Onanieren für Profis. Arne Hoffmann
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Название: Onanieren für Profis

Автор: Arne Hoffmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783944145662

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СКАЧАТЬ erleben wir außerordentlich günstige Ergebnisse, wenn in persönlichen Gesprächen, wie vor allem in der Selbsthypnose des Autogenen Trainings und notfalls in ärztlich-hypnotischer Behandlung die Worte wiederholt werden: ›Onanie ist ganz gleichgültig‹.«

      Mit anderen Worten: Selbstbefriedigung wurde noch vor wenigen Jahrzehnten noch immer als so krankhaft und behandlungsbedürftig bewertet wie beispielsweise Homosexualität oder Sadomasochismus, und die Freiheit zur sexuellen Selbstbestimmung musste von der Mehrheit ebenso mühsam gegen (oft selbsternannte) Autoritäten erkämpft werden, wie es Minderheiten in der sexuellen Ausrichtung nicht erspart blieb. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften rügte die Zeitschrift »Bravo« wegen Verleitung zur Masturbation, Günter Amendts Fernsehsendung zu seinem Buch »Sexfront« wurde 1969 wegen »Aufrufs zur Onanie« verboten, und als der Showmaster Dietmar Schönherr (»Wünsch dir was«) 1975 in einer Umfrage des »Münchener Merkur« befand, dass über Selbstbefriedigung zu wenig gesprochen werde, entschied der verantwortliche Redakteur, dies nicht drucken zu können. Und als sich die Sängerin Nina Hagen 1979 in der ORF-Talkshow »Club 2« überraschend daran machte, Techniken weiblicher Onanie vorzuführen, sorgte das für einen größeren Skandal.

      Von der erblühenden Frauenbewegung dieser Zeit wurde mit diesem Thema sehr unterschiedlich umgegangen. Die Feministin Betty Dodson etwa entwarf 1972 ein Manifest pro weibliche Selbstbefriedigung, das ein Jahr später zu einem Artikel in der Zeitschrift »Ms.«, noch später zu einem kompletten Buch avancierte (ursprünglicher Titel »Liberating Masturbation«, neuveröffentlicht 1986 als »Sex for One«; unter diesem Titel ist es auch in Deutschland erschienen). Dodsons Buch wurde zum Bestseller. Weitere Ratgeber dieser Art folgten. Sexfreundliche Frauenrechtlerinnen wie Annie Sprinkle, Carol Queen oder auch Madonna taten einiges, um Selbstbefriedigung als Teil ihrer Bühnenperformance der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Radikalfeministinnen wie Alice Schwarzer hingegen zogen derweil noch immer mit Parolen wie »Gegen Pornos und Wichser!« durch die Lande. Tatsächlich war die Porno-Industrie ein entscheidender Einflussfaktor darauf, dass die verschiedenen Varianten der menschlichen Lustbefriedigung auch einem breiteren Mainstream offen zugänglich gemacht wurden.

      Allmählich besannen sich die Sexualexperten eines anderen. In einem ersten Schritt wurde für Mediziner, Pädagogen und Psychologen Selbstbefriedigung zunächst ein ganz natürlicher Teil des jugendlichen Entwicklungsprozesses. Noch weiter aufgeweicht wurde das Tabu durch den sich neu herausbildenden Markt der Ratgeberliteratur: Die international bekannteste Koryphäe auf diesem Gebiet, Dr. Ruth Westheimer, empfahl Masturbation ebenso ausdrücklich auch für Erwachsene wie beispielsweise Alex Comfort (»Joy of Sex«). Selbst das alte Märchen, dass Selbstbefriedigung ein Notbehelf für Einsame war, letztlich also doch auf eine Charakterschwäche hinwies, verschwand. Neuere Untersuchungen ergaben, dass Menschen um so öfter onanieren, je aktiver sie auch sonst im Sexualleben sind. Jemand, der schon früh im Leben mit solchen Entspannungsübungen beginnt, ist auch mit einem Partner um so intensiver zugange – vielleicht wegen einer offeneren Einstellung gegenüber Sex, vielleicht wegen einer größeren Vertrautheit mit dem eigenen Körper und seinen Reaktionen. Bekanntes Beispiel ist der Schriftsteller David Guy, der in seinem Buch »The Autobiography of my Body« (»Die Autobiographie meines Körpers«) seinen Lebenslauf der Selbstbefriedigung darlegt und zu dem Schluss kommt, die glücklichsten Erfahrungen damit in den Phasen gehabt zu haben, in denen er verheiratet war.

