinderlos. Nachdem viele Jahre später Julias Sohn Michael im Alter von fünfundzwanzig Jahren in der Sandstraße einen eigenen Hausstand gründete, bauten sich die beiden Eheleute im Neubaugebiet „Bucher Weg“ ein neues, schmuckes Einfamilienhäuschen. Geld war ja genug da. Julia und Bruno führten eine gute Ehe. Die Kritik, dass sie zu viel rauche, musste sich Julia allerdings immer wieder von ihrem Mann gefallen lassen.

      Die Fuchsn Deres hatte als gute Nachbarin der Holzmanns Kunni und der Bauers Retta angeboten, ihnen bei der Organisation ihrer bevorstehenden Geburtstagsfeierlichkeiten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Sie wusste, dass die Kunni Probleme mit ihren Knien hatte und immer öfter auf ihren Rollator angewiesen war. Wie oft hatte sie ihr schon geraten, etwas abzunehmen. Bei einer Körpergröße von nur einem Meter neunundfünfzig waren fünfundachtzig Kilogramm Lebendgewicht einfach zu viel. Kein Wunder, dass die Pfunde auf die maroden Gelenke drückten. „Edz lass mi doch endlich in Ruh mid deine schdändichn Radschläch“, bekam sie immer wieder von der Kunni zur Antwort, „du waßd doch, dassi gern viel und gud ess! Mier schmeggds hald! Wie solln iech do abnehma?“

      Die Retta war das Gegenteil von Kunni Holzmann. Rank und schlank war sie und lief ausdauernd wie ein Mercedes Diesel. Aber ihr machte die Gicht in ihren Fingergelenken immer mehr zu schaffen. Das feinste Gehör hatten zudem beide nicht mehr. Ein Hörgerät wollten sie aber auch nicht tragen. „Dees is doch was fier alde Leid“, pflegten sie zu behaupten, „nix fier uns junge Hubfer!“

      Nun saßen sie in Kunnis Küche, jede eine geöffnete Flasche „Storchenbier“ von der Brauerei Sauer vor sich. Biergläser brauchten sie nicht. Sie tranken aus der Flasche. Die Zeiger der Wanduhr krochen langsam, aber beständig auf zwanzig Uhr zu, und die drei Witwen waren gerade mit einem späten, deftigen Abendessen zu Gange. Auf einer riesigen Platte waren roter und weißer Presssack, geräucherte Leberwurst, Obatzter, grobe Mettwurst, aufgeschnittener Leberkäse, geräucherter Schinken und eine knoblauchhaltige Stadtwurst angerichtet. In einem kleinen Suppenteller lagen dünn geschnittene, kräftig gesalzene Rettichscheiben, und das frisch geschnittene Bauernbrot von Peters Backstube duftete verführerisch. Deutsche Markenbutter, ein Glas Gewürzgurken und aufgeschnittene Tomaten aus dem eigenen Garten rundeten das verlockende Essensangebot ab. Kunigunde Holzmann hatte den Hals der Bierflasche mit geschlossenen Augen an ihre Lippen angesetzt und entließ den Gerstensaft gluckernd und genießerisch in ihre Kehle. „Aah, dud dees gud! Es gibd doch nix ieber an gscheidn Schlugg frischs Sauer Bier, wemmer durschdich is“, kommentierte sie, nachdem sie die Flasche wieder auf den Tisch zurückgestellt hatte. „Also Maadli, wos is edz? Wu schdemmer denn in unserer Blanung?“, wollte sie wissen. „Lang zu, Deres, der Bressagg is vom Baumüller. Ganz frisch. Habbi heid erschd kaffd. Soller der an Senfd dazu hulln, odder mogsd lieber an Sahnemeerreddich? Schmeggd aa gud!“

      „Na, Kunni, dangschee, iech kann auf der Nachd nemmer suviel essn. Bekummd mer ned. Lichd mer bloß im Moogn. Abber– weilsd scho fragsd – iech hab mer dengd, dees Kugnbaggn iebernehm iech. Do brauchd iehr eich scho nemmer mid zu belasdn. Habd eh gnuch um die Ohrn. Und Eikaafn kanni aa. Blabds denn edz beim sibbzehndn Augusd? Eiere große Feier? Wieviel Leid habd der denn ieberhabds eigloodn?“

      „No, du gfällsd mer, Deres!“, antwortete die Kunni. „Die Fuchsn Werdschafd habbi scho vor ieber an Joahr reserviern lassen! Die zwaa Wirdsschduubn und dees Nebenzimmer. Gschlossne Gsellschafd! Die Retta had am fuchzehndn Augusd Geburdsdooch, dees waßd ja, und iech zwaa Dooch schbäder. Do hammer uns dengd, dass mer gor nemmer lang rummachn und gleich am sibbzehndn feiern. Dees is a Freidooch. Do kenna die Leid am näxdn Dooch aa ausschloofn.“

      „Wieviel werns denn sei? Wer kummd denn alles?“, hakte die Theresa nochmals nach.

      „Dees wiss mer edz doch aa ned auswendich, wen mier alles eigladn hamm. Dees misserdn mier edz aa erschd nochschaua“, meldete sich nun die Retta zu Wort, nachdem sie ebenfalls einen kräftigen Schluck Bier genommen hatte und leicht rülpste. „Jedenfalls kumma su umera hunerdfufzich Leid, die meisdn aus Röttenbach, abber aa a boar Auswärdiche sen dabei. Danzd werd aa. Der Gerald Harter machd Mussigg im Nebenzimmer. Der had scho lang zugsachd, dasser kummd!“

      „Jessasla, do musser mer ja exdra was Neis zum Oziehchn kaafn“, meinte die Fuchsn-Nachbarin. „Habd der dees Essn a scho bschdelld?“

      „Naa, dees langd nu a Wochn vorher, had die Wirdin gmaand, abber deswegn hoggn mier edzerdla ja aa grood zamm“, kam die Kunni wieder zur Sache. „Wos maandn na iehr, was mer zum Essn bschdelln solldn?“

      „Auf jedn Fall nix Ausländischs!“, schlug die Retta vor.

      „Do gebber der scho rechd, Redda“, bestärkte sie die Theresa Fuchs, „do solled iehr scho СКАЧАТЬ