Holzpantoffel und blutige Zehen. Maria Marka
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Название: Holzpantoffel und blutige Zehen

Автор: Maria Marka

Издательство: Автор

Жанр: Эротическая литература

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isbn: 9783944224244

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СКАЧАТЬ schon fortschrittlich 1926. Die Wasserleitung mit nur einer Zapfstelle und Ausguss befand sich im Vorhaus. Wir hatten einen geräumigen Hof mit Holzlege (Holzschuppen) an der Ostseite und einen Garten an der Westseite. Mama zog dort ihr Gemüse und ich war eifrig mit dabei. Damals muss wohl die Vorliebe für’s Garteln bei mir entstanden sein. Ich habe eigenhändig duftende Veilchen eingepflanzt. Noch heute pflege ich meine Veilchen im Garten - so weit weg von Mies.

      Großmutters Tod

      Ich weiß nicht mehr, wohnten wir noch in Zwinger oder schon in Mies – 1928 starb meine Großmutter. Sie war nur achtundvierzig Jahre alt geworden. Meine Erinnerung reicht so weit, dass ich weiß, wie sie in der guten Stube aufgebahrt lag. Ich war noch nicht groß genug um in den Sarg sehen zu können. Auch, dass ich den weiten Weg auf der Straße durch das Miesatal, von Zwinger über den Mieser Bahnhof, die Vorstadt, durch den Brückenturm, die ganze Stadt und hinaus gegen Unolla bis zum Petruskirchlein hinter dem Leichenwagen hergegangen bin, weiß ich noch. Das blieb mir haften. Aber nur der Weg, nicht die Zeremonie am Grab, auch keine Gefühle; weder meinerseits noch die des Großvaters oder der sechs Kinder. Ich war halt noch zu klein und wahrscheinlich zu müde. Bei Großmutter, ich sagte wie ihre eigenen Kinder „Mutter“ zu ihr, hatten die Nieren versagt. Als man sie nach Plan ins Krankenhaus brachte, konnte ihr nicht mehr geholfen werden. Die Möglichkeiten von heute waren damals noch nicht gegeben. Großmutter war eine Raschtatochter vom großen Neubauernhof in Sittna (Sytno). Ich hörte später, dass sie die „Bauerntochter“ auf dem kleinen „Wirtschaftl“ der Schmiede nie so richtig ablegen konnte. Und sie musste doch drei Buben und drei Mädchen großziehen. Und dann hat sie auch noch mich aus Techlowitz geholt.

      1975 fand ich noch ihr Grab auf dem verwahrlosten Petrusfriedhof, aber ihr Bild vom Grabstein war heruntergeschlagen. Jetzt ist der Friedhof eingeebnet, nachdem man ihn vorher verwüstet hatte. Das war nicht fair von den Tschechen. Aber wer darf richten?

      Die Geschwister von Mama

      Obwohl wir nun schon am Weinberg in Mies wohnten, war ich doch die meiste Zeit in der „Schmied“ in Zwinger. Mama half hier bei vielen Arbeiten mit, vor allem zur Erntezeit. Mein Vater und sein Bruder Seff (Schmied-Beb) verdienten außer Haus ihren Lebensunterhalt, was als Deutscher in der Tschechei nicht ganz einfach war. Meine Patin Marie war Hausmädchen beim deutschen Sozialdemokraten Jaksch Wenzel in Prag, zehn Jahre lang. Anna, Ernst und Emmi lebten ihrem Alter entsprechend noch daheim. Sie gingen ja zur Schule im Nachbardorf Wranowa, Swina hatte keine eigene Schule. Anna musste nach Großmutters Tod die Hausfrauenpflichten übernehmen, obwohl sie noch sehr jung war. Auch die Arbeit in Stall, Scheune und auf dem Feld. Emmi mit ihren acht Jahren nähte gerne Kleider für kleine Kautschukpuppen. Sie hatte jeweils nur eine einzige in einer Schuhschachtel. Und die musste sie gut vor mir verstecken, denn der Kautschuk hatte es mir angetan: Er knackte so schön, wenn ich hinein biss. Und ich biss zwanghaft hinein, wenn ich das Püppchen erwischte. Unters Bett in die aller hinterste Stubenecke hatte Emmi die Schachtel mit der Puppe versteckt. Ich habe sie gefunden. Und Mama musste wieder einmal der Emmi eine neue Puppe kaufen. Das war, außer für mich kleinen Balg, für keinen lustig, denn Geld war äußerst knapp. Das Beißen in die Puppe, das ist mir in Erinnerung geblieben. Das Knacken höre ich noch heute und bin mir nicht sicher, ob ich es nicht wieder versuchen würde, gäbe es noch Kautschuk-Spielzeug. Plastik knackt auch, aber es schmeckt bei weitem nicht so gut!