      Dass Selbstbefriedigung inzwischen überhaupt kein Tabu mehr darstellt, ist allerdings auch wieder nicht wahr. Obwohl deutlich über 90 Prozent aller sexuell gesunden Personen Gefallen daran finden, wäre es beispielsweise als Gesprächsthema auf Partys immer noch kaum vorstellbar. US-Präsident Clinton musste 1995 den Rücktritt seiner Gesundheitsministerin Dr. Jocelyn Elders, Universitätsprofessorin der Pädiatrie, einfordern, nachdem diese Masturbation öffentlich als natürlichen Bestandteil der menschlichen Sexualität bezeichnet hatte und darauf verwies, dass sie zumindest die Verbreitung von AIDS und Teenager-Schwangerschaften verhindern könne, so dass man vielleicht sogar in den Schulen darüber unterrichten solle. Ein öffentlicher Aufschrei des Protests war die Folge. Auch Clintons Vize-Präsident Al Gore wurde während seiner Wahlkampfkampagne in Artikeln deshalb angefeindet, weil er Naomi Wolf als Beraterin engagiert hatte und diese Masturbation als Mittel der Selbsterkundung für junge Frauen in ihrem Buch »Promiscuities« unterstützte. Und im Deutschland des Jahres 2001 verlor Axel Kunert, Autor des »Handbuchs der Onanie« (Verlag Schwarzkopf und Schwarzkopf), seinen Job als Leiter eines Fachverlags, nachdem seine Arbeit an diesem Thema öffentlich wurde.

      In Film und Fernsehen war diese Praktik vor 1960 quasi komplett unsichtbar, wurde also nicht einmal warnend oder abwertend dargestellt. Das Fernsehen nahm sich dieses Themas später vor allem in Sitcoms an. Berühmtheit erlangte hier vor allem die 49. Episode der Reihe »Seinfeld« (Folgentitel: »The Contest«, in den USA erstausgestrahlt am 18. November 1992). Darin ging es um eine Wette, wer am längsten »ohne« aushält – das Wort »Masturbation« selbst fiel nie.

      Kinofilme insbesondere der späten Neunziger boten diesem Thema noch etwas mehr Raum. So verwöhnten sich Männer selbst in Filmen wie »American Beauty«, »American Pie« und »Verrückt nach Mary«, Frauen in »The Crow: City of Angels«, »Sliver«, »Pleasantville« und ebenfalls »American Pie« (in dem es ohnehin um fast nichts anderes geht). Man könnte noch einige andere Filme aufführen. Eine sehr eindringliche Masturbationsszene ist beispielsweise auch in David Lynchs »Mulholland Drive« zu sehen. Dennoch, so befindet zumindest Rebecca Alvin in ihrer lesenswerten Studie »Masturbation Taboo in the American Media«, sind entsprechende Szenen im Gegenwartskino insgesamt noch immer sehr selten und fallen vor allem auf drei prototypische Darstellungsweisen zurück:

      a) Der/die Masturbierende wird als einsamer Mensch gezeigt, der sich aus Verzweiflung selbst befriedigt (etwa in »Happiness«, vertreten durch den obszönen Serienanrufer Allen, oder »Mulholland Drive«, vertreten durch die von unerreichbarem Ruhm und Zuwendung träumende Betty/Diane; den Anfang von Brian de Palmas »Dressed to Kill« sowie »American Beauty« könnte man hinzufügen);

      b) Masturbation symbolisiert sexuelle Abweichung oder einen Charakterfehler (etwa in Abel Ferraras »Bad Lieutenant«, vertreten durch den namenlosen, von Harvey Keitel gespielten Anti-Helden, sowie ebenfalls in »Happiness«, vertreten durch den pädophilen Vater Bill, der sich vor Jungenmagazinen einen ’runterholt);

      c) Masturbation ist ein Initiationsritus für den Jugendlichen auf dem Weg zum Erwachsenwerden (etwa in »American Pie«, vertreten durch verschiedene männliche und weibliche Teenager in den absurdesten Situationen, sowie erneut in »Happiness«, vertreten durch Bills Sohn Billy, der in der Schlusssequenz des Films nach seiner ersten Ejakulation der gesamten Familie stolz verkündet, dass er gerade gekommen sei).

      Nur höchst selten, wenn überhaupt, wird Masturbation mit jener Selbstverständlichkeit präsentiert, die sie für fast jeden Menschen in seinem ganz normalen Alltagsablauf darstellt. Stattdessen werden althergebrachte Stigmata lediglich in leicht veränderter Form übernommen. Da Medien prägend für das Entstehen kultureller Normen sind, kann dies dazu führen, dass viele Leser und Filmzuschauer ihre eigene Lebenswirklichkeit als fragwürdig erleben: Wer sich selbst befriedigt, ist diesen Medienbildern zufolge immer noch charakterschwach, vereinsamt, krank oder auf einer jugendlichen Entwicklungsstufe stehengeblieben. Auch bleibt Masturbation selten ohne (negative) Folgen. Onanie als Beschäftigung glücklicher, sexuell erfüllter Menschen mit Vorbildcharakter zu zeigen unterliegt sehr häufig immer noch einem Tabu. Eine der wenigen Ausnahmen, in denen Selbstbefriedigung gar als befreiend und beseligend gezeigt wurde, war »Pleasantville« – ein Film, der wegen solcher Szenen von schockierten Christen quer durch die USA mit empörten Reaktionen bedacht wurde.2

      Woran liegt es also, dass bis hinein in die jüngste Gegenwart eine so angenehme und unschädliche Beschäftigung wie die Selbstbefriedigung noch immer einem Makel unterliegt? Der Psychologe und Soziologe Volker Elis Pilgrim sieht den Grund darin, dass Sexualität auch und gerade in unserer Gesellschaft genauso auf Leistung ausgerichtet sein müsse wie alles andere: »Der Trieb СКАЧАТЬ