Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte. Werner Rosenzweig
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СКАЧАТЬ etwas Zeit. Pünktlich zur Schlüsselübergabe würde sie über die Straße huschen und anschließend, so hatte sie sich vorgenommen, den Schampus besorgen, am besten gleich vorgekühlt. Ob drei große Flaschen reichen? Rolf? Anaconda? Ihr wollte dazu einfach nichts einfallen. Schade.

      *

      Pünktlich um sechzehn Uhr stand Roserl Hinterwimmer vor dem Hoteleingang und wollte gerade den Klingelknopf drücken, als sich die Tür wie von Geisterhand öffnete.

      Eine freundliche Frau, Mitte vierzig, ordentlich – businessmäßig – gekleidet, lächelte ihr entgegen. »Frau Hinterwimmer? Frau Rosi Hinterwimmer?«, strahlte die Fremde sie an. Trotz der Hitze trug sie ein schickes, schwarzes Kostüm. Ihr blonder Pagenschnitt passte zu ihrem schmalen Gesicht mit den dunkelbraunen Augen. Schlanke Figur, Größe 36 vielleicht, aber Holz hatte sie nicht viel vor der Hütte.

      »Ja, schon«, antwortete die Roserl.

      »Bitteschön, treten Sie ein«, meinte die ordentlich Gekleidete. »Mein Name ist Gerta Brahms. Herzlich willkommen in unserem Eh’häusl.«

      Rosi Hinterwimmer trat ein. Eine Symphonie in Licht und Farben erstrahlte im ganzen Haus und aus unsichtbaren Lautsprechern ertönte Verdis »La Traviata«. Eine Gästebegrüßung zum Träumen schön.

      »Darf ich Ihnen unser Haus zeigen?«, flötete Gerta Brahms.

      »Gerne.«

      »Also hier befinden wir uns im Entree«, erklärte der blonde Pagenschnitt, drehte sich auf den Absätzen um die eigene Achse und breitete die Arme aus. »Eine Treppe tiefer finden Sie unseren Roten Salon. Dort bereiten wir für Sie und Ihren Mann unser exquisites Frühstück zu. Aber dazu später mehr. Ich schlage vor, wir gehen zuerst nach oben und ich zeige Ihnen unser Kaminzimmer, das Schlafzimmer, eine Etage höher das Badezimmer und unter dem Dach die Whirlpool-Etage. Sind Sie bereit?«

      »Ja.« Roserl sah sich noch in dem schmalen Empfangsraum um, als Gerta Brahms schon die erste der sieben Stufen zum Kaminzimmer betrat. Links an der Wand, gleich hinter der Eingangstür, stand ein altertümlicher Sekretär. Die Klappe war herabgelassen. Sie hatte so gar keine Ahnung, welcher Epoche sie das Möbelstück zurechnen sollte. Barock? Rokoko? Sei’s drum. Der Stuhl links daneben in der Ecke, mit seiner dunkelrot-weißen Polsterung und den verschnörkelten Beinen, passte optisch jedenfalls hervorragend dazu. Auch der ovale Spiegel in seinem alten, rechteckigen Holzrahmen, über dem Sekretär. Und dann diese geschmackvollen Kleinigkeiten. Ein pausbäckiger Engel an der Wand, eine feine Holzarbeit, hielt eine Kerze in der Hand. In der Windung des weißen, edlen Holzgeländers, welches den Weg nach oben und unten wies, saß ein Engel. Aus Metall gegossen. Er hatte den Kopf geneigt und spielte auf einer Querflöte. Neben ihm, rechts des Treppenaufgangs, umschlangen sich Romeo und Julia – eine fast mannshohe Steinstatue – in einer innigen Umarmung und küssten sich.

      »Dies ist unser Kaminzimmer«, hörte sie Gerta Brahms sechs Stufen voraus sagen. »Hier liegt auch unser Gästebuch auf, in welches sie sich gerne eintragen können.« Roserl erreichte die siebte Stufe und nahm die Eleganz und Schönheit des kleinen Raumes in sich auf. Wieder diese wunderschönen alten Sitzmöbel in dunkelrot-weiß gestreift. Ein Zweisitzer und ein passender Stuhl daneben. In der Mitte ein runder Glastisch mit geschwungenen Metallfüßen auf einem edlen Orientteppich. An der Stirnwand eine kleine, antike Kommode auf dünnen, schlanken Beinen und schräg darüber, in der Ecke der Wand, eine römische Freske in Rot, welche wahrscheinlich eine römische Göttin darstellte.