      Maria und der Schnuller

      Was jetzt kommt, weiß ich nur aus Erzählungen. 6 m vor der Schmiedhaustür führte die befestigte Straße vorbei. Autos fuhren so gut wie keine, es gab ja auch nur ganz wenige in der Stadt. Von Pferden oder Kühen gezogene Wagen, ja, die gab’s. An die Straße grenzte der durch Steinsäulen und eine Eisenstange abgesicherte Dorfteich. Ich war wohl um die zwei Jahre alt und stand an einem Sonntagmorgen mit dem Schnuller im Mund vor der Verandatür. Die damaligen Schnuller waren fleischfarbene Ungetüme mit einem 20 cm langen Schlauch, den man in ein „Tüpfl“ (Tasse) stecken konnte, damit die Kleinen beim Trinken nicht kleckerten. Im Teich schwammen Gänse und Enten und vor dem Haus gingen einige futtersuchend umher. Plötzlich watschelte eine Ente auf mich zu, schnappte nach dem Schnullerschlauch, den sie anscheinend für einen fetten Regenwurm hielt – und ab damit in den Teich. Ein paar andere Enten hinter ihr her um ihr den fetten Wurm abzujagen. Ich schrie wie am Spieß. Die Ente bemerkte ihren Irrtum bald und ließ das ungenießbare Gummiding in die schmutzige Brühe fallen. Der Schnuller war auf Nimmerwiedersehen im Teichschlamm verschwunden. Ich hörte nicht auf zu schreien, auch nicht, als der erste Schreck vorüber war. Jetzt ging es mir allein nur noch um den Schnuller. Als ich zu Mittag immer noch weinte, zog der Großvater sich stadtmäßig an und ging nach Mies in den Konsum um einen neuen Schnuller zu holen. Meinem Großvater wurde nicht gerade große Kinderfreundlichkeit nachgesagt, aber den weiten Weg für einen Schnuller nahm er auf sich. Ob aus Liebe zu seinem ersten Enkelkind oder aus Furcht vor einer durch Kindergeschrei gestörten Nacht, kann ich nicht sagen.

      Der Großvater

      Überhaupt, mein Großvater. Er redete nicht viel, und wenn er mal fluchte, dann auf Tschechisch, das verstand dann keiner. Er sagte zum Beispiel: „Dostanesch par facek“, was soviel heißt wie: „Ich geb Dir ein paar Watschen“. Ich habe von ihm nie welche bekommen. Ob seine eigenen sechs Kinder davon betroffen waren, weiß ich nicht. Ich könnte mir vorstellen: ja.

      Meine Mutter erzähle mir später ein Vorkommnis, das sie selbst auch nur vom Hörensagen kannte, das aber zum Kennenlernen meiner Eltern führte.

      Ein heftiger Streit in der Schmiede wurde so schlimm, dass Großvater Großmutter schlagen wollte und mein Vater sich gegen seinen Vater stellte. Vielleicht sogar handgreiflich, ich weiß es nicht; mein Vater hat nie darüber gesprochen. Jedenfalls richtete sich jetzt Großvaters Zorn gegen meinen Vater. Dieser verließ das Haus und wagte sich nicht mehr heim. Er nahm in Techlowitz, das nächste Dorf westlich von Mies, eine Stelle als Knecht an.

      In Techlowitz war Katharina Deimling gerade achtzehn Jahre alt geworden und durfte zum Feuerwehrball gehen. So begann es mit den beiden. Ein und ein halbes Jahr später kam ich zur Welt. Der Streit war längst vergessen.

      Großvater war der einzige im Dorf, der ein paar Bücher hatte und sie auch las. Einige davon waren religiösen Inhalts, aber mit der Kirche hatte er es nicht unbedingt. Er ging auch nicht ins Wirtshaus. Nach dem Tod seiner Frau wurde er immer menschenscheuer. Er arbeitete viel, obwohl ihm sein Rheuma zu schaffen machte. Dann rieb er die schmerzenden Stellen mit selbsterzeugten Mitteln ein und schwitzte im Bett. Ich sah ihm oft zu, wie er mit einer halbgefüllten Weingeistflasche in den Wald ging. Er legte sie schräg in einen Ameisenhaufen, so lange, bis ganz viele Ameisen hinein gekrabbelt und ertrunken waren. Da hinein steckte er noch frischgrüne Maifichtenspitzen und Arnikablüten. Das musste eine Zeit lang ziehen. Dann wurde das Ganze abgeseiht. Dieses Gemisch war das Jahr über seine Rheumamedizin.

      Zwinger, so klein das Dorf auch war, hatte zwei Wirtshäuser. Eines am Dorfende zur Stadt hin, eines am Dorfende gegen Vranoa. Im „oberen“ Wirtshaus gab es sogar einen Tanzsaal mit einer Bank entlang an allen vier Wänden und einer Musikanten-Empore. Ich sah den Tanzenden manchmal zu – natürlich nur am Nachmittag. Großvater ging nie ins Wirtshaus. Er holte sich, oder ließ sich holen, selten genug, eine Flasche Bier nach Hause. Aber an Peter und Paul, wenn die Verwandtschaft zum Festbesuch kam und Tante Anna, Tante Marie und Mama alle Hände voll zu tun hatten, ging Großvater schon früh in den Wald. Um mit niemanden „dischkerieren“ zu müssen, wie er es nannte. Erst bei Dunkelheit fand er sich wieder ein. Da waren dann die Besucher schon fort.

      Großvater war schon über sechzig, als er, wie alle Sudetendeutschen aus der böhmischen Heimat, vertrieben wurde. Er lebte sehr still und unauffällig СКАЧАТЬ