Menschenbilder. Julia Ulrike Mack
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Название: Menschenbilder

Автор: Julia Ulrike Mack

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Studiengang Theologie

isbn: 9783290177379

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СКАЧАТЬ galt. Durch das Generieren eines bestimmten Bildes vom Menschen wird gleich­zeitig eine Trennungslinie gegenüber der Welt der Tiere, der Pflanzen und Maschinen gezogen, wird festgestellt, was ‹menschlich› und was ‹un-› oder ‹nicht-menschlich› ist. Über das jeweilige Menschenbild werden somit fundamentale Aspekte der jeweiligen eigenen Identität bestimmt. Dementsprechend wurden und werden Menschenbilder verwendet, um potenziellen Gegnern oder Fremden die grundlegende Gleichheit zu- oder abzusprechen bis hin zur Aberkennung ihres Menschseins überhaupt.

      Die Frage nach dem Menschenbild ist immer auch eine Frage nach stereotypen Vorstellungen vom Menschen eines bestimmten Kontinentes (‹der Afrikaner›), eines bestimmten Landes (‹die Schweizerin›), einer bestimmten Hautfarbe (‹der Schwarze/die Weiße›). Dabei entwerfen Heterostereotypen, also verfestigte, kollektive Charakteristiken, die einer fremden Ethnie oder Gruppe zugeschrieben werden, ein erhellendes Bild derjenigen Gruppe, die für diese Vorurteile oder Zuschreibungen verantwortlich ist. Die Zuschreibungen basieren auf gemeinsamen Vorstellungen, Erwartungen und Werten und dienen der Orientierung in einer sonst unübersichtlichen und unverständlichen Fülle von Erscheinungen und Signalen. Stereotype sind grundlegend für die Art und Weise, wie die Welt und die darin befindlichen Menschen wahrgenommen werden. Durch ihre gleichzeitig simplifizierende wie auch realitätsstiftende Wirkung bieten sie schließlich Identifikationsmöglichkeiten an. Mit ihrer Analyse ist auch die Möglichkeit zur Motivforschung verbunden: «Das Handeln von Subjekten wird verstehbar aufgrund ihrer (stereotypen) Vor­stellungen».3

      Menschenbilder haben einen kulturell bestimmten, veränderlichen Charakter. Zugleich gibt es bestimmte Kontinuitäten – zeitlich und auch innerhalb einer bestimmten theologischen oder weltanschaulichen Strömung –, die erhellende Einblicke in das Selbstverständnis einer Epoche oder einer bestimmten theologischen Richtung bieten können.

      Ziel dieser Dissertation ist es, Menschenbilder des 19. Jahrhunderts zu untersuchen, die in den Kontaktzonen unterschiedlicher Kulturen und Reli­gionen entwickelt wurden. Zu den wichtigsten Exponenten des Kulturaus­tausches jener Zeit gehören neben den staatlichen und wirtschaftlichen Institutionen der kolonialen Expansion hauptsächlich die Missionswerke der verschiedenen protestantischen Kirchen und Freikirchen sowie der römisch-katholischen Kirche, die im Spannungsfeld von Christentum und den Religionen der ‹heidnischen› Welt, europäischer Kultur und ‹heidnischen› Kulturen, Zivilisation und ‹unzivilisierter› Welt ihre kultur- und religionsvergleichen |16| den Selbst- und Fremdbilder konstruiert haben. Diese Missionswerke sollen am Beispiel der Basler Missionsgesellschaft analysiert werden. Die ‹Menschenbilder der Basler Mission› werden in den geisteswissenschaftlichen Kontext des 19. Jahrhunderts eingezeichnet, um die Anknüpfungspunkte, aber auch die Grenzlinien zu ihrer Umwelt deutlich zu machen. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werfen ein Schlaglicht auf die Anthropologie der pietistisch-erwecklichen Bewegung im 19. Jahrhundert als Ganze und auf die zentrale Stellung von Menschenbildern im Missionsdiskurs.

      Folgende Forschungsfragen sind für die vorliegende Untersuchung maßgeblich:

      Was waren die besonderen Kennzeichen einer Missionszeitschrift im Vergleich zu anderen Publikationen? Welche Rolle spielten Missionszeitschriften im 19. Jahrhundert für Missionsgesellschaften, für die Leserschaft und für die Mitarbeitenden? War die Basler Missionsgesellschaft – und damit auch deren Publikationen – eine für ihre Zeit typische Missionsgesellschaft, in welchen Positionen und Diskursen wich sie von dem Profil anderer Missionsgesellschaften ab? Welche Aussagen zu Menschenbildern wurden im Evangelischen Missions-Magazin getroffen? Werfen diese Aussagen ein Licht auf die Basler Missionsgesellschaft in ihrer Theologie und Praxis? Und schließlich: Lässt sich aufgrund der anthropologischen Konzepte und stereotypen Vorstellungen ‹vom Menschen› eine eigenständige Missionsanthropologie der Basler Missionsgesellschaft und eine über sie hinausgehende Missionsanthropologie entwerfen?

      a) Quellen

      Die Untersuchung von Zeitschriften mit ihrer fortlaufenden Berichterstattung ist ein Gradmesser von Veränderungen und Umbrüchen. Sie ermöglicht das Aufzeigen von Kontinuitäten und Brüchen über einen längeren Zeitraum.