      »Ich denke, die Funktionsweise des Kamins muss ich Ihnen bei diesen Temperaturen nicht erklären«, hörte Roserl ihre Führerin sagen. Ein Kaminsims mit Glasfront tat sich vor ihr auf. Dahinter künstliche Holzscheite. »In der kalten Jahreszeit kann der Kamin mit Gas betrieben werden«, erklärte Frau Brahms. »Und mit dieser Fernbedienung hier, können Sie vierunddreißig Fernsehsender empfangen«, fuhr sie fort. Schon stieg sie zur nächsten Etage empor, während die Roserl noch den schwarzen Flachbildschirm betrachtete, der in einem ausziehbaren und schwenkbaren Metallgestell steckte, welches an die Wand montiert war. »Dies ist unser Schlafzimmer«, trötete Frau Brahms von oben. Der kleine Raum im nächsten Geschoss wurde durch das breite Doppelbett dominiert. Rechts an der Wand hing ein mannshoher, rechteckiger Spiegel in einem dicken, goldenen Holzrahmen. Auf der schwarzen Überdecke, am Fuße des Bettes, lag eine langstielige, dunkelrote Rose. »Wir gehen nun zum Bad hoch.« Hinter einer dicken Glastür, gleich an der rechten Seite des Raumes, zog sich eine weiße Kommode von Wand zu Wand. Die dicke Holzplatte darauf war in einem dunklen Braun gehalten und obenauf saß ein weißes Porzellanwaschbecken mit einer schwenkbaren Armatur. Ein WC und eine Duschkabine füllten den restlichen Raum aus. Es ging weiter treppauf. »Das ist unsere letzte Etage, unsere Whirlpool-Etage«, erklärte Frau Brahms. »Wie Sie sehen, ist die Wanne zur Benutzung für zwei Personen gleichzeitig gedacht. Hier«, und dabei hantierte sie an verschiedenen Knöpfen und Tastaturen herum, »können Sie die Intensität der Düsen einstellen und hier die Farbspiele für das Wasser.« In einer Ecke des Raumes hing eine fast mannsgroße, weiße Steinfigur schräg über der Wanne – so, als wollte sie den Badenden bei ihren Wasser- und sonstigen Spielen zusehen. »Durch das Dachfenster können Sie in der Nacht den Sternenhimmel betrachten. Ja, Frau Hinterwimmer, das war’s. Haben Sie noch Fragen? Falls nicht, gehen wir doch in den Keller. Ich zeige Ihnen noch den Roten Salon, in dem wir Ihnen das Frühstück servieren. Wissen Sie schon, wann sie frühstücken möchten? Dazu muss ich vielleicht noch erklären: Circa eine Stunde, bevor Sie Ihr Frühstück zu sich nehmen wollen, schleiche ich mich ins Haus. Keine Sorge, ich verhalte mich ganz leise, wie ein Mäuschen. Ich werde Sie nicht stören, keinen Lärm machen. Also wie gesagt, eine Stunde vorher komme ich und bereite Ihnen und Ihrem Mann im Roten Salon ein ausgiebiges Frühstück zu. Wir müssen uns nur noch auf eine Uhrzeit einigen.«

      Roserl Hinterwimmer war fasziniert. Sie musste an ihr eigenes Loch keine zwanzig Meter schräg gegenüber denken. Am liebsten wäre sie sofort dauerhaft hier eingezogen. Luxus pur. Mit Gerta Brahms vereinbarte sie neun Uhr dreißig als Frühstückstermin.

      »Das passt«, meinte Frau Brahms. »Wissen Sie, es tut mir leid, das sagen zu müssen«, säuselte sie, »aber um elf Uhr müssten Sie das Hotel wieder frei machen. Die nächsten Gäste … Sie wissen schon … Ich bitte um Ihr Verständnis … Wir müssen ja auch noch sauber machen zwischendurch … Aber das weiß Ihr Mann bereits … Ach ja, Frau Hinterwimmer, sagen Sie doch Ihrem Mann noch einen lieben Gruß von mir, aber das nächste Mal sollte er doch etwas vorsichtiger sein und nicht so viel Geld einfach in einem Briefkuvert versenden. Trotzdem, Briefmarken verschickt er wunderschöne. Die Nürnberger Kaiserburg hat er als Motiv aufgeklebt, wie sie in der Abenddämmerung angestrahlt wird. Wunderschön. Ich habe mir die Marke gleich ausgeschnitten. Für meinen Sohn. Der sammelt nämlich Briefmarken.«

      Der Nutte aus Wolfrathshausen kam erneut Rolf, ihr Gönner, in den Sinn, der sich offensichtlich als ihr Ehemann ausgegeben hatte. Sie ärgerte sich wieder einmal, dass sie sich so gar nicht an ihn erinnern konnte. Dieser Rolf mit seiner Anaconda hatte einigen Aufwand betrieben, um mit ihr eine Nacht in diesem romantischen Ambiente zu verbringen. Sie war gespannt wie ein Flitzebogen. Noch fünf Stunden, dann würde sie ihn wiedersehen. Vielleicht schlummerte er ja doch noch in einer Schublade ihres Gedächtnisses. Sie hatte die Schublade bloß noch nicht gefunden. Am meisten freute sie sich auf die tausend Euro. Nun hatte sie noch ausreichend Zeit, bis sie ihn begrüßen konnte. Zur Feier des Tages hatte sie Lust auf einen Eiskaffee im Café Zentral. Danach würde sie drei Flaschen gut gekühlten, edlen Schampus besorgen, später beim Italiener, gleich um die Ecke, noch eine Kleinigkeit zu sich nehmen und sich danach im Eh’häusl einquartieren, bis ihr Lover eintraf. Die Whirlpool-Anlage konnte sie ja schon mal vorher testen. Hoffentlich stellte sich die Anaconda nicht als Blindschleiche heraus.

      Am Freitag, den 3. Juli 2015, zwanzig Minuten vor einundzwanzig Uhr, stieg im Fränkischen, circa einhundert Kilometer СКАЧАТЬ