Spielregeln für Game Changer. Kerstin Friedrich
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Название: Spielregeln für Game Changer

Автор: Kerstin Friedrich

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия: Dein Business

isbn: 9783956239120

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СКАЧАТЬ erzeugen wir aber gerade damit die Haltung, die wir eigentlich bekämpfen wollen. Der Mensch ist in seinem Wesenskern ein Sozialwesen, das auf positive soziale Resonanz angewiesen ist. Wir brauchen weder Druck noch Kontrollen, um gute Arbeit zu leisten; wir wollen von Natur aus erfolgreich sein und als Team gewinnen.

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      Unsere Art, Unternehmen zu organisieren und zu führen, ist aus einem sehr wichtigen Grund ein Auslaufmodell: Dieses Modell ist von Anfang an nicht dafür konzipiert worden, dass Menschen ihre Talente im Team optimal entfalten, sondern um ein Maximum an Produktivität zu erzeugen. Das war über viele Jahrhunderte auch sinnvoll, musste doch die Versorgung der Menschen mit knappen Gütern gewährleistet werden. Es schien nicht besonders wichtig zu sein, ob dieses Modell auch dazu führte, dass grundlegende Bedürfnisse der arbeitenden Menschen erfüllt wurden. Vielmehr reichte es, dass sie sich mithilfe der (ungeliebten) Arbeit möglichst viele Konsumwünsche erfüllen konnten.

      Das Ziel der maximalen Produktivität ist in einigen Landstrichen der Erde – unter anderem in Mitteleuropa – so gut wie erfüllt. Nichts bringt dies besser auf den Punkt als der schöne Satz: »Früher haben wir Hungrige satt gemacht, heute müssen wir Satte hungrig machen.« Es war noch vor wenigen Jahrzehnten kaum vorstellbar, dass alle physischen Bedürfnisse nach Essen und Bekleidung zu derart günstigen Preisen erfüllbar sind. Zumindest in den sogenannten entwickelten Industrienationen sehen wir auf praktisch allen Konsumgütermärkten ein brutales Überangebot. Kaum ein Unternehmen ist heute vor dem internationalen Wettbewerb geschützt. Und um dem zu entkommen, stehen sie unter einem noch nie da gewesenen Innovationsdruck: Entweder müssen sie noch attraktivere Produkte oder Dienstleistungen entwickeln oder sie müssen ihre Prozesse immer mehr optimieren, um im Preiswettbewerb mithalten zu können.

      Für diese Innovationen braucht man vor allem eines: fähige und motivierte Mitarbeiter. Und eine Struktur, in der diese Mitarbeiter ihre Ideen optimal im Rahmen marktfähiger Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse zum Leben erwecken können. Hier gehen die Probleme weiter: Diese hoch qualifizierten Menschen sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu bekommen, und wenn es sie gibt, stellen sie mittlerweile andere Ansprüche als noch ihre Eltern und Großeltern. Die berühmte Generation Y traut sich heute, neben Gehalt, guten Arbeitsbedingungen und einem lebensfreundlichen Betriebsklima auch nach Sinn in ihrem Tun zu verlangen. Hat man diese innovativen Menschen denn an Bord, so brauchen sie Arbeitsbedingungen, unter denen Kreativität und Innovationskraft blühen können. Spätestens jetzt wird es für viele Unternehmen eng. Die Organisationen sind nämlich eher darauf angelegt, mit hoher Effizienz Routinetätigkeiten zu erledigen. »Erfinden« und »Produzieren« haben wir seit mehr als 100 Jahren auch wissenschaftlich fein säuberlich voneinander getrennt. Frederick Taylor, der eigentlich angetreten war, um die Arbeitsbedingungen in Fabriken zu verbessern, betrieb die Spezialisierung und Optimierung in der Produktion bis zur Perfektion. Mit seinem Shopfloor-Management legte er den Grundstein für enorme Produktivitätssteigerungen und brachte die amerikanische Industrie zum Blühen. Von nun an durften die Arbeiter mit dem Segen der Wissenschaft ihr Gehirn getrost zu Hause lassen und einfach nur Dienst nach Vorschrift machen.

      In Zeiten hoher struktureller Arbeitslosigkeit mussten sich Arbeitgeber keine besonders großen Gedanken machen, wie sie fähige Mitarbeiter anziehen und – noch wichtiger – wie sie diesen dann Arbeitsbedingungen bieten können, unter denen sie gern an ihren Arbeitsplatz gehen, um dort ihr Bestes zu geben. Die Angst vor Arbeitsplatzverlust und die Hoffnung, über mehr Konsum das Glück zu finden, reichten aus, damit Menschen sich anstrengten. Das hat sich mittlerweile geändert. Fragte man vor 20 Jahren, was die Unternehmen zum Wachstum brauchen, lautete die Antwort: mehr zahlungskräftige Kunden. Heute lautet die Antwort: mehr fähige Mitarbeiter, mit denen wir das erschaffen, was zahlungskräftige Kunden anlockt. Die wichtigste Überlebensfrage lautet also nicht mehr: »Mit welcher Strategie schlage ich die Konkurrenz?« – das ist nicht besonders schwierig herauszufinden –, sondern: »Wie bekomme und fördere ich die Mitarbeiter, mit denen ich diese Strategien entwickeln und vor allem auch umsetzen kann?«

