Wehre dich deiner Haut. Sigrid Uhlig
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Название: Wehre dich deiner Haut

Автор: Sigrid Uhlig

Издательство: Автор

Жанр: Публицистика: прочее

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isbn: 9783961455898

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СКАЧАТЬ nicht. Sie wollte nur noch gemütlich im Sessel sitzen, Kaffee trinken und ein paar Minuten die Stille genießen.

      Der Mann klopfte noch einige Male. Als er merkte, dass es zwecklos war, stieg er laut schimpfend in die nächsten Etagen hinauf und beschwerte sich bei jedem, der ihm die Tür öffnete, über Ernas ungebührliches Benehmen. Darüber wurden einige Mieter sehr ungehalten. Frau Lehmann wäre eine sehr liebe alte Dame. Er solle keine Lügen verbreiten und knallten ihm die Tür vor seiner Nase zu. Noch lauter schimpfend und Flüche ausstoßend verließ er das Haus.

      Welch eine himmlische Ruhe! Zu früh gefreut, Erna.

      Das Telefon klingelte. „Guten Tag, Frau Lehmann, ich bin Friederike Wohlfeil und arbeite am Institut „Volkswissen“. Ihre Stadtverwaltung hat uns beauftragt eine Befragung durchzuführen.“

      „Tut mir leid“, unterbrach sie Erna, „telefonisch gebe ich generell keine Auskünfte, schicken sie mir bitte die Unterlagen zu.“

      „Es gibt keine Unterlagen“, belehrte sie Frau Wohlfeil, „es handelt sich um eine mündliche Befragung. Ihre Antworten werden gleich in den Computer eingegeben und später von der Stadtverwaltung ausgewertet. Lassen sie es uns doch bitte versuchen.“

      Die Sache begann ganz harmlos. Name, Anschrift, Geburtsdatum und die Größe der Wohnung wurden verglichen. Als jedoch die Frage kam, wie viele Personen im Haushalt leben, durchzuckte sie ein Gedanke. Wenn es doch keine Befragung der Stadtverwaltung war? Warum sollte sie sagen, dass sie allein in der Wohnung lebte? So antwortete sie: „Drei Personen.“

      „Wie hoch ist das gesamte Einkommen?“

      „Ich glaube nicht, dass unsere finanziellen Verhältnisse die Stadtverwaltung interessiert“, meinte Erna.

      Frau Wohlfeil wurde patzig: „Frau Lehmann, mit dieser Befragung muss ich meinen Lebensunterhalt verdienen.“

      „Wenn sie überall so unhöflich sind, verdienen sie gar nichts“, konterte Erna und legte auf.

      Was für ein verrückter Tag, leider kein Aprilscherz.

       NETZANBIETER

      Obwohl Erna schon einige Jahre Rentnerin war, hatte sie die Exaktheit, die ihrem Charakter eigen war, beibehalten. Nun musste sie zu einer Operation ins Krankenhaus. Um den gewünschten Erfolg zu erzielen, war sie danach viele Wochen so gut wie bewegungsunfähig. Ihre Kinder wohnten einige hundert Kilometer weiter. Daher war von ihnen höchstens mal ein Wochenendbesuch zu erwarten. Dass sie noch öfter E-Mails schreiben oder telefonieren würden als sonst, war selbstverständlich. So organisierte Erna bei Verwandten, Freunden und Bekannten ihr Leben nach dem Krankenhausaufenthalt. Tiefkühlfächer und der Kühlschrank waren voll. Dosen mit fertigen Suppen und Gemüse warteten auf den Verzehr. Erna wollte fremde Hilfe nur in Anspruch nehmen, ließe es sich nicht vermeiden.

      Sie legte ein Blatt Papier bereit, auf dem sie alles aufschrieb, was sie erledigen wollte. Systematisch wurden die Punkte abgearbeitet.

