Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Arthur Rosenberg
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik - Arthur Rosenberg страница 26

Название: Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik

Автор: Arthur Rosenberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783863935672

isbn:

СКАЧАТЬ daß Rußland sich der berechtigten Aktion Österreichs entgegenwerfen werde. Noch weniger glaubte man, daß England bei einem solchen Anlaß an der Seite Rußlands Krieg führen könnte. So ist die deutsche Regierung unfähig, ahnungslos und hilflos in den Weltkrieg hineingestolpert.

      Es kann gar keine Rede davon sein, daß Wilhelm II. oder Bethmann-Hollweg bewußt auf den Weltkrieg hingearbeitet haben. Hätte Wilhelm II. einen Krieg gewollt, um die Herrschaft in Europa zu gewinnen, so hätte er während des russisch-japanischen Krieges oder während der ersten russischen Revolution Frankreich angegriffen. Damals war Rußland militärisch ohnmächtig, und Deutschland hätte wahrscheinlich über das isolierte Frankreich gesiegt. Die friedfertige Haltung der deutschen Regierung um 1905 genügt eigentlich, um die Kriegsschuldfrage eindeutig zu beantworten.

      Wilhelm II. war, von allen anderen Argumenten abgesehen, viel zu nervös und innerlich zu unsicher, um sich die grauenhafte Last eines von ihm militärisch und politisch zu leitenden Weltkrieges zu wünschen. Ebensowenig war der stets von Sorgen und Verantwortungen gequälte Bethmann-Hollweg der Mann, einen Krieg heraufzubeschwören. Der im Juli 1914 amtierende Staatssekretär des Auswärtigen von Jagow hatte vom ersten Tage des Krieges an den Wunsch, ihn so schnell wie möglich wieder zu beenden20. Auch eine kriegslustige Militärpartei ist 1914 am Hofe Wilhelms II. nicht nachzuweisen. Der Generalstabschef von Moltke war körperlich schwer krank und fühlte sich der Armeeführung nicht gewachsen. Wie sollte er zum Kriege getrieben haben? Der Kriegsminister von Falkenhayn war ein Militär, der in den Grenzen seines Ressorts blieb, ohne den Ehrgeiz, sich in politische Fragen einzumengen. Der Staatssekretär der Marine, von Tirpitz, war in den entscheidenden Juliwochen 1914 von Berlin abwesend und hat die Art der Kriegseröffnung scharf mißbilligt. Endlich waren die beim Kaiser einflußreichen Chefs des Militär-, Zivil- und Marinekabinetts von Lyncker, von Valentini und von Müller sämtlich als »Flaumacher« verrufen21. Sie sind deshalb im Laufe des Krieges von der Obersten Heeresleitung, von den Anhängern des unbeschränkten U-Boot-Krieges und vom Kronprinzen heftig bekämpft worden.

      Die Männer, die 1914 Deutschland regierten, sind von der moralischen Kriegsschuld freizusprechen, aber um so schärfer muß die politische Unfähigkeit Wilhelms II. und Bethmann-Hollwegs betont werden. Es war ein unerhörter Fehler und im Widerspruch zu allen Traditionen Bismarcks, daß Deutschland den Österreichern bei der Aktion gegen Serbien den Rücken deckte. Als Serbien das Ultimatum Österreichs ablehnte, erklärte Österreich-Ungarn an Serbien den Krieg. Darauf mobilisierte Rußland, trotz der Warnung Deutschlands, seine Armee. Politisch hätte Deutschland alles Interesse gehabt, die Verantwortung für den Angriff Rußland zu überlassen. Statt dessen wurde die Frage in Berlin rein militärtechnisch behandelt.

      Der deutsche Generalstab sah dem Zweifronten-Krieg mit schweren Sorgen entgegen. Das französische Heer war an Zahl und an technischen Hilfsmitteln dem deutschen ungefähr gewachsen. Das russische Heer war an Zahl dem deutschen bei weitem überlegen und durch die Tätigkeit des Kriegsministers Suchomlinow mit allem Nötigen versehen. Dagegen war die Armee Österreich-Ungarns an Zahl der ausgebildeten Mannschaften und an moderner Artillerie so schwach, daß sie nur einen Bruchteil des russischen Heeres binden konnte. Von Italien war keine Hilfe zu erwarten. So mußte Deutschland mit einem Zweifronten-Krieg gegen große Übermacht rechnen.

      Der deutsche Generalstab glaubte den Krieg nur mit Hilfe des Planes gewinnen zu können, den der frühere Generalstabschef Graf Schlieffen ausgearbeitet hatte. Der Plan sah vor, daß die gesamte Macht Deutschlands bis auf einige Divisionen im Westen eingesetzt wurde, um in wenigen Wochen Frankreich niederzurennen. Danach sollte die deutsche Hauptarmee gegen Rußland antreten. Der Schlieffensche Plan zeigt am besten, wie außerordentlich ernst der Generalstab die Lage Deutschlands beurteilte. Denn der Plan setzte zu seinem Gelingen voraus, daß Deutschland den gleichstarken und gleichwertigen französischen Gegner innerhalb weniger Wochen vernichtete. Ob und wie das möglich sein sollte, konnte mit gutem Gewissen niemand sagen. Ein Generalstab, dem eine solche verzweifelte Aufgabe zur Lösung zufällt, treibt nicht zum Kriege.

