Название: Wehre dich deiner Haut
Автор: Sigrid Uhlig
Издательство: Автор
Жанр: Публицистика: прочее
isbn: 9783961455898
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Nachdem es ihr mehrere Tage nicht gelang, eine Internetverbindung herzustellen, rief sie die Störungsstelle an. Schnelle Hilfe wurde versprochen. Laut Vertrag sollten Störungen innerhalb von vierundzwanzig Stunden, bei schwierigen Fällen von achtundvierzig Stunden beseitigt sein. Als Erna nach dieser Zeit nichts hörte, rief sie an: „Wir arbeiten dran“, war die lapidare Antwort. Nach drei Wochen arbeitete man immer noch dran. Da reichte es ihr. Sie schrieb erneut eine Kündigung und legte einen Termin fest. Inzwischen sah sie sich nach einem neuen Anbieter um. Dort brauchte sie keinen Zweijahresvertrag zu unterschreiben, sondern nur für vier Wochen. Aber auch hier war der Empfang nicht besser, so dass sie den Vertrag nach vier Wochen wieder kündigte. Erna entschloss sich, zum althergebrachten Festnetz zurückzukehren.
Der Vierwochenanbieter versuchte mehrmals, Erna als Dauerkundin zu gewinnen, gab dann jedoch seine Aktivitäten auf.
Für den Daueranbieter hatte sie bei Vertragsbeginn einen Einziehungsauftrag erteilt. Als nach der Kündigungsfrist vier Wochen später die Rechnung ebenfalls von ihrem Konto abgebucht wurde, ließ sie den Betrag von der Bank zurückholen. Sie rief die Rechnungsstelle an, die von der Kündigung nichts wusste und entzog dem Unternehmen den Einziehungsauftrag. Nach weiteren vier Wochen kam die nächste Rechnung, einschließlich einer Mahnung und Verzugszinsen.
Obwohl bei Vertragsverletzungen einseitige Kündigungen vorgesehen waren, wurde die von Erna nicht akzeptiert. Fernmündlich und schriftlich hatte sie versucht, eine vernünftige Klärung herbeizuführen. Anstatt einer Antwort wurde ihr vom Netzanbieter nach drei Monaten gekündigt und sie aufgefordert für weitere zwei Jahre die Grundgebühr zu bezahlen und rückwirkend die angefallenen Kosten. Ansonsten würde man ein Inkassounternehmen beauftragen und die Schufa informieren. Da suchte Erna Rat bei einer Verbraucherzentrale. Von einem Wartebereich wurde sie in ein nicht sehr großes, aber ansprechendes Büro geführt. Dort dominierte eine äußerst korpulente Dame neben einem schlanken Herrn den Raum. Sie ließ ihrem Mitarbeiter keine Chance und zog das Geschehen sofort an sich. Erna erklärte kurz, warum sie Hilfe suchte. Die Dame fragte nach dem Inkassounternehmen, blätterte in A4-Seiten und erklärte dann: „Das Unternehmen ist bei uns gelistet. Sie müssen bezahlen.“
Erna traute ihren Ohren nicht. „Aber ich habe doch alles bezahlt, sogar die Internetleistungen, obwohl ich sie nicht nutzen konnte.“
Die Höflichkeit der Korpulenten schwenkte sofort in Strenge und Unnachgiebigkeit um. Erna habe die aufgelaufenen Beiträge einschließlich der Verzugszinsen sofort zu bezahlen, ansonsten wäre sie eine Betrügerin.
Die Rentnerin war zur Verbraucherzentrale gegangen, um Rat und Hilfe zu erhalten und nicht, um hier auch noch beschimpft und beleidigt zu werden. Verdattert und sprachlos wollte sie das Büro verlassen. Sie verstand die Welt nicht mehr. Der schlanke Herr versuchte mildernd einzugreifen, indem er auf einen gleichgelagerten Fall verwies. Das Gericht hatte dem Kunden Recht gegeben.
Sie möchte sich doch vertrauensvoll an die Verbraucherzentrale wenden, sollte es zum Gerichtsverfahren kommen.
Immer noch verwirrt verließ Erna das Gebäude. Hoffentlich bekam der schlanke Herr keinen Ärger. Ein Inkassounternehmen meldete sich. Vergeblich hoffte sie auf Einsicht. Innerhalb eines halben Jahres war so ein Betrag von 548,97 Euro entstanden Erna zahlte nicht.
