Auf Asche. Ronald Reng
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Название: Auf Asche

Автор: Ronald Reng

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783730700297

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СКАЧАТЬ Delegation in der Geschichte des deutschen Amateurfußballs ab: Masseur, Teammanager, Co-Trainer, Trainer, Präsident, Mäzen, Zeugwart, Platzwart, Tankwart, bummelig acht Ersatzspieler und zusätzlich noch eine unübersichtliche Anzahl an Fans, die allerlei Bohei neben dem Platz machen. Zu allerlei Bohei auf dem Platz kommt es, als auch den Teutonen klar wird, dass ausgerechnet dieser „dicke Mann mit die zu kleine Trikot” das Spiel zu leiten gedenkt. Kein Wunder, gibt sich dieser „dicke Mann mit die zu kleine Trikot” doch so überhaupt keine Mühe, seine Sympathien zu verhehlen: „Dritte Herren, bleibt cool! Teutonia hat doch längst verloren. Lasst das mal den Kulle machen!” Was die Offiziellen und Fans des Gegners klar und deutlich hören können, schließlich ruft er es mehr in deren Richtung, als dass er es uns verschwörerisch zuflüstert. Logisch, dass auf der anderen Seite „eine krasse Betrug!” gewittert wird. Das kann ja was werden heute …

      Das Spiel beginnt mit Verzögerung, schließlich muss sich Kulle („Aber nur unter Protest!”) nach dem ganzen Tohuwabohu zunächst noch eine Trainingsjacke über sein Altona-Trikot drüberziehen, wegen „unparteiisch” und so. Selbstredend, dass wir trotzdem Anstoß haben und es schon bei der ersten brenzligen Situation lichterloh brennt – zumindest die Teutonen auf und neben dem Platz tun dies: „Der Ball war aus, Schierri!” Doch der „Schierri” lässt sich nicht beirren: „Weitermachen! Immer weitermachen!” Schon wenige Sekunden darauf drehen die teutonischen Türken das nächste Mal frei. Kulle hat auf Freistoß für Altona entschieden. „Das ist doch die große Scheiße hier! Ein Betrug ist das!” So geht das alle paar Sekunden. Wir lassen uns, na logen, auch nicht die Butter vom Brot nehmen. Im Schnacken, Lamentieren, Arme Rumfuchteln und „Was willst du denn, hä!?”-Brüllen sind wir ganz groß!

      Es ist fast Mittag, als Rechtsverteidiger Dieter auf seine Uhr schaut und um Weiterspielen bittet. „Seht zu, Leute! Meine Alte wartet zu Hause mit dem Essen!” Was Dieter sagt, hat bei uns Gewicht. Das Spiel läuft also wieder. Zumindest für etwa dreißig Sekunden. Dann beginnt die gleiche Prozedur aufs Neue. Nebenbei holt Kulle Altona-Rechtsaußen Fuzzi zur Seite: „Mach mal, dassu in den Strafraum kommst, Digger! Ich pfeif gleich Elfmeter! Wir können ruhig noch was fürs Torverhältnis tun.”

      Eigentlich sollte ich längst geduscht beim Frühschoppen in der Kneipe sitzen. Stattdessen steht es nach bummelig vierzig Minuten reiner Spielzeit 3:0 für uns. Fuzzi hat zweimal, Blacky einmal getroffen, Letzterer per Elfmeter, nachdem Fuzzi im Strafraum ominös zu Fall gekommen war. Teutonias Vierte versucht nach wie vor alles. Doch vergeblich. In unserer Spielhälfte wird restlos jeder Ballbesitz von ihnen seitens Kulle mit dem deutlichen Hinweis „Klares Abseits, Sportsfreund!” abgepfiffen. Außerdem beklagt unser Gegner bereits gut und gerne sieben gelbe Karten, allesamt „absolut berechtigt”, wie Kulle später selbstsicher klarstellt, dazu ein Feldverweis. Dem Elfmeter ging laut „Schierri” eine Notbremse voraus. Eigentlich läuft für die „Dritte” also alles nach Plan. Uwe marschiert nach dem 4:0 dann auch schnurstracks zum Trainer und erklärt: „Ich geh jetzt einen saufen. Hier brennt ja heute eh nichts mehr an.” Unser Trainer schon, glaubt der doch, seinen Ohren nicht zu trauen: „Du bleibst schön hier, Freundchen! Das Ding hier is’ noch lange nich’ gewonnen!” Als Schiedsrichter Kulle das hört, prustet er laut los: „Noch lange nich’ gewonnen?! Trainer, ich bitte dich! Ihr habt doch mich!”

      Die türkische Delegation ist mit den Nerven eh zu Fuß, doch nun läuft das Fass über. Vieles mussten sie heute schon ertragen, doch spätestens jetzt ist der Teufel, um nicht zu sagen, der Teutone los. Unser Trainer versucht zu vermitteln: „Das meint der doch nicht so! Der ist nur betrunken!” Doch für Deeskalation ist es längst zu spät. Sämtliche Teutonen gehen auf Kulle los, und auch unser Trainer muss reichlich einstecken. Der Rest von uns schaut sich das bunte Treiben eine Weile an und trottet dann gemächlich in Richtung Kabine. Die erste Halbzeit scheint endgültig beendet zu sein. Für Dieter das ganze Spiel: „Ich muss los. Bei uns zu Hause gibt’s heute Schweinebraten!” Auch Uwe klinkt sich da nur zu gerne ein: „Wer hat Lust auf ein kühles Bier? Ich fahr mal kurz zur Tanke.”

