Die Kleinen sind die Feinen. Otfried Schröck
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Название: Die Kleinen sind die Feinen

Автор: Otfried Schröck

Издательство: Автор

Жанр: Биология

Серия:

isbn: 9783961455904

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СКАЧАТЬ Pfeifen und Rufen lässt sich Utz nicht sehen.

      Voller Sorge informiere ich alle möglichen Ansiedlungen, bei denen er anlaufen könnte, den Reichsbahnangestellten am Haltepunkt, den Wachhabenden der nahegelegenen Kaserne und den Leiter der am Bahnübergang gelegenen landwirtschaftlichen Untersuchungseinrichtung. Der ist auch Jäger und ich bin seit Jahren mit ihm befreundet. Nochmals fahre ich zum Mantel am Bahndamm und danach zum Rucksack am Eichendreieck und stelle zwei Stöcke aufrecht in den Rucksack, damit Utz bequemer einschliefen kann - wenn er denn zurückkommt. Wieder zu Hause, mache ich mir das Bett im Wohnzimmer auf dem Sofa zurecht, um das Telefon nicht zu überhören. Handys oder das Mobilteil eines Festnetz-Telefons gab es damals noch nicht. Das wir überhaupt ein Telefon im Hause hatten, war nur einer glücklichen Fügung zu verdanken.

      Nach einer kurzen, unruhigen Nacht weckt mich gegen sechs Uhr morgens das Telefon. Mein Weidgenosse ist mit den Worten: „Dein Hund war gerade auf unserem Betriebsgelände, hat sich aber nicht anfassen lassen. Dann ist er sehr zielstrebig in Richtung Bergschäferei gelaufen“ am Apparat. Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn in der angegebenen Richtung befindet sich das Eichendreieck, das mein Hund schon von vielen Jagdgängen her kennt.

      Wir, meine Frau ist selbstverständlich mit dabei, fahren quer durch das Luch direkt auf das Eichendreieck zu. Noch ist es stockdunkel, aber wir sehen schon von weitem dicht nebeneinander zwei grüne Leuchtpunkte. Utz hat den Rucksack angenommen. Die Freude auf allen Seiten ist riesengroß und wir schließen unser „Miststück“ in die Arme. Er ist über und über mit rötlichem Staub von der „Asche“ bedeckt. Möglicherweise hat er, nach dem er die Verfolgung der Sauen aufgegeben hat, noch einen Fuchsbau besucht, denn das dauert bei ihm ja erfahrungsgemäß immer etwas länger. Wir fragen uns, wie er zurück gefunden hat. Auf seiner Spur vom Hinweg zurück zum Rucksack bestimmt nicht, denn da wäre er zuerst am Mantel angelangt. Der Weg über den Betriebshof des Untersuchungsdienstes ist der kürzeste vom letzten Laut bis zum Rucksack. Es bleibt eigentlich in diesem Fall wohl nur die Vermutung, dass er sich großräumig an dem Geruch der Eichen und anderen Gerüchen orientiert hat. Dabei spielt sicher die Windrichtung auch eine Rolle; das haben wir damals aber nicht überprüft. Wir sind so froh, dass wir unseren Hund wieder haben, und dieser ist es wohl auch. Als wir mit dem Auto die Gleise auf dem Bahnübergang kurz vor unserem Haus überqueren, hebt er seinen Kopf aus der warmen Jacke, in die wir ihn eingepackt haben, heraus und ein freudiger Jauler kommt aus seinem Fang. Er ist wieder zu Hause. Wer mag wohl glücklicher sein in diesen Minuten – Frauchen, Herrchen oder unser Hund.

      In meinem Heimatort wird nun schon seit vielen Jahren ein Volksfest, welches Jägerfest genannt wird, gefeiert. Während das Programm dieses Festes ursprünglich mit vielen jagdlichen Aktivitäten ausgefüllt war, ist es heute nur noch ein Volksfest wie viele andere auch. Geblieben ist der Name, das Engagement der Jäger hält sich, auch durch die veränderten Bedingungen nach der Wende, in Grenzen. Heute wird kaum eine der aufwendigen jagdlichen Programmpunkte mehr durchgeführt, weil die Akteure dafür nicht mehr durch ihre Arbeitgeber freigestellt werden. So haben wir in den ersten Jahren mit Erfolg und unter großem Applaus u. a. die Arbeit der Teckel in einem künstlichen Bau vorgestellt. Dazu hatte ich mir ein Plastikrohr mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern in drei Teile schräg zerschneiden lassen, so dass ich sie in zwei Kurven auslegen konnte. Allein die Vorbereitung des Aufbauens nahm mehr als zwei Stunden in Anspruch. Zunächst holten wir von einer Wiese Rasensoden, um damit die Plastikrohre zu überdecken und so zu kaschieren. Mit einem sorgfältig lange vorher ausgewählten alten Wurzelstock und mehreren Farnen wurde die Einfahrt verblendet. Das Beste der ganzen Angelegenheit aber war ein speziell dafür angefertigter Kasten, einen Meter lang, 50 Zentimeter breit und ebenfalls 50 Zentimeter hoch, in dem sich drei Abteile befanden. Auch dieser Kasten wurde mit mehreren Farnen verblendet. In das erste Abteil am Ende des Rohres konnte der Hund einschliefen und ein im zweiten Abteil befindliches Kaninchen verbellen. Beide Abteile waren durch ein kräftiges Gitter getrennt, so dass dem Kaninchen nichts passieren konnte. Neben dem ersten Abteil befand sich ein weiteres schmales drittes Abteil, das durch einen Schieber abgetrennt war. Darin war vorher ein Hasenfell deponiert worden. Wie an einem Naturbau wurde der Hund nun an der Einfahrt angesetzt, nahm den Bau an und verbellte, wie erwartet, das Kaninchen. Das funktionierte immer, nach einigen Übungen auch dann, wenn gar kein Kaninchen drin war. Hatte der Hund zur Freude der Zuschauer lange genug gebellt, wurde der Schieber gezogen und der Hund kam rückwärts mit dem Hasenbalg wieder aus dem Bau heraus. Nur einmal brachte eine meiner Hündinnen das Fell nicht. Aber wozu hat man denn als Züchter meist mehrere Hunde zur Verfügung. Mein Sohn Ronald leinte die erste Hündin an und ich schickte die zweite in den Bau und unter großem Applaus brachte diese nun den Balg heraus.

