Zügellos. Dominique Manotti
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Название: Zügellos

Автор: Dominique Manotti

Издательство: Автор

Жанр: Современная зарубежная литература

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isbn: 9783867549769

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СКАЧАТЬ sie unten sind, hat das Feuer aufs Dach übergegriffen und frisst sich dröhnend von Box zu Box. Im Hof stürzen die halbnackten Männer zu den Boxentüren, um die Pferde zu befreien, die wahnsinnig vor Angst in den Wald galoppieren. Ein Stallbursche wird umgerissen und niedergetrampelt. Ein Pferd mit brennender Mähne rast panisch wiehernd gegen eine Wand und bricht mit zerschmettertem Schädel zusammen. In einem orangefarbenen Feuerwerk stürzt über dem Großteil des Stalls das Dach ein. Der Wind treibt mit dem Rauch auch den unerträglichen Gestank von verbranntem Fleisch und Fell vor sich her.

      Durchnässt, verrußt, verzweifelt, halten die Männer jeden verfügbaren Wasserschlauch umklammert und besprengen das, was noch steht, damit das Feuer sich nicht weiter ausbreitet. Und die ganze Zeit der Wind.

      Eine zweite Boxenreihe gerät gerade in Brand, als die Sirene der Feuerwehr ertönt. Deren Leute müssen zwei Pferdekadaver vom Zufahrtsweg räumen, bevor sie auf den Hof fahren und mit Löschschläuchen gegen das Feuer vorgehen können. Nach einstündigem Kampf sind die Flammen gelöscht, die Hälfte der Stallungen völlig zerstört, bloß noch ein Haufen verkohltes Holz und Asche, aus dem schwärzlicher Sud rinnt und vereinzelte Rauchfahnen aufsteigen. Ein Junge mit schwarz verschmiertem nacktem Oberkörper hockt niedergeschmettert neben einem verbrannten Pferdekadaver, dessen Kopf er schluchzend umschlungen hält.

Montag, 21. August 1989

      OCRTIS – Office central de répression du trafic illicite des stupéfiants, das im Rahmen der Drogenbekämpfung kürzlich von der Regierung geschaffene Amt für die Verfolgung von illegalem Betäubungsmittelhandel, gibt die Beschlagnahme von 53 Kilogramm Kokain bekannt. Das Rauschgift befand sich in einem Renault-Lieferwagen, der in einem Lagerhaus in Aubervilliers sichergestellt wurde. Verkäufer und Adressaten der Lieferung konnten laut OCRTIS noch nicht ausfindig gemacht werden.

      Der Vorhang fällt, Ende erster Akt von Bergs Wozzeck. Im Saal der Opéra-Garnier gehen die Lichter an. Mit dem starken Drang, zu gähnen und sich zu strecken, erhebt sich Daquin von seinem Platz. Blick zu seinem Liebhaber, der sich ein paar Meter vor ihm den Gang zwischen den Sitzreihen entlangschiebt. Klar wird es ihm nicht gefallen … Und einen guten Grund habe ich auch nicht … Rudi, immer so höflich und reserviert. Deutscher, sogar Preuße, groß, breite Schultern, schmale Hüften, blond, romantische Stirnlocke, kantiger Kiefer und blaue Augen. Aufsehenerregend. Fast immer drehen sich Frauen nach ihm um. Eine Verkennung, die von fern zu beobachten recht amüsant ist.

      Im hell erleuchteten Foyer lärmendes Gedränge, es ist heiß. Daquin bleibt an einem Fenster stehen und sieht hinaus auf die Place de l’Opéra, Regenglanz, Lichtersprenkel, Fußgänger- und Fahrzeugströme, verlockend. Rudi kehrt mit zwei Gläsern Champagner von der Bar zurück. Und greift das Gespräch genau da auf, wo er es bei Vorstellungsbeginn hat ruhen lassen.

      »Tausende Menschen verlassen derzeit über Polen und die Tschechoslowakei Ostdeutschland, und immer noch kein Wort darüber in euren Zeitungen. Unfassbar. Meine Eltern haben mir geschrieben, dass eine chirurgische Abteilung des größten Ostberliner Krankenhauses geschlossen wurde, weil sämtliche Krankenschwestern das Land verlassen haben. Hörst du mir zu, Théo?«

      »Nicht wirklich.« Er lächelt. »Ich ziehe gerade eine Bilanz des Abends.« Leert sein Glas. »Krawattetragen ist mir zuwider, das Bühnenbild finde ich zum Heulen, die Inszenierung eitel, ich mag diese Musik nicht, der Champagner ist lauwarm. Ich rufe ein Taxi und nehm dich mit zu mir, ja?«

      Das Telefon klingelt hartnäckig. Daquin braucht einen Moment, um wach zu werden. Ein Blick auf seine Armbanduhr, zwei Uhr nachts. Er schiebt die Zudecke weg. In dem riesigen Bett schläft Rudi auf dem Bauch, Gesicht zur Wand gedreht, die Arme über dem Kopf. Blond auf dem dunkelgrünen Laken. Wie eine Werbung für ein Männerparfüm. Das Telefon klingelt immer noch. Er nimmt ab.

