Alternativlos. Thomas Kirchner
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Название: Alternativlos

Автор: Thomas Kirchner

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия:

isbn: 9783940431585

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СКАЧАТЬ größte Teil der deutschen Hilfspakete bestand aus Garantien, die nie abgerufen wurden – genau der Effekt, den man bei der erfolgreichen Bekämpfung einer Liquiditätskrise erwarten würde. In der Öffentlichkeit erhält sich trotzdem der Eindruck, die gewaltigen Summen der Garantien wären Steuergelder, die an die Banken ausgezahlt wurden. Leider gibt es mehr als genug Politiker, die diesen falschen Eindruck absichtlich forcieren.

      Im Gegensatz zur Bankenkrise der Jahre 2008 bis 2009 erlebte Griechenland zu keiner Zeit einen Liquiditätsengpass, sondern war schlicht und einfach insolvent. Seine Schulden hatten bereits zu Beginn der Krise ein Niveau erreicht, auf dem eine Rückzahlung angesichts der schlechten wirtschaftlichen Aussichten nicht mehr realistisch war. Doch leider verstanden Politik und Presse den wahren Grund der griechischen Probleme nicht. Sie erwarteten, mit einem oder auch ein paar Rettungsschirmen ein einfaches Liquiditätsproblem überbrücken zu können. Gebetsmühlenartig wurden Durchhalteparolen wiederholt: anfangs wurde der Öffentlichkeit erzählt, Griechenland könne sich spätestens 2011 wieder bei Privatanlegern über die Märkte Geld besorgen. Bis dahin sollten die Rettungsschirme Überbrückungsgeld zur Verfügung stellen. Aus 2011 wurde dann 2012, und schließlich – kam der Schuldenschnitt.

      Woher diese Fehlinterpretation stammte, ist schwer zu sagen. Vielleicht waren Politiker und Presse zu sehr auf die gerade erst beigelegte Bankenkrise fixiert, in der Liquiditätsspritzen die Gesundung des Systems einleiten konnten. Vielleicht haben sie auch wirklich nicht den fundamentalen Unterschied dieser zwei verschiedenen Arten von Zahlungsunfähigkeit verstanden. Vielleicht beides.

      Während die Politik die Ursache der Krise fehlinterpretierte und auf das Prinzip Hoffnung setzte, hatten sich die Kreditgeber Griechenlands mit der Materie intensiver auseinandergesetzt. Kreditgeber können sehr genau zwischen Liquiditätsproblemen und mangelnder Solvenz differenzieren. Einschätzungen dieser Art sind schließlich ihr tägliches Brot.

      Als der neu gewählte griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou im Oktober 2009 einräumte, dass Wahlkampfversprechen über Mehrausgaben gebrochen würden, weil das Haushaltsdefizit bei 12 oder 13 Prozent anstatt der bis dahin behaupteten sechs Prozent lag, verstanden Anleger schnell, dass eine Rückzahlung der Staatsschulden bei einer schwächelnden Wirtschaft schwierig würde.

      Folglich investierte kaum noch jemand in neue griechische Anleihen. Die Märkte funktionierten genau so, wie man erwarten würde. Ein mangelndes Angebot an Kapital führt zu steigenden Zinsen für den griechischen Staat. Kapitalismuskritiker hingegen sehen dies als eine Fehlfunktion des Markts. Sie halten die Zurückhaltung der Investoren trotz des vorhersehbaren Zahlungsausfalls für irrational.

      Auch in den Rating-Agenturen wurde den Analysten klar, dass eine Rückzahlung von Griechenlands Schuldenberg schwierig werden könnte. Zwei Tage nach dem Offenbarungseid des Finanzministers stufte die Rating-Agentur Fitch Griechenland von A auf ein immer noch gutes A- herab, also das gleiche Niveau, das derzeit Polen hat.22

      Als sich Griechenlands Haushaltslage immer weiter verschlechterte und Hilfsmaßnahmen beschlossen wurden, stiegen die Zinsen und parallel dazu passten die Analysten die Bonitätseinstufungen an. Im April 2010 stufte S&P die Bonität Griechenlands zum ersten Mal auf Ramschniveau: BB+, also gerade einmal knapp 30 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Zahlungsausfall kommen könnte. Das ist nicht gerade ein Weltuntergangsszenario.

      Trotzdem vernahm man aus Athen das Wort unerklärlich und Ähnliches aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten. Die Rating-Agenturen verstünden Europa nicht, manch einer vermutete gar ein angelsächsisches Komplott. Es hieß gar, Finanzmärkte würden die Politik vor sich hertreiben.

      Anstatt auf eine geordnete Insolvenz hinzuarbeiten, wurden von der Politik immer neue Rettungsschirme gespannt. Rating-Agenturen prophezeiten durch ihre Abwertungen eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Verlusts für Anleger. Investoren verkauften ihre griechischen Staatsanleihen zu Preisen, die auf einen Schuldenschnitt hindeuteten. Lediglich die Politik propagierte noch die Sicherheit der griechischen Schulden, für die man nur kurzfristige Überbrückungskredite brauche.

