Название: 42 garstige Gerwalt-Geschichten
Автор: Gerwalt
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783944145037
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Mich stört das aber auch nicht groß. Solange er bezahlt und seine Finger bei sich lässt, ist mir sein Kopfkino alles in allem ziemlich egal.
Im Gegenteil, ich reize ihn gern ein bisschen, bücke mich mal hier, zeig ihm Ausschnitt da.
Ralf ist harmlos.
Er hat noch nie Annäherungsversuche gemacht.
Ralf sammelt Damenschuhe.
Ich habe beim Aufräumen einen ganzen Schrank voller Damenschuhe bei ihm gefunden – also getragene, keine neuen.
Es ist ihm ziemlich peinlich gewesen, als er mich vor dem offenen Schrank gesehen hat, aber dann hat er zugegeben, dass er auf Frauenschuhe steht.
Was hätte er auch sonst tun sollen, als das zugeben, mein ich?
Na ja, ich hab mir gedacht, ich tue mal was für seinen Blutdruck, und das nächste Mal hab ich meine schönen Sandalen angezogen, die mit den Glitzersteinen oben auf dem Spann.
Und ich habe mir extra die Zehennägel lackiert – in Dunkelrot.
Ralf hat meine Füße fast aufgefressen – mit den Augen, mein ich.
Ich kauf dir die Sandalen ab, hat er gesagt, und es hat ihn ziemlich gedrückt – in der Hose natürlich.
»300 Euro«, hat er gesagt und: »Zieh sie gleich aus!«
Ich hab da nichts dagegen gehabt, schließlich haben sie mich ja nur fünfundsiebzig gekostet.
Und wenn er’s sooo dringend braucht …
Ich habe also barfuß auf seinem Parkett gestanden, die Sandalen in der Hand, und hab gewartet, dass er das Geld bringt.
Aber dann ist er mit einem Eimerchen wiedergekommen und hat das Zeug vor mir auf den Boden gekippt, und ich habe vor Schreck einen Schritt rückwärts gemacht, und da ist es an meinen Fußsohlen auf ein Mal kurz ganz heiß geworden, und ich war am Boden festgeklebt.
Ralf hat gelacht und ist wieder weggegangen.
Ich habe geschrien wie verrückt, und da ist er zurückgekommen mit einem Baseballschläger in der Hand – und einer Säge.
Und dann hat er mit dem Baseballschläger zugeschlagen.
An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich gelogen habe.
Nun ja, nicht direkt gelogen, es ist mehr die Erzählperspektive, die nicht so ganz gestimmt hat.
Natürlich hat nicht Nina diese Geschichte erzählt.
Dazu ist Nina bedauerlicherweise nicht mehr in der Lage, ist sie doch inzwischen bereits entsorgt.
Welche pikante Doppeldeutigkeit in diesem Wort liegt.
Nina ist »ent – sorgt«.
In der Tat. Das ist sie. Keine Sorgen mehr für Nina.
Ich liebe es, das Spiel mit der Sprache.
Wort-Spiele.
Noch mehr allerdings liebe ich Frauenfüße.
Ninas zum Beispiel, wirklich bemerkenswert schöne, wohlgeformte und gepflegte Füße, die jetzt in Formalin schwimmen und so fast für die Ewigkeit konserviert sind.
Ich werde jedenfalls noch viel Spaß mit ihnen haben.
Zumal ich, und das erwähne ich jetzt nicht ohne eine gewisse Eitelkeit, dieses Mal das Problem der immer ein wenig hässlich aussehenden Schnittflächen oberhalb der Fußknöchel sehr befriedigend gelöst habe, mit je einer Abschlusskappe aus dünnem, getriebenen Silberblech.
Der Aufwand hat sich wirklich gelohnt, und Ninas Füße sind ihn definitiv auch wert.
Arme Nina – das Leben war wirklich nicht nett zu ihr.
Aber jetzt wird alles gut.
Keine Beratung, kein Verkauf
Nehmen wir einmal an, ich wollte, aus welchem Grund auch immer, eine Geschichte erzählen – was könnte ich da zum Besten geben?
Nun, die Frage stellt sich natürlich nicht konkret, aber so als Gedankenpiel angenommen, bräuchte die Geschichte zunächst einmal eine Hauptfigur, einen Protagonisten, wie man so sagt.
Das könnte zum Beispiel eine junge Frau sein.
Mitte Zwanzig vielleicht.
Gut, zugegebenermaßen bin ich weder eine Frau noch jung, insofern müsste ich mich tatsächlich einer gewissen Vorsicht befleißigen.
Will sagen, es wäre notwendig, dem projizierenden Anteil meiner Phantasie straffe Zügel anzulegen – Sie wissen schon …
Ich denke jedoch, das wäre machbar. Gut also.
Die junge Frau, sie könnte Claudia heißen, ein Name, dessen Klang, wie ich finde, gut zu jener Geschichte passen würde, bräuchte nun natürlich auch ein Umfeld.
Dieses könnte beipielsweise ein Möbelgeschäft sein, kein allzu großes vielleicht, eher ein mittelständisches, etwas dezentral liegendes, ein Familienbetrieb etwa, in dem Claudia schon ihre Ausbildung hätte absolviert haben können.
Das Möbelgeschäft müsste nicht unbedingt florieren, es könnte im Gegenteil in einer längeren Krise gesteckt haben.
Zum Beispiel hätte der Besitzer und Gründer damals in den siebziger Jahren im ländlichen Umfeld zunächst gute Umsätze gemacht, dann aber mit der Zeit doch so sehr den Anschluss verpasst haben können, dass selbst die an sich anspruchlose Klientel nicht mehr zum Kauf zu animieren gewesen wäre.
In dieser Existenzkrise wäre ein Personalabbau die Folge gewesen, welchem Claudia aber sicherlich nicht zuletzt aufgrund ihrer knappen Auszubildendenvergütung und ihrer anschließend geringen Gehaltsentwicklung entgangen wäre.
Indessen gibt es ja immer die Möglichkeit einer Neuorientierung, beispielsweise eine Verjüngung des Sortiments, und diese hätte so aussehen können, dass das Besitzerehepaar – in Erkenntnis der Ursache seiner Misere – bereit gewesen wäre, Claudias jugendlichem Geschmack zu folgen und die Produktpalette, zumindest partiell, auf ein moderneres Publikum abzustimmen.
Ein Eckpfeiler dieser Kampagne hätte eine Werbeprospektserie sein können, welche nicht nur jene neue Stilrichtung zum Inhalt hätte haben können, sondern auch Claudia, genretypisch im Minirock und mit Pferdeschwanz und, warum auch immer, ebenso genretypisch barfuß abgelichtet.
Die Motive wären die üblichen gewesen: Claudia, sich auf Lederpolstern räkelnd, Claudia mit einem Sektglas neben dem jugendlichen Esstisch postiert und – last but not least – Claudia bäuchlings auf dem Bett, frontal in das lächelnde Gesicht fotografiert, während sie СКАЧАТЬ