Höllen-Lärm. Ian Christe
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Höllen-Lärm - Ian Christe страница 2

Название: Höllen-Lärm

Автор: Ian Christe

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783854454137

isbn:

СКАЧАТЬ Tony Iommi, der ständig zu Streichen aufgelegte Sohn eines Süßwarenladenbesitzers, hatte sich bei einem Unfall in einer Metallwerkstatt zwei Fingerkuppen der rechten Hand abgehackt. Der eigenwillige Bassist der Band, Terry „Geezer“ Butler, war für seine extra­vaganten grünen Secondhandklamotten bekannt. Schlagzeuger Bill Ward kam aus rasender Verzweiflung zur Musik, wie er selbst das einmal formulierte; ein Umstand, der sich an der eleganten Unordnung seines Spiels durchaus ablesen ließ. Die vier wuchsen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf, umgeben von dem Schutt und den Trümmern, welche die massiven Bombenangriffe der Nazis hinterlassen hatten. In der Welt, die man ihnen überließ, schien eine Kar­riere als Außenseiter und Abenteurer das einzig Sinnvolle.

      Unter dem Namen Polka Tulk, den sie einem Birminghamer Teppich­händler abgeguckt hatten, schlugen Ozzy und die anderen den Weg ein, wie ihn Bands wie die Yardbirds, Ten Years After und Cream vorgezeichnet hatten: Sie spielten endlos und schön laut die Standardnummern amerikanischer Blues­musiker. Deren melancholischer Sound wandelte sich allerdings drastisch auf seiner Reise von Birmingham, Alabama, nach Birmingham, England – nun wurden die traurigen Töne durch industrietaugliche Verstärker und die Dro­genszene der späten Sechzigerjahre grotesk verzerrt. Nachdem sie ihren Namen in Earth geändert hatten, erlangte das Quartett durch seine die Sinne betäu­bende Lautstärke und Bühnenshow größere Bekanntheit.

      Dann kam der Durchbruch – die spontane Entstehung des Songs „Black Sabbath“. Für die Band markierte er einen bedeutenden Neubeginn, und er sollte zur Grundlage des Heavy Metal insgesamt werden. Es war ein Song, der nur auf drei Tönen beruhte, zwei davon waren ein D. Der Erzähler berichtet darin mit Furcht erregender Angespanntheit vom Jüngsten Tag und keucht mit stocken­dem Atem: „What is this, that stands before me? Figure in black, which points at me … – Was ist das, was dort vor mir steht? Eine Gestalt ganz in Schwarz, die auf mich zeigt …“ Angetrieben durch surrendes Feedback verstärkt sich der Horror stetig und explodiert schließlich auf dem Höhepunkt der Anspannung, als der sich sträubende Protagonist vom Jüngsten Gericht verschlungen wird. Eine grausige Geschichte, die Edgar Allan Poe alle Ehre gemacht hätte, erzählt mit Gitarren, Schlagzeug und einem knackenden Mikrofon.

      Mit seiner Ehrfurcht erregenden Kraft nahm „Black Sabbath“ das Publi­kum sofort gefangen. Der Song hatte eine unumkehrbare Wirkung auf die Band, die in ihrer drogenverklärten Unschuld plötzlich das Gefühl hatte, ihren Händen sei durch eine unsichtbare Macht Genialität verliehen worden. Auf diese Weise inspiriert, erhob sich das Ensemble bald über sein Umfeld, ließ den Rock ’n’ Roll hinter sich und begann sich den jüngsten musikalischen Befreiungsschlägen von Musikern wie beispielsweise Miles Davis zuzuwenden, die sich den starren Grenzen der Genres widersetzten. Gemeinsam mit dem unheilvollen „Warning“, einem Jam, den sie von der hippen Bluesgruppe Ayns­ley Dunbar’s Retaliation übernommen hatten, wurde „Black Sabbath“ zum Kernstück eines neuen Sounds, zum Grundsignal einer akustischen Todesangst, die es notwendig machte, dass sich die Band in Black Sabbath umbenannte.

      Tony Iommi, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der ihn umgeben­den Welt stand, nahm die Musik der Vergangenheit, ohne sich allzu sehr um Tra­dition zu kümmern, und spielte sich mit eigenem Rhythmus und eigener Finesse durch die Bluestonleitern. Damit er die Gitarrensaiten ausdrucksvoll dehnen konnte, ohne dass ihn die gekappten Fingerkuppen schmerzten, stimmte sich die Gruppe auf tiefere Tonarten ein. Die zeitlose Spannung, die seine meister­haften Töne erzeugten, verlieh Black Sabbath geniale Tiefe. So entstand aus Not, beinahe zufällig, ein überwältigender Sound. Aus einer Deformierung ergab sich eine merkwürdige Schönheit – und eine Verbindungslinie von dem Gittaristen mit den drei Fingern zu dem Zigeuner Django Reinhardt, der eine von Iommis zahlreichen ungewöhnlichen Inspirationsquellen darstellte.

