Название: Alternativlos
Автор: Thomas Kirchner
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная деловая литература
isbn: 9783940431585
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Man kann also erwarten, dass eine genauso unabhängige europäische Rating-Agentur ähnlich verfahren wird: Europäische Staaten bekommen die Bestnote, alle anderen Staaten liegen knapp darunter. Es wird dieser neu gegründeten Rating-Agentur schwerfallen, bald einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit zu erreichen. Und wenn die Gründungsgeschichte auf Ärger über die schlechten Bewertungen durch die etablierten Agenturen zurückgeht, dann steht es von Anfang an schlecht um Glaubwürdigkeit.
Per Dekret lässt sich Vertrauen in eine Rating-Agentur genauso wenig herstellen wie in den Euro als Gemeinschaftswährung. Der Vergleich der chinesischen Gegen-Rating-Agentur zu ihrem europäischen Pendant ist so naheliegend, dass die europäische Nummer mit einem Vertrauensdefizit starten wird, dass erst in vielen Jahren, wenn überhaupt je, überwunden sein wird.
Am Rande seien der Vollständigkeit halber noch ein paar andere Rating-Agenturen erwähnt: A.M. Best ist spezialisiert auf Versicherungen, Dominion Bond Rating Services konzentriert sich auf kommunale Schuldner in den USA, Weiss Ratings bewertet Finanzunternehmen sowie Staaten und Japan Credit Rating Agency bewertet Unternehmen und Staaten. Es gibt auch in zahlreichen anderen Ländern Rating-Agenturen, die meist regional ausgerichtet sind und zur Unterstützung des Außenhandels andere Staaten bewerten, auch europäische.
Politiker, die hoffen, bessere Bewertungen für europäische Wackelstaaten allein durch Reform der Rating-Agenturen zu bekommen, sollten die Bewertung Deutschlands durch Egan Jones betrachten: A, also fünf Stufen niedriger als durch die drei großen Rating-Agenturen.20 Wenn Politikern klar wird, dass die einzige Rating-Agentur, bei der die Nutzer der Ratings zahlen, noch schlechtere Bewertungen vergibt als die drei Großen, werden sie schnell das klassische Oligopol wieder gutheißen.
20 Stand: Januar 2014.
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Sind Rating-Agenturen am Griechenland-Debakel schuld?
Rating-Agenturen wirken wie Öl auf Feuer: Wenn es brennt verstärken sie durch negative Bewertungen die Krise nur noch. Gerade in der Griechenlandkrise haben Kritiker diesen Effekt immer wieder beklagt. Doch dabei haben sie die Ursache und Wirkung verwechselt. Die Funktion von Rating-Agenturen lässt sich am besten mit der von Verfassern von Leitartikeln oder Fernsehkommentaren vergleichen. Wenn sich jemand bei einer Bundestagswahl nach der Empfehlung eines Kommentators entscheidet, so ist das in erster Linie die Entscheidung des Wählers. Rating-Agenturen schaffen keine Tatsachen, sondern sind bestenfalls Überbringer guter oder schlechter Nachrichten. Das sieht inzwischen sogar Sigmar Gabriel so.21 Niemand käme auf die Idee, den Verfasser eines Leitartikels für falsche Wahlempfehlungen haftbar zu machen. Doch eine solche Haftung wird von der Europäischen Kommission für Rating-Agenturen gefordert.
Rating-Agenturen werden immer wieder als Brandbeschleuniger verurteilt. Sie stecken heute in einem Dilemma. Ihnen wird vorgeworfen, im Frühstadium der Finanzkrise nicht schnell genug gehandelt zu haben, um die Ratings von Finanzprodukten den geänderten Verhältnissen anzupassen. Während die Marktteilnehmer manche Hypothekenanleihen bereits zu Schrottpreisen handelten, benoteten die Rating-Agenturen diese Papiere noch mit einer hohen Bonität. In der europäischen Staatsschuldenkrise geloben und praktizieren die Rating-Agenturen nun Besserung, doch schon wieder ist das Heer der Kritiker unzufrieden. Für manche agierten sie diesmal zu schnell und sollen Staaten und Politik vor sich hergetrieben haben. Andere wiederum waren der Meinung, dass die Rating-Agenturen lediglich den Finanzmärkten hinterherlaufen. Was letztlich bedeuten würde, dass sie wieder einmal zu langsam waren.
