Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen. Nele Kreyßig
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen - Nele Kreyßig страница 5

Название: Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen

Автор: Nele Kreyßig

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия: Dein Leben

isbn: 9783956239281

isbn:

СКАЧАТЬ die geringe Selbstsicherheit der weniger Begünstigten. Unsere eigene Art, die Welt zu sehen, ist sehr individuell und daher vergleichbar mit einer nur für uns angepassten Brille. Nur ich kann durch meine gut sehen, und Sie durch Ihre (auch wenn Sie selbst keine Brille haben, können Sie sich sicher vorstellen, wie individuell Brillengläser geschliffen sind). Würden Personen also im Moment des Wunderns ihre eigene Brille ab- und stattdessen die des Gegenübers aufsetzen, könnten sie nur noch verschwommen sehen. Da bleiben wir doch lieber bei unserer eigenen Brille und Weltsicht!

      Unser Gehirn liebt Abkürzungen.

      Hinzu kommt: Unser Gehirn liebt Automatismen. Wir genießen es, wenn wir Dinge im Schlaf beherrschen: Auto fahren, unser Lieblingsessen kochen, per WhatsApp schnell ein paar Fotos verschicken. Schnelle Urteile sind ebenfalls willkommene Abkürzungen: Etwas passiert, wir öffnen eine bekannte Schublade im Gehirn, und schwupps! – ist alles klar und unsere Welt in beruhigender Weise geordnet: Eine Hochzeit gehört gefeiert, mit Tanz, Familie und allem Drum und Dran. Herr XY kann sich nicht organisieren. Und »Die Ärzte« wären besser zu Onkel Werner in die Werkstatt gegangen, statt sich die Haare bunt zu färben und laute Musik zu machen. Meist ist uns gar nicht bewusst, woher unsere Urteile kommen und wie rasch wir andere be- und verurteilen. Allerdings reagieren wir empfindlich, wenn uns dasselbe passiert. Das deutet darauf hin, dass die menschliche Persönlichkeit ziemlich komplex und mitunter rätselhaft ist. Im zweiten Teil des Buches gehe ich noch genauer darauf ein.

      Neben unserer persönlichen Weltsicht-Brille und fertigen Wertungsschubladen spielt auch die chronische Faulheit des Gehirns eine Rolle. Es ist ein wirkliches Energiesparwunder! Treffen wir auf Menschen, ist es beispielsweise völlig normal, dass uns die Personen, die uns ähnlich sind, oftmals spontan sympathisch sind. Unser Gehirn hat es einfach leichter mit ihnen (es muss weniger analysieren), im Idealfall verstehen wir uns »blind«. Tickt dagegen jemand anders als wir selbst, wird es mühsamer. Das Gehirn muss sich mehr anstrengen, um das Gegenüber einzuordnen und zu verstehen. Während jede Schnittmenge (gleiche Hobbys, ähnliche Wortwahl, vertraute Werte und Verhaltensmuster) sich gut anfühlt, wird eine Differenz kritisch beäugt. Dann schießen uns Gedanken durch den Kopf wie »Der spricht aber komisch!«, »Seltsam, dass die sich so für Autos und Fußball interessiert. So sieht sie gar nicht aus«, »Wie kann man nur in einer Fleischfabrik arbeiten!«. Von solchen Irritationen zu (negativen) Bewertungen ist es nur ein winziger Schritt. Schauen Sie sich auf der nächsten Party um: Dort reden überwiegend diejenigen, die sich schon lange kennen, über die Dinge, über die sie auch auf der letzten Party schon geredet haben. Statt sich über neue Leute und neue Anregungen zu freuen, lockt uns unser Gehirn zu alten Bekannten, mit denen wir einen entspannten (wenn auch manchmal etwas langweiligen, weil ziemlich vorhersehbaren) Abend gegenseitiger Bestätigung verbringen können. Ausnahmen bestätigen auch hier natürlich die Regel.