      Neben Iommis vielseitiger Gitarre trieb die Rhythmusgruppe den endlosen Strom kraftvoller Riffs mit hektischen Breakbeats und elektrisierenden Akzen­ten an. Bill Ward behauptete, Black Sabbath hätten nie „den Rhythmus gehal­ten“, dennoch aber durch ein ungeheures Einfühlungsvermögen eine starke Einheit geschaffen – sozusagen mittels eines sechsten Sinns, der die Schwerkraft der Musik verstärkte und den Zuschauer in diese Struktur hineinzog. Die so entstandene Klangmauer war überwältigend und strotzte vor Wildheit: In alten Filmen sieht man Ward und Geezer Butler herumzappeln wie überdrehte Marionetten in der Hand Gottes.

      Der junge Zeremonienmeister Ozzy Osbourne führte das Publikum entzückt an das neue Paradigma heran, indem er in charismatischem Kontrast zur steiner­nen Maske der Musik in die Hände klatschte, tanzte und nickte. Dekadent und besinnungslos, aber damals noch nicht aufgedunsen oder drogenvernebelt, durch­drang Ozzy die ihn umgebende Schwere mit seinem wütenden Geheul. Seine schi­zophrene Gesangstechnik kam von doppelt aufgenommenen Stimmen – einer hohen und einer tiefen –, die eine Oktave auseinander lagen. Wenn die Band tie­fer spielte, sang Ozzy höher. Welche Rockstar-Protzerei der Sänger auch an den Tag legte, sie wurde von der leidenschaftlichen Entschlossenheit der Band aufge­hoben und durch das allzu wahrhaftige persönliche Delirium der Texte Butlers ausgeglichen: „I tell you to enjoy life / I wish I could but it’s too late – Ich kann nur sagen, genießt euer Leben / ich wünschte, ich könnte es, aber es ist zu spät.“

      Im Verlauf ihres Aufstiegs absolvierten Black Sabbath ihre Lehrzeit in den gleichen europäischen Clubs wie einst die Beatles. Dabei knackten sie den Haus­rekord der Liverpooler im Hamburger Star Club auf der Reeperbahn, wo sie vor Touristen und Go-go-Tänzerinnen jede Nacht sieben fünfundvierzigminütige Sets spielten. Dieses mörderische Programm ließ die vier bis an die Grenze der Perfektion proben, bis sie schließlich so erschöpft waren, dass ihnen Inspira­tion und Innovation vergingen.

      Phillips Records boten Sabbath 1969 einen Vertrag an, und daraufhin spielte die Band in einer zweitägigen Session für sechshundert Pfund ihr erstes bahnbrechendes Album ein. Die Bänder wurden am nächsten Tag von einem Studioproduzenten abgemischt, der es der Band nicht gestattete, ihm auch nur irgendwie ins Handwerk zu pfuschen. Trotz der überstürzten Arbeitsweise (die jedoch damals durchaus typische Aufnahmebedingungen für Rockbands dar­stellte) blieb kaum Platz auf der Platte übrig. Der Produzent schnitt ein acht­zehnminütiges Gitarrensolo von Tony Iommi aus „Warning“ heraus, ohne dies mit der Band abzusprechen. Auf Drängen der Plattenfirma koppelten Sabbath eine neue Version von „Evil Woman“ als erste Single aus – der Song war erst kürzlich durch die Band Crow zum Hit geworden, und die Firma erhoffte sich von dieser Neuauflage schnellen Erfolg.

      Am Freitag, dem 13. Februar 1970, wurde Black Sabbath bei Vertigo Records, einer neuen experimentellen Tochtergesellschaft von Phillips, veröf­fentlicht. Black Sabbath, das erste vollständige Heavy-Metal-Werk der ersten ech­ten Heavy-Metal-Band, war wie ein süchtig machendes, bewegungsloses Zeit­fenster, das von einer unheilvollen Präsenz durchdrungen war, welche die mun­teren Rhythmen der populären Rockmusik erschütterte. Die selbst geschriebe­nen Songs „N.I.B.“ und „Wicked World“ gleiten zusammen mit „Black Sabbath“, „Warning“ und „Evil Woman“ auf einer ungeheuren Lautstärke und anhalten­dem Feedback dahin. Auf dieser Platte, die sich jeder Kategorisierung wider­setzte, wurde die Härte dieses Frontalangriffs durch die traumähnliche Sanftheit von „Sleeping Village“ und „Behind The Wall Of Sleep“ ausgeglichen.

      In Anlehnung an Children of the Damned und andere billige englische Psycho-Horrorfilme war auf dem Cover von Black Sabbath ein verfallenes, von kargem Gestrüpp überwuchertes Cottage abgebildet, das die Gestalt einer blass­grünen Zauberin teilweise verdeckte. Das Innere des Klappcovers enthielt außer einigen Details ein grimmiges Schauergedicht, das einem riesigen umgekehr­ten Kruzifix eingeschrieben war.

      Still falls the rain, the veils of darkness shroud the blackened trees, which contorted by some unseen violence, shed their tired leaves, and bend their boughs toward a grey earth of severed bird wings. Among the grasses, poppies bleed before a gesticulating death, and young rabbits, born dead in traps, stand motionless, as though guarding the silence that surrounds and threatens to engulf all those that would listen …

      Leise СКАЧАТЬ