Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald. Margarete Schneider
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Название: Paul Schneider – Der Prediger von Buchenwald

Автор: Margarete Schneider

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783775172103

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СКАЧАТЬ Suchenden, den um das soziale Problem Ringenden, nach der rechten Stellung zur Körperkultur und Lebensreform Fragenden in das Licht des Wortes Gottes und in die Freiheit der Kinder Gottes geführt. Es war ein langer, oft banger Weg für ihn und die, die ihn liebten, aber er führte dahin, dass ein Amtsbruder 1937 von ihm sagte: »Paul Schneider hat ein selten feines und waches Gewissen. Sein unbestechlicher Wahrhaftigkeitssinn ließ auch nicht die kleinste Krummheit und Schiefheit des Weges zu«, er führte dahin, dass er mitten in der Bedrängnis des Kirchenkampfes fröhlich ausrufen konnte: »Es ist eine Lust zu leben!«, dass er strahlend vom Predigtdienst heimkehrte: »Diese Predigt durfte ich noch einmal halten«, und dass er gewürdigt wurde, der »Prediger von Buchenwald« zu werden.

      Um sich als Kriegsfreiwilliger melden zu können, machte Paul schon 1915 als Unterprimaner9 sein Notabitur10.

      Von diesem Notabitur des »Großherzoglichen Gymnasiums zu Gießen« haben wir aus dem Schularchiv – dank der Recherche der Abiturientin Jana Braun – sein Abiturzeugnis vom 29. Juni 1915. P. S. wird bestätigt, dass er die Anstalt seit Ostern 1910 von der Klasse Untertertia an besucht und ein halbes Jahr in der Oberprima verbracht habe. Er beabsichtige, sich dem Studium der »Heilkunde« zu widmen. Folgende Noten wurden ihm erteilt: Betragen: gut; Aufmerksamkeit: im Ganzen gut; Deutsch und Englisch: gut; Griechisch, Geschichte, Geografie, Mathematik und Naturkunde: im Ganzen gut; Latein: Genügend. Ebenso auch im Fach Religion: Genügend(!). Am 2. Mai 1919, also nach dem Krieg, wurde auf dem Abiturzeugnis noch nachgetragen, dass er die Ergänzungsprüfung im Hebräischen mit der Note »gut« abgelegt habe. Offenbar hat es allen Beteiligten mit dem Notabitur pressiert. Schriftliche Klausuren fanden nicht statt. Bei P. S. verzichtete die Prüfungskommission sogar auf eine mündliche Prüfung. Aus P. S.s Noten kann man folgern: Er war ein ordentlicher Schüler, oberer Durchschnitt.

      Paul wurde Dragoner11 in Hofgeismar. Als Berufsziel gab er damals Medizin an. Sich fürs Vaterland tapfer einzusetzen war ihm gemäß. An der Ostfront verwundet (Bauchsteckschuß), mit dem Eisernen Kreuz12 ausgezeichnet, kam er 1916 zur Fußartillerie13, und von da ab bis 1918 machte er die Kämpfe vor Verdun, in der Champagne und in Flandern mit. Als Leutnant14 ritt er ein Pferd, seine Liesel, mit dem er sich besonders verbunden fühlte. Aus den Gefahren der Etappe wurde er wie träumend herausgeführt: »Eine blonde Frau und gesunde Kinder standen vor mir, die wollte ich doch gesund erhalten.«

      Auf dem Rückmarsch hatte er eine Begegnung mit einem niederrheinischen Mädchen, dessen reines und schlichtes Wesen es ihm angetan hatte. Dieses Erlebnis ließ ihn so schnell nicht los. Es ist kennzeichnend für ihn, wie es ihn umtrieb und belastete, ob er dem Mädchen nicht doch Hoffnungen gemacht hätte, und er nicht ruhte, bis er ihr Verständnis fand und das gute, klare Verhältnis von einst sich auf unsere jeweiligen Familien übertrug. Diese Arbeiterfrau trauerte mit mir um den »allzeit hochverehrten und geliebten Paul«.

      Man wüsste gern mehr darüber, wie Paul Schneider den Weltkrieg erlebt, was er dabei durchgemacht, empfunden und gedacht hat. Aber es existieren darüber keine schriftlichen Aufzeichnungen. In dem ersten der beiden Tagebücher, die uns erhalten sind, finden wir nur eine kommentarlose Auflistung der Kriegseinsätze, die er, zuerst an der Ostfront, dann vor allem in Frankreich und Flandern, bis zuletzt mitgemacht hat. In der Eintragung vom 19. Dezember 1918 deutet er lediglich an, wie er die Demobilisierung15 erlebt hat. »Wie gegrüßt wurde …, was alles gesprochen wurde, man mag’s nicht aufschreiben.« Er reibt sich daran, wie einige Soldaten mitten in der Niederlage sich »mit ihren Maitressen« ein luxuriöses Leben machten. »Froh war ich, als ich den Entlassungsschein in der Tasche hatte.« Zu Weihnachten 1918 kehrte P. S. nach Hochelheim zum vereinsamten und vom Kriegsausgang tief bekümmerten Vater zurück.