Tatsache ist, dass die Rating-Agenturen es nicht jedem Recht machen können. Das liegt in der Natur der Sache. Rating-Agenturen vertreten eine Meinung, die sie als Wahrscheinlichkeit ausdrücken. Die einen Kritiker wünschen sich eine perfekte Vorhersage der Zukunft. Andere sehen Rating-Agenturen als Instrumente der Politik, oder zumindest als Institutionen, die politischen Willen umsetzen sollen. Die Macht der Rating-Agenturen beschneiden wurde zur Kernforderung eines jeden Politikers bis hin zur Europäischen Kommission. Von dort kam auch der Vorschlag, Herabstufungen von kriselnden Eurostaaten zu verbieten. Rating-Agenturen sollten außerdem für Fehler haften. Schließlich hätten die Rating-Agenturen in der Vergangenheit europäische Staaten falsch bewertet, insbesondere Griechenland.
Inzwischen ist die Lage in Griechenland noch schlimmer, als die pessimistischsten Vorhersagen der Rating-Agenturen prophezeit hatten. Anleger mussten bei griechischen Staatsanleihen Verluste von bis zu 80 Prozent einstecken. Die These der angeblich zu schlechten Bewertungen ist damit zwar vom Tisch, nicht jedoch die Forderung, Rating-Agenturen stärker zu überwachen.
Die Legende der „falschen” Bewertungen nahm ihren Anfang in einem fundamentalen Missverständnis, dem die Mehrzahl der politischen Entscheidungsträger bis weit in die Krise hinein aufsaß. Sie interpretierten Griechenlands Schwierigkeiten fälschlicherweise als eine Wiederholung der Liquiditätsengpässe, die zuvor Banken geplagt hatten, und die durch staatliche Garantien mit minimalem Aufwand beseitigt werden konnten. Doch Griechenland ging nicht durch eine Liquiditätskrise, sondern war schlicht und einfach insolvent.
Insolvenz und Liquiditätsengpass können unter dem Sammelbegriff Zahlungsunfähigkeit zusammengefasst werden. In beiden Fällen ist ein Schuldner nicht in der Lage, fällige Zahlungen zu leisten. Der Unterschied liegt in der Ursache für die Zahlungsunfähigkeit: bei einem Liquiditätsengpass hat der Schuldner zwar ein ausreichendes Vermögen, um seine Schulden zu bedienen. Es ist jedoch langfristig angelegt, so dass es nicht ohne weiteres zu liquiden Barreserven auf einem Konto liquidiert werden kann.
Ein Beispiel dafür ist ein Schuldner, der eine Immobilie besitzt, die mehr wert ist als die ausstehende Hypothek. Wenn der Schuldner keine ausreichenden Barreserven hat, kann er fällige Kreditzahlungen nicht leisten. Der Erlös aus dem Verkauf der Immobilie würde ausreichen, den Kredit zurückzuzahlen. Bis zur Fälligkeit der Zahlung lässt sich aber so ein Verkauf nicht arrangieren, und in vielen Fällen wäre der Verkauf auch wirtschaftlich gar nicht sinnvoll. Der Schuldner erleidet einen klassischen Liquiditätsengpass, der durch Garantien oder Überbrückungskredite behoben werden kann. Ein kurzfristiger Kredit oder eine Stundung der Zahlung bis zum Verkauf der Immobilie reicht aus. Die Hypothek würde keinen Verlust verursachen.
Im Gegensatz dazu ist ein Schuldner insolvent, wenn in diesem Beispiel selbst der Verkauf der Immobilie nicht ausreichen würde, um die Schulden zurückzuzahlen. Kein Überbrückungskredit kann die Solvenz des Schuldners wieder herstellen.
Bild 1: Ausgaben, Garantien und tatsächlich Kosten der Rettungsmaßnahmen in Prozent des Bruttosozialprodukts; Quelle: Stéphanie Marie Stolz, Michael Wedow: Extraordinary Measures in Extraordinary Times. Public Measures In Support of the Financial Sector in the EU and the United States. Occasional Paper Series No 117, Europäische Zentralbank, Frankfurt am Main, Juli 2010
Die Bankenkrise der Jahre 2008 und 2009 war ein typischer Liquiditätsengpass, der durch Garantien behoben werden konnte. Vielen entging damals, dass ein Großteil der gewaltigen Beträge, die zur Bankenrettung bereitgestellt wurden, in Wirklichkeit Garantien waren, die nie abgerufen werden mussten. Es wurde also nicht wirklich Geld ausgegeben, obwohl die Garantien in der staatlichen Buchführung als Ausgaben deklariert werden mussten. Nur bei einem Teil der Beträge handelte es sich um tatsächliche Ausgaben, wie beispielsweise bei der Stützung der Hypo Real Estate. Bild СКАЧАТЬ