      Die wissenschaftliche Erschließung des Evangelischen Missions-Magazins bezüglich seiner Geschichte, Redaktion, Autorenschaft und behandelten Themen stellt den Ausgangspunkt der Studie dar. Daran knüpft sich die Frage an nach dem Charakter und der Bedeutung von Missionszeitschriften im 19. Jahrhundert allgemein. |17|

      Ältere Untersuchungen über die Zeitschrift liegen nicht vor. Sie wurde bis jetzt vor allem als Quelle für Einzeluntersuchungen, nicht aber in ihrer Funktion als historische Quelle bearbeitet.4

      Untersucht werden die Jahrgänge 1816 bis 1914, also die Zeit von den Anfängen der Basler Mission bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges, der für die Basler Mission als schweizerisch-württembergische Gesellschaft einschneidende Veränderungen mit sich brachte. In diese Zeit fällt die Gründung des deutschen Nationalstaates, das Einsetzen des Kolonialismus, die Ära der Hochindustrialisierung. Für die Basler Mission ist dieser Zeitraum unter anderem durch das Inspektorat des einflussreichen Inspektors Joseph Josenhans (1850–1879) geprägt. Dazu kommt 1874 die Gründung der Allgemeinen Missionszeitschrift (AMZ) von Gustav Warneck, durch die dem Basler Missions-Magazin eine gewichtige Konkurrenz erwuchs.5 Durch diesen großen Untersuchungszeitraum – 1816 bis zum Ende des ‹langen 19. Jahrhunderts› – lassen sich langfristige Entwicklungen in der Theologie und dem gesellschaftlichem Umfeld der Basler Mission aufzeigen. Die Dissertation bietet eine nötige – und bis dato fehlende – Grundlage für alle weiteren Untersuchungen zum Thema Menschenbilder in der Missionspublizistik.

      Dem Missions-Magazin als Hauptquelle werden weitere Publikationen der Basler Mission zur Seite gestellt, daneben Zeitschriften anderer Missionsgesellschaften aus Deutschland und England, vornehmlich der Church Missionary Society, zu der die Basler Mission besonders enge Beziehungen hatte,6 sowie die bereits erwähnte Allgemeine Missionszeitschrift.

      Da die anthropologischen Aussagen in den Artikeln des Missions-Magazins zwar zahlreich, aber durchwegs implizit vorhanden sind, sollen diese indirekt formulierten Aussagen durch explizit dogmatische Aussagen beispielsweise über «Der Mensch, das Haupt und der Zweck der sichtbaren Schöpfung» verbunden werden, wie sie in Die christliche Glaubenslehre (1876) von Friedrich Reiff, der als Lehrer am Missionshaus tätig war, zu finden sind.7 |18| Autoren aus dem Umfeld der Basler Mission mit spezifisch systematisch-theologischem Anliegen wie z.B. Hermann Gundert, Gustav Warneck und Theodor Oehler, die wie Reiff auch im Missions-Magazin publiziert, rezipiert und rezensiert wurden, bilden zusätzliche Referenzpunkte. Das erlaubt gleichzeitig einen Vergleich zwischen dem Sollen und dem Sein, zwischen der anthropologischen Lehre, mit der die Missionare ausgestattet wurden und ihre Arbeit begannen, und dem Menschenbild, welches aus den Aufsätzen und Artikeln des Missions-Magazins zur heimischen Leserschaft zurückkam. Welche Literatur von Angehörigen der Basler Mission rezipiert wurde, lässt sich anhand von Bibliothekskatalog und Verlagsführer nachvollziehen.8

      Ein Problem der Quellen ist die redaktionelle Bearbeitung der Artikel. Die Missionare waren zu regelmäßigen Berichten an die Missionsleitung angehalten, die folglich als Grundlage für die publizierten Artikel dienten. Dabei muss stets beachtet werden, dass die Artikel immer zugleich auch als Werbetexte im Hinblick auf finanzielle und ideelle Unterstützung durch die Leserschaft dienen sollten. Von Interesse sind hier die sprachlichen Strategien, mit denen Plausibilität und Verbindlichkeit geschaffen und auf einen gemeinsamen Deutehorizont verwiesen wurde, um den Zusammenhang zwischen Autoren- und Leserschaft zu stärken.9

      Und schließlich sind noch die zahlreichen Traktate zu nennen, die seit Bestehen der Basler Missionsgesellschaft zu vielen unterschiedlichen Themen erschienen und oft mehr als zehn Auflagen erreichten. Da sie sich oft mit den gleichen СКАЧАТЬ