Название: Was meine Mutter früher erzählte
Автор: Karin Ackermann-Stoletzky
Издательство: Автор
Жанр: Здоровье
isbn: 9783865067647
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Legen Sie Schiefertafeln und Griffel, Schulhefte und Füller bereit. Beschreiben Sie diese mit kurzen Texten in Sütterlinschrift oder Normalschrift. Das Sütterlin-ABC finden Sie im Internet, z. B. hier: www.suetterlinschrift.de. Die Sütterlinstube „übersetzt“ Ihnen Texte aus der aktuellen Schriftsprache in die Sütterlinschrift: www.suetterlinstube-hamburg.de
Der Frühling kommt
„Als ich ein Kind war“, hat meine Mutter oft erzählt, „da war das Jahr so unglaublich lang! Wie dehnte sich damals die Zeit von einem Geburtstag bis zum nächsten, wie krochen die Tage dahin von Weihnachten bis Ostern! Irgendwie scheint es mir immer so, als wäre die Zeit für Kinder eine andere als die, die wir Erwachsenen erleben.
Ich fieberte jedes Jahr darauf, dass endlich der Frühling kommen möge. Der Winter in Ostpreußen war lang und hart, mit so viel Schnee, dass man darin versank. Aber wenn das Eis auf den Seen und Flüssen eine Wasserschicht bekam, wenn die Krähen sich wieder auf den Äckern sammelten und die Sonne immer mehr Löcher in die Schneedecke wärmte, dann wussten wir: Der Frühling kommt. Meist ging das ganz schnell. Nur wenige Tage dauerte es, bis die endlos lange Starre des Winters sich in eine strahlende Frühlingspracht verwandelt hatte.
Wenn die Sonne dann immer mehr an Kraft gewann, wenn sich die ersten Schneeglöckchen durch die Schneedecke trauten, dann war das wie eine Erlösung für mich. Endlich! Ich sehnte jeden grünen Fleck herbei und sprang vor Freude über jeden Krokus mindestens zwei Meter hoch – so kam es mir jedenfalls vor. Dann kamen bald die Kiebitze und später die Stare und Störche. Im Wald roch alles nach Frühling, und wenn die Morgensonne durch das erste Grün der Bäume fiel, dann wusste man, dass die lange Zeit des Winters endlich vorüber war.
Winter ade sangen wir dann in der Schule. Das ging so:
Winter ade!
Scheiden tut weh.
Aber dein Scheiden macht,
Dass mir das Herze lacht!
Winter ade!
Scheiden tut weh
Winter ade!
Scheiden tut weh.
Gerne vergess ich dein,
Kannst immer ferne sein.
Winter ade!
Scheiden tut weh.
Winter ade!
Scheiden tut weh.
Gehst du nicht bald nach Haus,
Lacht dich der Kuckuck aus!
Winter ade!
Scheiden tut weh.
Ich wartete besonders auf die Weidenkätzchen. Oft stand ich dann am Baum und schälte die kleinen, weichen Kätzchen aus der braunen Schale, die sie schützend umgab. Ich streichelte sie vorsichtig, und es kam mir fast so vor, als würde ich das Fell einer echten Katze berühren.
Wenn im März dann endlich die Kälte wich, wenn Märzwind und Sonne die nassen, lehmigen Wege trockneten und sich die ersten wilden Narzissen, Veilchen und Buschwindröschen zeigten, dann war ich so glücklich, dass ich laut singen musste. „Anni ist wieder im Frühjahrsrausch!“, spottete mein Bruder Walter dann.
„So war das in der alten Zeit“, hat meine Mutter dann oft gesagt. „Lang ist es her, und doch erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen!“
Biografische Fragen
Wo sind Sie groß geworden, in der Stadt oder auf dem Land?
Wie war der Frühling in der Stadt? Wie war der Frühling auf dem Land?
Waren Sie als Kind am liebsten draußen in der Natur oder lieber in Ihrem Elternhaus?
Fallen Ihnen Frühlingslieder oder Frühlingsgedichte ein? Frühlingslieder und Texte zur Anregung finden Sie zum Beispiel im Volksliederarchiv: www.volksliederarchiv.de/fruehlingslieder
Dekorationsideen
Stellen Sie Körbchen mit Frühlingsblumen in die Tischmitte, und verteilen Sie wilde Frühjahrsblüher und Weidenkätzchenzweige auf dem Tisch. Die Wildblumen und Kätzchenzweige sollten in Reichweite der ZuhörerInnen liegen. Anfassen und beschnuppern ist ausdrücklich erwünscht! Das Ganze können Sie durch eine Duftschale mit Frühlingsdüften ergänzen (z. B. Maiglöckchen).
Fragen zur Dekoration
Kennen Sie diese Blumen hier?
Mögen Sie den Duft?
Wie der Pastor beinah von der Kanzel fiel
„In unserer Kirche hing rechts oben eine hölzerne Kanzel an der Wand“, erzählte meine Mutter mir einmal. „Zu der musste man über eine Treppe hinaufsteigen. Wenn wir mal allein in der Kirche waren, war es unser größter Spaß, heimlich dort hinaufzugehen und zu predigen. „Liebe Gemeinde, ich sage euch, ihr solltet immer nett zu euren Kindern sein! Und Süßigkeiten solltet ihr auch nicht verbieten!“ Wenn wir dabei erwischt wurden, gab es natürlich einen riesengroßen Ärger, aber wir machten es trotzdem immer wieder.
Jeden Sonntag stieg unser Pastor zur Predigt hinauf, während wir noch ein Lied sangen. Dann schlug er die große Bibel auf und begann mit seiner Sonntagspredigt. Und alle Zuhörer waren still und ernst und hörten ihm zu, auch wenn es manchmal schwerfiel. Denn er redete so lange und so langweilig!
Einen Sonntag werde ich aber immer im Gedächtnis behalten, und zwar den, als der Pastor fast von der Kanzel gefallen wäre!
Die ganze Gemeinde sang gerade „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“, als Pastor Jakobs flott nach oben schritt und in die Kanzel stieg. „Ach je!“, schrie da plötzlich die alte Frau Schneider und zeigte nach oben: Da sah man den Fuß von Pastor Jakobs unten aus der Kanzel ragen. Wahrscheinlich war ein Brett morsch geworden, jedenfalls war er durchgebrochen! Zuerst waren wir alle sehr erschrocken, aber dann hörten wir von oben das tiefe, laute Lachen unseres Pastors, und wie eine Welle schwappte das Lachen durch die ganze Kirche.
„Bestimmt wird euch diese Predigt länger im Gedächtnis bleiben als alle anderen!“, sagte unser Pastor, als er endlich wieder mit beiden Füßen in der Kanzel stand und einen sicheren Halt СКАЧАТЬ