Geschichten aus dem Alltag. Susanne Wilting
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Название: Geschichten aus dem Alltag

Автор: Susanne Wilting

Издательство: Автор

Жанр: Публицистика: прочее

Серия:

isbn: 9783959632263

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СКАЧАТЬ keinen Fall! Maja wird im Sommer eingeschult, schreibt gute Noten und besucht dann das Gymnasium!“

      „Frau Fischer, Sie haben mich immer noch nicht ganz verstanden, wir bezweifeln stark, dass Maja bis zum Sommer die Schulreife erreichen kann!“

      Daniela wird blass, richtet sich aber kerzengerade auf. Sie schreit „Nein, nein, Sie haben ja keine Ahnung, überhaupt keine!“

      „Frau Fischer, es ist ausgeschlossen, dass Maja bis dahin zur Schulreife gelangt! Das brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Bitte überlegen Sie zu Hause noch einmal in Ruhe, ob Sie nicht doch in der Gruppe hospitieren möchten, um sich selbst zu überzeugen. Wir freuen uns. So, und jetzt muss ich sehen, dass alle unsere Kinder gut nach Hause kommen. Wann lernen wir eigentlich mal Ihren Mann kennen?“

      Daniela blickt bei dieser Frage entsetzt auf und murmelt etwas Unverständliches. Verstört verlässt sie das Büro und holt ihre Tochter ab. Frau Müller-Sorge wartet schon an der Ausgangstür auf sie.

      „Auf Wiedersehen, Frau Fischer, tschüss Maja, bis morgen. Hattest du einen schönen Vormittag, ja? Frau Fischer, bitte lassen Sie sich unser Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen und nutzen Sie das Angebot. Vielleicht möchten Sie ja auch noch eine andere professionelle Meinung hören oder Sie besprechen sich mit Ihrem Kinderarzt? Wie wäre das? Also, bis dann, Frau Fischer, alles Gute!“

      Daniela blickt die Kindergartenleiterin leer an. Sie nickt ihr zum Abschied nur zu und zerrt Maja ungeduldig hinter sich her.

      Zuhause angekommen, parkt Daniela hastig auf dem Parkplatz vor ihrer Wohnanlage. Im Treppenhaus sind ihre Nachbarinnen, Frau Leitinger und Frau Michel, die mit ihrer Familie erst vor ein paar Wochen in das Sechsfamilienhaus eingezogen ist, in ein Gespräch vertieft und grüßen nur flüchtig, als Daniela und Maja vorübergehen. Im ersten Stock, vor ihrer Wohnungstür, steht Daniela und sucht wieder einmal aufgeregt in ihrer Handtasche nach dem Wohnungsschlüssel. Die Haustür unten war nur angelehnt. Plötzlich horcht sie auf, weil unten ihr Namen fällt.

      „Ja, die Frau Fischer, müssen Sie wissen, Frau Michel, ist so eine moderne, ehrgeizige Supermutter. Das kleine Mädchen kann einem Leid tun. Das Kind geht ja in so einen teuren, privaten Kindergarten. Wenn Sie mich fragen, hat das kleine Mädchen da nur Stress. Jedenfalls ist das Kind total verändert, seit es in diesen Kindergarten geht, überhaupt nicht mehr fröhlich, spricht nicht mehr, lacht nicht mehr, wirkt richtig verstört. Aber kann man das richtig beurteilen, so von außen? Und die Frau Fischer arbeitet ja im Supermarkt, an der Kasse. Und wissen Sie was? Die kauft doch tatsächlich dieses neumodische Essen für das Kind. damit es besser lernt. Na, wie heißt das noch? Brain food, genau. Bringt sie natürlich aus dem Supermarkt mit, billiger. Kraftfutter für das Kind, sag' ich immer. Kann doch nicht gut sein. Ich frage mich, was wohl der Herr Fischer dazu sagt. So ein netter Mann, und so bodenständig. LKW-Fahrer ist der, richtiger Trucker. Und gut sieht der aus …“

      Jetzt kichern sie auch noch.

      Mit zitternden Händen schließt Daniela die Wohnungstür auf, ganz leise, den Schlüssel hat sie erst im dritten Anlauf gefunden. Maja sitzt müde und ausgepumpt auf einer Treppenstufe. Plötzlich fasst Daniela einen Entschluss. Sie zieht ihre Tochter von der Treppe hoch.

      „Magst du zwei Stunden bei Frau Behrend bleiben, ja? Bis Papa kommt und dich abholt? Wie findest du das?“

      Maja nickt nur müde. Die beiden steigen noch eine Treppe weiter nach oben und klingeln. Eine alte, sympathische Dame öffnet. Sie ist klein, ihr eisengraues Haar ist zu einem Haarknoten frisiert. Sie trägt Jeans und einen bunten Fleecepulli.