      Hier eine kurze Erinnerung an historische Vorgänge im Zusammenhang mit dem Ende des Ersten Weltkriegs:

      Die Entscheidung in Richtung Niederlage fiel für Deutschland und Österreich, als am 6. April 1917 die USA Deutschland und kurz darauf Österreich den Krieg erklärten. Zugleich wurde immer deutlicher, dass eine deutsche Niederlage die Regierung der Hohenzollern in Deutschland stürzen und revolutionären Einflüssen aus Russland Tür und Tor öffnen würde. General Erich Ludendorff setzte in dieser Situation auf eine letzte Großoffensive im Frühjahr 1918. Von ihr erhoffte er den Sieg der deutschen Waffen und die Rettung Deutschlands aus höchster Gefahr. Zugleich setzten die alliierte Kriegspropaganda, Missernten und Hunger (Steckrübenwinter 1917!), Mangel an Kleidung, auch an Verbandszeug im Heer, Seuchen, Typhus, Ruhr, Tuberkulose dem deutschen Volk bedrohlich zu.

      Die große Offensive gegen die alliierten Gegner Deutschlands, die am 21. März 1918 losbrach, scheiterte an starken französischen und englischen Gegenangriffen, die von amerikanischen Truppen unterstützt wurden. Dazu kam die erschreckende Wirkung englischer Panzer, der sogenannten Tanks, auf deren Abwehr das deutsche Heer nicht vorbereitet war. Die deutschen Truppen wurden weit zurückgeworfen. Die Heeresleitung musste alle weiteren Offensivpläne aufgeben. Ein Kompromissfriede war nun nicht mehr denkbar. Österreich, das als Deutschlands Verbündeter den Weltkrieg mit durchgestanden hatte, kündigte, unter dem Eindruck der unumgänglichen Niederlage, am 27. Oktober 1918 die Waffenbrüderschaft mit Deutschland, um einen sofortigen Waffenstillstand und Separatfrieden zu suchen.

      Erst jetzt, aber nun ganz plötzlich und fast panisch, drängten General Ludendorff und Paul von Hindenburg auf einen schnellen Waffenstillstand, der freilich, in dieser Eile geschlossen, einer Kapitulation gleichkam. »Unter diesen Umständen ist es geboten, den Kampf abzubrechen, um dem deutschen Volk und seinen Verbündeten nutzlose Opfer zu ersparen. Jeder versäumte Tag kostet Tausenden von braven Soldaten das Leben«, schrieben sie mit Hindenburgs Unterschrift an die deutsche Regierung. Diese konnte nun nur noch um Waffenstillstand bitten. »Wir sind dem Diktat des Gegners preisgegeben«, sagte Hindenburg in einem letzten Kriegsrat am 9. November 1918. Deutschland müsse den Waffenstillstand annehmen, wie immer er ausfalle.

      Die deutsche Waffenstillstandsdelegation unter der Leitung des Zentrumsabgeordneten Matthias Erzberger, der am 8. November 1918 im Wald von Compiègne von dem französischen Marschall Foch die Bedingungen des Waffenstillstands16 aufdiktiert wurden, fügte sich, starr vor Entsetzen, in das Unvermeidliche. Zugleich fand in Deutschland im November eine weitgehende Revolution statt. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, USPD (radikal-linke SPD), rief am 9. November in Berlin den Generalstreik aus. Der letzte kaiserliche Reichskanzler, Prinz Max von Baden, verkündete – ohne dass der Kaiser sie bestätigt hätte – die Abdankung der Hohenzollern und übergab sein Amt an den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, SPD, Friedrich Ebert. Philipp Scheidemann, der sozialdemokratische Staatssekretär, rief die Republik aus. Kaiser Wilhelm II verzichtete daraufhin auf seinen Thron, entband Offiziere und Beamte von ihrem Eid und ging in die Emigration nach Holland. Derweilen drohte mit Kriegsende und akuter Hungersnot immer aggressiver der Einfluss des Bolschewismus aus dem Osten. In dieser Situation blieb der deutschen Delegation keine andere Wahl: In der Nacht vom 10. auf den 11. November unterzeichnete sie den Waffenstillstandsvertrag.

      Die Verluste an Menschen waren auf beiden Seiten der kriegführenden Parteien unvorstellbar hoch. Etwa drei Millionen Soldaten waren auf deutscher und österreichischer Seite gefallen, dazu kamen von der verbündeten Türkei etwa vierhunderttausend Tote. Russland beklagte mindestens zwei Millionen Kriegstote, Frankreich fast anderthalb Millionen, England eine Million, die USA hunderttausend Tote. Auch waren durch Luftangriffe im Lauf der Kriegsjahre immer mehr Zivilpersonen betroffen. Der Krieg war zuletzt »total« geworden.

      Wie hat Paul Schneider diese Niederlage emotional erlebt? Wir müssen davon ausgehen, dass es ihm ging wie fast allen Personen, die aus evangelischen Pfarrhäusern kamen. Sie hatten den Krieg als von Franzosen, Engländern, Russen aufgezwungen verstanden, hatten sich »für König, Volk und Vaterland!« freiwillig zu den Waffen gemeldet – oft mit der Motivation »Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde« (Johannes 15,13). Sie hatten die Worte »Gott mit uns« auf dem Koppelschloss des deutschen Soldaten ernst СКАЧАТЬ