      Das Finden und Binden der besten Mitarbeiter ist zur wichtigsten unternehmerischen Aufgabe geworden. Denn ohne diese gelingt weder die Strategieentwicklung noch die -umsetzung. Habe ich gute Leute um mich versammelt, lösen sich alle anderen Probleme wesentlich leichter. Denn wenn sich das Team mit all seiner Intelligenz und Erfahrung bedingungslos und voll Freude für die Zukunft des Unternehmens einsetzt, kann ich auch als Unternehmer und Führungskraft meine ganze Kraft entwickeln. Ich muss meine Zeit nicht mehr mit Motivationsversuchen und Kontrollen verbringen. Meine Sorgen um operative Engpässe nehmen ab, weil sich entweder andere darum kümmern oder weil sie gar nicht erst entstehen. Und meine ureigene unternehmerische Aufgabe, nämlich an der Zukunft des Unternehmens zu arbeiten, brauche ich nicht mehr allein zu erledigen, sondern tue das gemeinsam im Team.

       Kompliziert versus komplex

      Warum brauchen wir heute mehr denn je fähige Mitarbeiter? Weil wir es häufiger als früher mit komplexen Aufgaben und Herausforderungen zu tun haben. Dazu ein kleiner Ausflug in die Systemtheorie: Dort kennt man zwei Arten von Problemen, nämlich komplizierte (»blaue Aufgaben«) und komplexe (»rote Aufgaben«).5 Komplizierte Systeme laufen immer wieder gleich ab, ihre Teile wirken immer wieder gleich zusammen, sie sind von außen beobachtbar und steuerbar. Sie bergen keinerlei Überraschungen. Ein kompliziertes Problem ist allein durch Wissen zu lösen. Beispiel: Wenn meine Waschmaschine kaputt ist, ist das für mich ein kompliziertes Problem, da ich absolut keine Ahnung habe, wie Waschmaschinen funktionieren (egal, ob von AEG, Bosch, Siemens oder Miele). Für den Miele-Servicetechniker dagegen ist eine kaputte Miele-Waschmaschine kein Problem, sondern eine Banalität: kurze Fehlerdiagnose, Ersatzteil montiert, fertig. Kompliziertheit entsteht also durch einen Mangel an Wissen. Bei blauen Problemen stehen die Fragen »Wie geht es?« und »Wer weiß das?« im Vordergrund. »Blau« sind zum Beispiel alle Maschinen und genau standardisierbaren Prozesse. Mit dem nötigen Wissen werden komplizierte Probleme trivial und damit sofort lösbar und zu entscheiden.

      Für das Funktionieren einer Organisation ist es erforderlich, dass für alle blauen Aufgaben und Probleme die richtigen Fachleute verfügbar sind und dass deren Fachwissen ausreichend dokumentiert ist. Dann ist es mehr oder weniger problemlos in der Organisation multiplizierbar. Alle komplizierten Probleme können theoretisch von Algorithmen, Maschinen und Robotern erledigt werden. Hierarchische Führungsstrukturen aus der Zeit der Industrialisierung vertragen sich prima mit blauen Aufgaben, in denen Vorgabe und Kontrolle notwendig sind. Die blaue Welt ist die der Checklisten, Prozessbeschreibungen und ISOs, der Null-Fehler-Toleranz und Perfektionierung.

      Komplexe (rote) Systeme hingegen sind prinzipiell unberechenbar. Das Zusammenwirken ihrer Teile ist dynamisch; es folgt keinen festen Regeln. Komplexität ist das Maß an Überraschungen, mit denen man rechnen muss. Typischerweise sind alle Systeme »rot«, in denen unberechenbare Naturkräfte oder der zuweilen unberechenbare Mensch eine Rolle für das Gelingen spielen. Bisher sind einzig Menschen in der Lage, rote Probleme zu lösen, denn diese brauchen Ideen und Kreativität. Rote Probleme kann man nicht der Reihe nach systematisch abarbeiten. Sie brauchen Könner, die sehr schnell experimentieren und schnell die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen können. Bei roten Problemen steht also die Frage »Wer kann es schaffen?« im Vordergrund. Rote Probleme werden typischerweise in Projekten organisiert. Kommunikation und Kreativität spielen eine außerordentlich wichtige Rolle. Die Entscheidungen werden häufig im Team gefällt. Die notwendigen Ideen entstehen in einer Mischung aus individueller und kollektiver Arbeit. Sie erfordern den Rückzug und die Stille ebenso wie den Austausch und die gegenseitige Anregung. In dem Maße, wie Unternehmen unter Innovationsdruck stehen, steigt der Anteil roter Aufgaben.

      Leider werden wir in unserem Schulsystem durch und durch auf die blaue Welt vorbereitet. Es stecken keine wirklichen Überraschungen in den Schulbüchern und Lösungsheften, denn es werden ausschließlich Fragen gestellt, СКАЧАТЬ