      Nicht immer waren sich alle jagdlichen Akteure bei der Vorbereitung einig, so auch einmal Anfang der 1980-er Jahre, als das Fest auf der Kippe stand. Ich verabrede mich mit meinen Weidgenossen Rolf und Wilfried, um ein neues Programm auf die Beine zu stellen. Dazu treffen wir uns in meiner Jagdhütte, um einen von mir entworfenen Ablaufplan zu beraten. Diese Jagdhütte stand damals am Rande des Roten Luches auf der Hofstelle eines der beiden Torfhäuser. Vier Wände, ein Dach, ein Fenster, eine Bettstelle, ein kleiner Ofen und eine Kochgelegenheit reichen aus, um das zuvor beschriebene Revier in den Torfstichen problemlos zu bejagen, ohne jedes Mal abends nach Hause fahren zu müssen.

       Der künstliche Fuchsbau zum Jägerfest in Waldsieversdorf

      Nach unserer Beratung wollen wir uns in meinem Pirschbezirk ansetzen, danach grillen, etwas trinken und uns dann verabschieden. Als ich eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit an der Hütte ankomme, sind meine Weidgenossen bereits da und haben schon eine halbe Pulle Schlehenlikör intus. Die Programmpunkte für das nächste Jägerfest sind schnell durchgesprochen, alle meine Vorschläge werden einstimmig angenommen. Mit dem vorgesehenen gemeinsamen Ansitz wird es jedoch zunächst nichts. Wir wollen erst grillen und etwas trinken und uns dann ansetzen. Die Einigung ist ja sehr schnell gegangen und bis zur Dämmerung ist es noch eine Weile hin. Als wir dann doch aufbrechen, fährt einer meiner Freunde gleich mit seinem Moped nach Hause, mit dem anderen setze ich mich an. Er auf meiner Eichenkanzel, ich 200 Meter davon entfernt auf einer Leiter. Während das Büchsenlicht langsam zu schwinden beginnt, knallt es bei ihm. Als er mich einweist, erkenne ich, dass er die aus den Torfstichen auswechselnde Sau erst im allerletzten Moment gesehen und beschossen hat. Wir finden keinen Schweiß und auch keine weiteren Pirschzeichen. Mit meinem Utz suchen wir noch bis an den Rand des Torfstiches und tragen dann den Hund ab. Der wehrt sich zwar dagegen, aber ich schlage vor, wegen der fortgeschrittenen Dunkelheit die Nachsuche für heute abzubrechen. Wilfried fährt nach Hause und ich verspreche ihm, dass ich am nächsten Morgen vor Dienstbeginn noch einmal nachsuchen werde.

      Am nächsten Morgen klingelt der Wecker gegen 5:00 Uhr. Ich wache mit dröhnendem Kopf auf und „Lassmann“ flüstert mir ins Ohr: „Warum willst Du jetzt schon aufstehen. Ihr habt doch gestern Abend schon nach-gesucht und nichts gefunden. Was soll schon passieren. Und außerdem sind die Torfstiche fast undurchdringlich, ein verludertes Schwein findet dort eh’ keiner und Du musst erst um 7:00 Uhr im Dienst sein.“ „Lassmann“ und „Fassmann“ hat Ehm Welk in seinem Buch „Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer“ sehr anschaulich beschrieben. Wenn der eine in ihm sagte: „Fass man zu!“, so antwortete der andere: „Lass man lieber!“

      Es vergehen mehrere Minuten und ich bin fast wieder am Einschlafen, da meldet sich „Fassmann“ zu Wort: „Wenn die Sau aber doch liegt! Du wirst darüber nicht sehr froh sein! Du, der bei jeder Gelegenheit den Weidgenossen ins Stammbuch schreibt: „Nach jedem Schuss eine Kontrollsuche!“. Außerdem bist Du im Vorstand der Jagdgesellschaft für das jagdliche Brauchtum und das Hundewesen verantwortlich. Stell Dir die Blamage vor, wenn das Stück durch einen unglücklichen Zufall gefunden wird. Denke daran: Der Wald hat tausend Augen.“ Das wirkt auf mich so nachhaltig, dass ich sofort hellwach bin. Nach einem erfrischenden Kaffee mache ich mich mit „Utz“ auf den Weg. Es ist inzwischen hell geworden und ich СКАЧАТЬ