      Erna glaubte, an alles, was vorausschaubar war, gedacht zu haben, nur an eines nicht; nämlich, dass man als moderner Mensch beim heutige Stand der Technik zwei Telefone braucht. Sie war immer Kundin beim Anbieter IMMER GUT VERBUNDEN. Doch dann wurde er ihr zu teuer und sie wechselte zu PREISWERT GLÜCKLICH. Nach Anfangsschwierigkeiten klappte es. Seit etlichen Tagen war sie wieder zu Hause, als eine Freundin ganz aufgeregt auf ihrem Handy anrief: „Was ist los, brauchst du Hilfe?“

      Erna verstand die Frage nicht. Schließlich erfuhr sie, dass sie auf ihrer Festnetznummer nicht erreichbar wäre. Nun staunte Erna. Seit Jahren hatte sie diese Nummer. Probleme gab es nie. Außerdem hatte sie vor ein paar Minuten gerade noch damit telefoniert. Sie wusste noch nicht, dass es mit diesem Telefon und der Nummer ihr letztes Gespräch gewesen sein sollte.

      „Mach dir keine Sorgen“, tröstete sie die Freundin, „ich kümmere mich darum. In der Zwischenzeit kannst du mich auf dem Handy anrufen, da gibt es ebenfalls eine Festnetznummer.“

      Erna suchte die Nummer des Kundenservices von PREISWERT GLÜCKLICH. Aus dem Festnetz sollte die Minute vierundzwanzig Cent kosten.

      „Bezahlen für eine Störungsmeldung? Erna, was hast du da wieder angestellt?“, fragte sie sich selbst. Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer. Aber es gab weder ein Frei- noch ein Besetztzeichen und auch keine Verbindung. Leicht verärgert starrte sie das längliche Kästchen in ihrer Hand an. „Wohl altersschwach“, murmelte sie. „Es geht doch nichts über eine E-Mail“, schaltete den Computer ein und wollte die Verbindung zum Internet herstellen. Der Bildschirm zeigte an: „Kein Internet, keine Telefonie, überprüfen sie ihre Anschlüsse.“

      Erna wusste, dass bei ihr alles in Ordnung war. Man konnte nichts falsch machen, weil sonst die Stecker nicht passten und bestimmte Lampen auf der DSL-Box nicht leuchten würden. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als die Störung über ihr Handy zu melden. Kaum hatte sie die Vorwahl gewählt, erklärte ihr ein Ansagetext, dass die Minute 89 Cent kostet.

      „Möchten sie trotzdem verbunden werden, dann drücken sie die Eins. Möchten sie das Gespräch beenden, drücken sie die Zwei.“ Obwohl Erna erst mal schluckte, wollte sie verbunden werden.

      Es folgte eine weitere Computeransage: „Möchten sie Hinweise zu unseren Produkten, können sie sich selbst informieren über www…, haben sie Fragen zu ihrem Vertrag, möchten sie eine Störung melden oder gibt es Beanstandungen zu ihrer Rechnung, dann sagen sie bitte Produkte, Vertrag, Störung oder Rechnung.“

      „Störung“, sagte Erna.

      „Störung, ist das richtig? Sagen sie ja oder nein.“

      „Ja.“

      „Damit ich sie mit dem richtigen Mitarbeiter verbinden kann, sagen sie bitte ihre Telefonnummer an. Sie können sie auch mit der Tastatur eintippen.“

      Erna sagte klar und deutlich ihre Telefonnummer: „0340 212223.“ Danach entstand eine Pause, die ihr ewig erschien. Dann fragte die freundliche, immer gleichbleibende Computerstimme: „Ihre Nummer ist 0349 212229. Sagen sie ja oder nein.“

      „Nein.“

      „Bitte wiederholen sie ihre Nummer.“

      Diesmal sprach Erna noch langsamer.

      „Ihre Nummer ist 0304 232129. Sagen sie ja oder nein.“

      Innerlich kochte Erna. Trotzdem sagte sie ganz beherrscht: „Nein.“

      „Tippen sie bitte ihre Nummer mit der Tastatur ein.“

      Erna tippte: 0340212223.

      „Ihre Nummer ist 0030 423129. Sagen sie ja oder nein.“

      „Nein.“

      „Dann ist das Gespräch damit beendet.“

      Dagegen konnte sich Erna nicht wehren. Die Verbindung war unterbrochen. Sie registrierte die Anzeige auf dem Display. Dreizehn Minuten hatte der Unfug gedauert, dreizehn Minuten mal neunundachtzig Cent.

      Aber das Telefon musste doch in Ordnung kommen. Nur wenige kannten ihre Handynummer und die andere Festnetznummer außer der Freundin niemand. Sollte sie es gleich noch einmal probieren oder warten? Sie entschied sich für СКАЧАТЬ