      Ich habe bereits Anfang 2011 Analysen gesehen, in denen Analysten aus der Privatwirtschaft einen Schuldenschnitt von 60 bis 90 Prozent vorhersagten. Doch die Politik sträubte sich noch lange gegen eine realistische Einschätzung der Lage. Es dauerte bis Mitte 2011, bis überhaupt eine Reduzierung der Schulden Griechenlands in der Öffentlichkeit ins Gespräch gebracht wurde, zunächst zaghaft mit einem Schuldenschnitt von mickrigen 20 Prozent. Erst im Oktober 2011 ging es dann um eine Reduzierung des Nominalwertes der Schulden um fünfzig Prozent, was aufgrund der Ausgestaltung jedoch einem Wertverlust von 70 bis 80 Prozent entsprach.

      Manche Politiker waren sich über den Unterschied zwischen Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz auch noch nicht im Klaren, als Griechenland schon auf eine Umschuldung hinarbeitete. Noch im Februar 2012 behauptete Peer Steinbrück, der als Finanzexperte gilt und es eigentlich besser wissen müsste, dass eine schnelle Einführung von Eurobonds Zeit schaffen würde, auf eine geordnete Insolvenz Griechenlands hinzuarbeiten. Doch Eurobonds hätten eine Insolvenz eben gerade verhindern sollen.

      Wenn die Lage erst einmal stabilisiert ist, besteht kein Grund mehr für eine Insolvenz, denn der wirtschaftliche Druck für einen Schuldenschnitt geht zurück. Steinbrück glaubte, es handle sich um eine Refinanzierungs-Krise einzelner Staaten aus unterschiedlichen Gründen.23 Dies ist ein anderer Ausdruck für eine Kreditklemme oder einen Liquiditätsengpass, der mit Überbrückungskrediten wie Eurobonds gelöst werden kann. Doch genau das war es eben nicht.

      Die Rating-Agenturen standen zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr im Mittelpunkt der Kritik, auch nicht, als sie im Oktober 2011 Griechenland auf CCC- herabstuften. Dies ist die niedrigste Stufe vor der Insolvenz. Inzwischen hatte sich auch in der Öffentlichkeit herumgesprochen, dass keine Hoffnung auf Rückzahlung der Schulden Griechenlands besteht, Rating-Agenturen hin oder her.

      Während der Finanzkrise mussten sich die Rating-Agenturen vorwerfen lassen, zu langsam mit Herabstufungen von Verbriefungen amerikanischer Hypotheken gewesen zu sein. In der Griechenlandkrise waren sie dann angeblich zu schnell. Doch die Kritiker haben keine vernünftigen Alternativvorschläge zu bieten. Wann genau hätten die Rating-Agenturen denn Griechenland auf Ramschstatus herabstufen sollen? Erst 2011, als endlich auch die Politik einsah, dass es zum Schuldenschnitt kommen sollte? Der Ruf der Rating-Agenturen ist nicht ruiniert, weil sie schlecht gearbeitet haben, sondern weil oft genug wiederholt wurde, sie würden alles falsch machen und seien zu mächtig.

      Der Grund für diese scheinbare Macht der Rating-Agenturen liegt teilweise in der Bedeutung, die ihnen von den Aufsichtsbehörden eingeräumt wird. Banken und Versicherungen dürfen nur in Anlagen guter Bonität investieren. Wird die Bonität durch eine Bank oder Versicherung selbst festgelegt, ist dies für Kunden nicht zu durchschauen. Jedes Institut würde andere Maßstäbe anlegen – und im Zweifel auch die schlechtesten Schuldner bestens einstufen.

      Niemand würde beispielsweise einer Lebensversicherung seine Ersparnisse anvertrauen, wenn sie die Risiken ihrer Anlagen selbst einschätzt. Dann bestünde die Gefahr, dass die Versicherungen mit Kundeneinlagen riskante Anlagen tätigen, um eine etwas höhere Rendite zu erzielen. Schließlich sind Renditen ein wichtiges Verkaufsargument von Lebensversicherungen, und Verbraucherzeitschriften nutzen Renditen als Grundlage von Empfehlungen. Kunden könnten nicht abschätzen, ob eine höhere Rendite durch bessere Anlagen und geringere Kosten zustande kam, oder ob sie lediglich das Ergebnis laxer Standards bei der Bonitätsprüfung ist, durch die riskantere Anlagen mit hoher Rendite in der Versicherung landeten. Eine Aufweichung der Vorschriften mag vielleicht im Sinne der Politik sein, ist aber sicherlich nicht im Sinne der Verbraucher.

      Auch eine gesetzliche Regelung für Banken und Versicherungen zur Reduzierung des Einflusses der Rating-Agenturen dürfte nur wenig an diesem Einfluss ändern. Fonds und Rentenkassen investieren in Anleihen, СКАЧАТЬ