      Es ist irgendein Sonntag in Hamburg-Altona. Mittlerweile 13 Uhr. Halbzeit in der Betonliga. Ich sitze in der Kabine, habe den Frühschoppen zwar verpasst, dank Uwe nun aber zumindest ein kühles Bier in der Hand, und denke so bei mir: Gut, dass bei uns in der Betonliga die Spiele so früh angesetzt werden. Zumindest zu Kaffee und Kuchen müsste ich es noch rechtzeitig nach Hause schaffen …

      Michael Wildberg

       Wir waren dem Wahnsinn so nahe …

      Wir hatten sie diesmal bereits auf der Fähre gesehen. In ihrem Rücken tummelte sich ein wild grölender und feist grinsender Betreuerstab. Widerliche Kreaturen, die sich eine Palette Bier nach der anderen reinschaufelten. Wir hassten sie von Anfang an, und wir wollten sie umbringen, nicht mehr und nicht weniger. Sie waren berühmt-berüchtigt, für ihr Aussehen, ihre Spielweise und ihre anarchistische Haltung zu diesem Sport. Aber auch wir hatten unseren Ruf zu verteidigen, Kinder von Traurigkeit waren auch wir nicht gewesen, niemals, über die ganzen Jahre hinweg, und gerade gemacht haben wir uns immer wieder, so hart es auch war. Es gab Partien, in denen brutalste Fouls von beiden Trainerteams mit Schreien wie „Der Bastard soll mal nicht so rummemmen!” kommentiert wurden, und dies ist nur der geschönte Teil einer ganzen Batterie hochkreativer Beleidigungsformeln, mit denen wir wechselseitig über Jahre hinweg von Abwehr bis Angriff alles traktierten, was nicht rechtzeitig an uns vorbeirennen konnte. Jedes Jahr aufs Neue standen wir uns gegenüber. Es waren Schlachten epischen Ausmaßes dabei, ebenso wie herbe Niederlagen, knappe Siege und torlose Gekicke im Regen. Wir hatten die ganze Derbygeschichte hinter uns, und wir spielten das Spiel trotzdem immer wieder. So sehr hassten wir uns.

      Das Traineramt hatte ich bereits im Februar übernommen. Mein Vorgänger war unter Schimpf und Schande gegangen. Manchmal reicht eben eine Niederlage, um in Ungnade zu fallen, und es war schließlich eines dieser Duelle gewesen, das ihm das Genick brach. Es war ein ruhiger Dienstagnachmittag, als ich den Kugelschreiber in aller Ruhe auf dem Papier aufsetzte und die womöglich entscheidende Unterschrift meines Lebens setzte, während vor dem Fenster die Rentner verwelkten und vor uns drei grinsende Betreuer den letzten Schnörkel abwarteten. Schon im Vorfeld wurde klargestellt, dass man mir, wollte man diesen Plan wirklich angehen, den Kollegen Singh zur Seite stellen müsste, ein Fußballfachmann vor dem Herrn, ehemaliger Landesligist, seinerzeit kurz vor dem Sprung in die ganz hohen Weihen, dann aber wie immer: Schnaps, Party und Frauen, jedes Wochenende last man standing, und schon war er zu Ende, der Fußballertraum. Eine Karriere an der Theke verschleudert, wie so viele. Aber er wusste ein Spiel zu lesen, war Menschenkenner und Motivator in einem, und ich wusste, wie man solche Talente einzusetzen hatte.

      „Wir werden sie fertigmachen”, sagte er bei der Vertragsunterzeichnung mitten in Homberg-Hochheide und hielt mir feierlich seine Hand hin. Vor wenigen Jahren hatten wir noch gemeinsam auf diesem Feld gestanden. Ich im Tor, er im kreativen Mittelfeld oder in der vordersten Reihe. Er verschoss entscheidende Elfmeter oder erzielte Tore in letzter Minute, ich griff daneben oder flog wie ein Adler. Unsere Karriere hatten wir an den Nagel gehängt, wir waren mittlerweile gezeichnete Männer geworden, aber immer noch loderte in uns dieses gierige Feuer.

      „Wir werden sie nicht fertigmachen”, antwortete ich und tippte ihm an die Schulter. „Wir müssen sie fertigmachen.”

      Er nickte.

      Der Tag der Finalrunde, und direkt nach dem Aufstehen spürst du dieses Vibrieren im Raum. Es riecht schon morgens nach Endspielen. Überall diese merkwürdige, geschäftige Stille, alle wollen funktionieren, und alle wissen, worum es hier geht. Die Bedienung reicht hektisch Brote herum, Bedienstete rennen mit Getränkekannen durch die Reihen und füllen auf, wo leere Tassen rübergereicht und leere Teller in die Hand gedrückt werden. Und auch sie verhalten sich anders als sonst, sind mitfühlender, zärtlicher, wissen um die Anspannung und den Moment. Du gehst zum Frühstückstisch und siehst die Jungs dort sitzen. Alle haben sie diese angespannten Gesichter, alle sind sie fokussiert СКАЧАТЬ