      „Hallo, ihr zwei, schön euch zu sehen! Stimmt etwas nicht, Frau Fischer, Sie sind ja ganz blass?“

      „Doch, doch, alles in Ordnung. Frau Behrend, kann Maja für gut zwei Stunden bei Ihnen bleiben bis mein Mann von der Bergen-Tour nach Hause kommt? Ich muss noch etwas ganz Dringendes erledigen und kann Maja unmöglich mitnehmen.“

      „Ja, natürlich! Ich hoffe, du hast noch nicht gegessen, Maja, mein Schatz. Ich habe nämlich eine schöne Kartoffelsuppe mit Majoran gekocht. Wieder ein Rezept aus einer Kochshow und das ist viel zu viel für mich alleine.“

      Maja schüttelt nur den Kopf.

      „Na, dann komm mal rein, du kennst dich ja aus bei mir.“

      Frau Behrend ist sichtlich erfreut, Daniela erleichtert, nur Maja macht einen gleichgültigen Eindruck.

      „Tschüss, Frau Behrend und ganz herzlichen Dank, ich bin schrecklich in Eile, tschüss Maja!“

      Sie küsst ihre kleine Tochter zum Abschied, dreht sich abrupt um, damit die beiden ihre Tränen nicht sehen und eilt die Treppe zu ihrer Wohnungstür hinunter.

      In ihrer Wohnung reißt Daniela sofort den Kleiderschrank auf, nimmt ohne lange zu überlegen Kleidung für einen längeren Urlaub in der Sonne heraus, im Bad sammelt sie ihre Kosmetika ein. Dann stürmt sie in den Keller und beginnt in der hintersten Ecke zu suchen. Mit ihrem alten Interrailrucksack auf dem Arm verlässt Daniela den Keller. Oben, in der Wohnung, stopft sie wahllos die Kleidung, die schon auf dem Bett liegt, in den Interrailrucksack, nimmt Brieftasche und Handy aus ihrer Handtasche und verstaut sie sicher im Rucksack. Zum Schluss setzt sie sich noch einmal an den kleinen, wackeligen Küchentisch und schreibt eine kurze Notiz an Frank:

      „Hallo, Schatz! Holst du bitte Maja bei Frau Behrend ab? Danke, Daniela“.

      Schnell verlässt sie die Wohnung, ohne nachzudenken.

      Daniela nimmt die Buslinie 2 zum Flughafen. Seit mehreren Jahren war sie nicht mehr hier und staunt über die Modernisierungen. Zuerst sucht sie das Flughafenreisebüro und erkundigt sich nach günstigen Last-minute-Flügen.

      „Wohin soll es denn gehen, so spontan? Sie fliegen doch sicher zu zweit?“

      Eine freundliche, junge Angestellte sitzt hinter dem Schalter.

      „Ich fliege allein, egal wohin, wichtig ist nur, dass es warm ist.“

      Daniela antwortet fest, und hofft, dass ihre Tränen nicht mehr zu sehen sind.

      „Wie lange möchten Sie bleiben?“

      Daniela zögert kurz. „Vier Wochen?“

      „Okay, …“ Die junge Frau, deren Namensschild auf dem Kopf steht, so dass Daniela es nicht lesen kann, greift in das Regal hinter sich und legt zwei Kataloge auf den Schreibtisch. „Sorry, mein Rechner ist gerade abgestürzt.“ Nach einigem Blättern zeigt sie Daniela zwei kleine Hotelanlagen, die eine auf Kuba, die andere in Mexiko. „Beide Flüge gehen noch in den nächsten zwei Stunden. Sie können für vier Wochen buchen, im 3-Sterne-Hotel, Halbpension. Bustransfer inklusive in der Nebensaison. Und, was meinen Sie?“

      Daniela überlegt, sagt spontan „Ich nehm' Kuba!“

      „Prima!“ Die junge Frau strahlt und beginnt mit der Buchung. Im Hinausgehen sagt Daniela noch „Ich brauche den Rückflug übrigens nicht!“

      Die Angestellte blickt ihr überrascht nach. Danach hebt Daniela einen Teil ihrer Ersparnisse ab und gibt den Rucksack auf. Bevor sie eincheckt, entfernt sie die SIM Karte aus ihrem Handy und wirft sie in den nächsten Mülleimer.

      Wie in Trance geht Daniela über die Gangway. Sie wirft keinen Blick zurück.

      Dieter

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