Nach weiteren drei Monaten lag ein Gerichtsbeschluss mit einem Widerspruchsformular vor. Dieser Akt war mit Kosten verbunden und Erna sollte nun 695,13 Euro zahlen. Sie füllte das Widerspruchsformular aus, schickte es dem Gericht zurück mit der Mitteilung, dass alle Leistungen, die sie vom Kläger erhalten hatte, auch nachweislich von ihr bezahlt wurden. Ihre Nerven lagen schon lange blank. Ihr Herz raste, wenn sie die Briefumschläge nur sah. Das Inkassobüro bot ihr daraufhin Teilzahlung an.
Erna lehnte ab.
Dann bekam sie eine neue Information. Man würde ihr 150,00 Euro erlassen, wenn sie den Restbetrag in einer Summe zahlte.
Erna bedankte sich höflich für das Angebot, lehnte aber eine Bezahlung weiterhin ab.
Um doch noch zu Geld zu kommen, fiel dem Inkassobüro etwas Neues ein. Erna sollte ein vorbereitetes Schreiben mit ihrer Unterschrift bestätigen. Darin stand, dass sie den Widerspruch zurückzieht. Sie unterschrieb nicht.
Seitdem hat sie vom Netzanbieter, dem Inkassounternehmen und dem Gericht nichts mehr gehört.
Ernas Hoffnung: „Möge es so bleiben!“
Zwei Jahre waren vergangen. Da stand ein Artikel in der Tagespresse:
„Ärger beim Wechsel des Anbieters“
Im Artikel wurde festgestellt, dass die meisten Kunden aller zwei Jahre die Netzanbieter wechseln, die Umstellung nicht immer klappt und die Bundesnetzagentur sehr viele Beschwerden zu bearbeiten hat. Der Grund des ständigen Wechsels besteht darin, dass Neukunden mit niedrigen Preisen angelockt werden, während Stammkunden immer auf den hohen Gebühren sitzenbleiben.
Ernas Schlussfolgerung daraus: Die Netzanbieter sind an jahrelangen Stammkunden nicht interessiert, sonst würden sie Preisvorteile erst an die Stammkunden weitergeben, anstatt an Neukunden.
GUT UND SCHLECHT NAH BEIEINANDER
Erna wäre nicht zehn Jahre bei dem Netzanbieter geblieben, wenn sie vor den geschilderten Ereignissen Grund zur Unzufriedenheit gehabt hätte. So ein menschenverachtendes Benehmen gegenüber Kunden sollte keiner akzeptieren.
Vom Mobilfunkausflug war Erna ins Festnetz zurückgekehrt. Der Zweijahresvertrag lief aus. Sie versäumte, rechtzeitig zu kündigen. Als sie es bemerkte, war es zu spät. Somit verlängerte sich der Vertrag automatisch um weitere zwei Jahre. Gab es keine technischen Veränderungen, bedeutete es zwei Jahre Ruhe im Telefon- und Internetbetrieb.
Verträge sind eine zweiseitige Angelegenheit. Aber manchmal können auch durch Dritte eingreifende Veränderungen bewirkt werden. Im Zuge des Städterückbaus Ost sollte auch die Straße, in der Erna wohnte, abgerissen werden. Alle Mieter erhielten die Kündigung.
Erna rief ihren Netzanbieter an. Am anderen Ende der Leitung wurde ihr erklärt, dass der Wechsel 59,95 Euro kosten würde.
„Warum?“, fragte Erna. „ich will nicht umziehen, ich muss. Es ist eine politische Maßnahme. Gibt es dafür keine Sonderregelungen oder sonstige Möglichkeiten?“
„Keine!“, erhielt sie zur Antwort. „Sie können einen neuen Zweijahresvertrag abschließen. Dann kostet der Wechsel gar nichts. Aber die bisherigen Konditionen können wir ihnen nicht anbieten und auch nicht die gleiche Netzgeschwindigkeit. Sie müssen im Monat fünf Euro mehr bezahlen.“
„Moment mal bitte“, meinte Erna. „Habe ich das jetzt richtig verstanden? Für weniger Leistung muss ich mehr bezahlen?“
„Ja, СКАЧАТЬ