      Sie bewerten andere? Davon hat niemand etwas!

      Mit unseren Wertungen tun wir uns oft keinen Gefallen, und das nicht nur, weil wir vielleicht interessante neue Bekanntschaften versäumen. Wir stoßen Freunde vor den Kopf (denken Sie an meine Freundin Katja, die mir ein unglückliches Leben in Freiburg vorhersagte), wir entfremden uns von unseren Eltern, wir geraten in Streit mit unseren Nachbarn oder reiben uns tagtäglich am Arbeitsplatz auf, weil Kolleginnen und Kollegen oder unsere Führungskraft anders ticken, als wir uns das wünschen, und sich partout weigern, sich unseren Vorstellungen anzupassen. Dass Sie dieses Buch lesen, spricht dafür, dass Sie dieses Problem kennen. Doch wie stark werten Sie selbst? Gehören Sie zu den toleranteren Zeitgenossen oder zu den meinungsstarken, die immer ganz genau wissen, wo es langgeht? Der Test im folgenden Abschnitt gibt Anhaltspunkte. Achtung: Dabei handelt es sich nicht um ein wissenschaftlich validiertes (d. h. an großen Gruppen erprobtes und statistisch normiertes) Verfahren, sondern um eine augenzwinkernde Anregung zur Selbstreflexion.

       Der Blick in den Spiegel

       Test »Was für ein Wertungstyp sind Sie?« und Selbstbeobachtung

      Lassen Sie sich auf ein kleines Spiel ein? Dann kreuzen Sie bitte Ihre wahrscheinlichste Reaktion in den folgenden Situationen an. Wenn die Situation für Sie zu unpassend ist (weil Sie z. B. keine Kinder haben), dann stellen Sie sich vor, welche Ihre wohl wahrscheinlichste Reaktion wäre, wenn Sie in der Situation wären. Wie würden Sie vermutlich reagieren?

1) Eine gute Freundin überrascht Sie nach mehreren Jobwechseln mit einem neuen Plan: Sie will ein Café eröffnen und muss dafür einen Kredit von 30 000 Euro aufnehmen.
a) Sie halten das für eine Schnapsidee und sagen Ihrer Freundin das auch deutlich: Sie rennt in ihr Unglück! image
b) Sie beglückwünschen Ihre Freundin und fragen, wie Sie helfen können. Sie haben da schon ganz viele eigene Ideen! image
c) Sie halten das für falsch, wollen sich aber nicht einmischen. Wenn Sie gefragt werden, weichen Sie aus (»Musst du selbst wissen …«). image
d) Sie denken, dass es dieses Mal klappen könnte, halten sich aber mit Äußerungen zurück. image
2) Ihr Chef verkündet in der Teamsitzung, dass es zukünftig keine festen Arbeitsplätze mehr geben wird, sondern modernes Desk Sharing: Jeder sucht sich morgens seinen Platz.
a) Sie finden das furchtbar und zählen auch gleich diverse Gegenargumente auf. image
b) Endlich kommt mal ein bisschen Bewegung in den Laden! Sie haben auch gleich ein paar Vorschläge für die Umsetzung. image
c) Ihnen graut schon jetzt davor, aber Sie halten lieber den Mund, weil Protest vermutlich nichts bringen wird. image
d) Sie sind ohnehin selten da und finden das Konzept sinnvoll, lehnen sich aber nicht aus dem Fenster. image
3) Eine junge Kollegin in Ihrer Abteilung trägt auf der Betriebsfeier ein offenherziges Kleid, das alle Blicke auf sich zieht.
a) Sie sprechen die Kollegin am nächsten Tag darauf an: So wird Sie im Betrieb niemals ernst genommen! image
b) Sie finden, die Kollegin kann das absolut tragen, und machen ihr ein Kompliment zu ihrer tollen Figur! СКАЧАТЬ