      Um den Schlieffenschen Plan, der nach Ansicht des Generalstabs allein eine Rettungsaussicht bot, anzuwenden, war aber sofortiger Kriegsbeginn im Westen und im Osten nötig, sobald die russische Mobilmachung die Unvermeidlichkeit des Krieges gezeigt hatte. Rein militärtechnisch war das unbedingt richtig. Aber die politische Leitung hätte trotzdem die Verantwortung auf sich nehmen müssen, den Gegner angreifen zu lassen. Bethmann-Hollweg und Wilhelm II. hatten den Mut zu dieser politischen Verantwortung nicht, und so erklärten sie an Rußland und Frankreich den Krieg. Ohne Zweifel wäre auch ohne die deutsche Kriegserklärung der Krieg durch den russischen Angriff auf Österreich eingeleitet worden. Aber die politische Situation Deutschlands wurde durch die Kriegserklärung von Anfang an verdorben. Als Deutschland dann noch in Ausführung des Schlieffenschen Plans die Neutralität Belgiens verletzte, hatte die englische Regierung den bequemsten Vorwand zur Beteiligung am Kriege an der Seite Rußlands und Frankreichs. So war das deutsche Kaisertum in den Krieg geraten, an dessen unglücklichem Ende nach Bismarcks Urteil die sozialistische Republik stand22.

       III. KAPITEL

       Weltkrieg und Burgfrieden

      Am 4. August 1914 bewilligte der Reichstag einstimmig, auch mit den Stimmen sämtlicher Sozialdemokraten, die Kriegskredite. Dann ging das Parlament auseinander und überließ der Regierung Wilhelms II. und Bethmann-Hollwegs, ohne auch nur den Versuch einer Kontrolle zu machen, die Kriegführung. Gleichzeitig verzichteten die Parteien, wenigstens in der Öffentlichkeit, auf jeden Kampf gegeneinander und auf jede Opposition gegen die Regierung. Den Zeitgenossen war vielfach das Bekenntnis der Sozialdemokraten zur Landesverteidigung überraschend, während man den sogenannten Burgfrieden als selbstverständlich hinnahm. Wer heute vom historischen Standpunkt aus den 4. August überdenkt, kommt zu einem umgekehrten Resultat: Der Entschluß der Sozialdemokraten, an der Verteidigung Deutschlands mitzuwirken, entsprach der marxistischen, sozialistischen Tradition. Dagegen war der Burgfrieden durchaus nicht so selbstverständlich, wie er damals dem deutschen Volke vorkam.

      Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion umfaßte 110 Abgeordnete, die Fraktion entschied sich gegen 14 Stimmen für die Bewilligung der Kriegskredite. Die 14 Vertreter der Minderheit haben sämtlich in der öffentlichen Reichstagssitzung die Fraktionsdisziplin gehalten und für die Kredite gestimmt. Auch Karl Liebknecht hat am 4. August der kaiserlichen Regierung fünf Milliarden zur Führung des Krieges bewilligt. Hätte die Minderheit die Bewilligung der Kredite am 4. August als Verbrechen am Sozialismus betrachtet, so hätte sie die Fraktionsdisziplin gebrochen, ganz besonders ein so eigenwilliger und tapferer Charakter wie Karl Liebknecht. Sozialdemokratische Abgeordnete haben erst später im Reichstag die Kriegskredite verweigert, als sie die Überzeugung hatten, daß die deutsche Regierung keinen Verteidigungskrieg zur Sicherung der Existenz des Volkes, sondern einen Eroberungskrieg führe.

      Die Haltung der sozialdemokratischen Abgeordneten am 4. August war in erster Linie durch die Stimmung der sozialistischen Arbeitermassen beeinflußt, die nicht dulden wollten, daß die Truppen des Zaren über Deutschland herfielen. Aber darüber hinaus befand sich die sozialdemokratische Fraktion bei dem Bekenntnis zur Landesverteidigung durchaus im Einklang mit der marxistischen Lehre1. Marx und Engels waren zwar der Ansicht, daß die sozialistische Gesellschaft in einer späteren Zukunft den Krieg beseitigen werde. Aber in der Periode des Kapitalismus hielten sie den Krieg für ein Mittel der Politik, mit dem der Staatsmann – auch der Staatsmann des Proletariats – einfach rechnen muß. Ebenso gibt der Marxismus jeder Nation das Recht auf unabhängige Existenz und damit das Recht der Selbstverteidigung. Darüber hinaus beurteilt der Marxismus jeden Krieg nach den Interessen des internationalen Proletariats, und so sollen die sozialistischen Arbeiter aller Länder zu jedem Krieg eine einheitliche Auffassung vertreten.

      Ein klassisches Beispiel für die marxistische Stellung zum Kriege bietet die Haltung von Marx und Engels zum Kriege 1870/71. Beim Kriegsausbruch waren die beiden Häupter СКАЧАТЬ