      »Commissaire Daquin?«

      »Ja.«

      »Commissaire Janneret, 16. Arrondissement. Ich habe eben mit dem Bereitschaftsdienst des Drogendezernats gesprochen …«

      »Was wollen Sie?«

      »Können Sie im Kommissariat vorbeikommen?«

      »Jetzt?«

      »So schnell wie möglich.«

      »Schicken Sie mir einen Wagen, Avenue Jean-Moulin 36, 14. Arrondissement. In einer halben Stunde.«

      »Geht klar. Und danke.«

      Das Aufstehen gestaltet sich eher schwierig, er tastet sich durchs Dunkel, um Rudi nicht zu stören. Im Badezimmer, endlich wieder mit sich allein: zuerst lang duschen, heiß, dann kalt, Wasserstrahl auf volle Kraft, jeder Muskel wird ihm schmerzhaft bewusst. Dann, nackt vor dem Spiegel, gründliche Rasur, nass, wegen des Gefühls von Metall auf der Haut, wegen des Vergnügens, die vertrauten Gesichtszüge einen nach dem anderen unter dem Schaum hervorkommen zu sehen, wegen des brennenden Aftershaves. So ist es besser. Abstecher zum Kleiderschrank und eilig anziehen. Da ich nicht weiß, was mich erwartet, irgendwas Unverbindliches, Lederjacke, Canvashose, dann verlässt Daquin das Haus. Die mit Efeu überwucherten Häuser in der Passage ›Villa des Artistes‹ machen die Nacht noch schwärzer und stiller. Hinter dem Durchgang auf der Avenue Jean-Moulin erwartet ihn schon ein Wagen mit einem uniformierten Polizisten am Steuer.

      Der Kommissar marschiert vor dem Kommissariat auf dem Gehweg auf und ab.

      »Also, worum geht’s?«

      »Wir haben im Bois de Boulogne eine Routinerazzia durchgeführt, meine Männer haben das übliche Kontingent an Transvestiten eingesammelt. Und außerdem in einem Gebüsch einen halbnackten jungen Mann. Ein Freier. Und in den Taschen seiner Jacke, die an einem Baum hing, sechs Briefchen Kokain. Wir nehmen ihn mit aufs Revier, wo er ein Mordsspektakel veranstaltet und verlangt, dass wir seinen Vater benachrichtigen, Christian Deluc, Berater im Élysée. Ich hätte ihn ja gleich wieder nach Hause geschickt, ich habe hier im Viertel auch ohne zusätzliche Schwierigkeiten genug zu tun. Er hat sich aber bei den Transen derart unbeliebt gemacht, dass sie jetzt einen Pik auf ihn haben und drohen, es der Presse zu stecken, wenn er einfach freigelassen wird. Können Sie sich den Skandal vorstellen? Aber schließlich ist für Kokain ja das Drogendezernat zuständig. Und die vom Bereitschaftsdienst schienen der Meinung zu sein, dass Sie die Sache am ehesten ohne Aufsehen regeln können.«

      »Ist er minderjährig?«

      »Nein. Gerade achtzehn geworden.«

      »Haben Sie seinen Vater benachrichtigt?«

      »Nein, wir haben auf Sie gewartet.«

      »Dann tun Sie es nicht. Stellen Sie zwei Ihrer Männer ab, um mir bei einer Leibesvisitation zu helfen, und treiben Sie ein Paar Gummihandschuhe für uns auf.«

      Daquin betritt das Kommissariat. Hinten im Bereitschaftsraum drei Zellen. In den beiden ersten ein Dutzend Transvestiten in Arbeitskleidung. Sie hämmern gegen die Gitter, beschimpfen die Polizisten, brüllen herum und singen. Mit gewollt schwerfälligem Gang und undurchdringlichem Blick tritt Daquin vor die Zellen. Schlägt mit der Hand an eins der Gitter.

      »Ist jetzt mal Schluss mit dem Radau, Mädels? Lasst mich in Ruhe arbeiten.«

      Es wird etwas stiller.

      Daquin СКАЧАТЬ